Archiv der Kategorie: Kalender

APPLAUS-KULTUR

Von Applaus und schlechtem Stil

Tosender Jubel nach dem ersten Akt! Doch soll man den Opernabend nicht vor dem Fallen des letzten Vorhangs loben. Nur eine knappe Stunde später hatte der Wotan die Stimme verloren, ging aber dankenswerterweise nicht ab, sondern stand seine Qualen bis zum Aktschluss durch. Die letzten Zeilen, die Wagner seinem Göttervater zudenkt, sparte sich der Sänger. Er brachte keinen Ton mehr heraus. Dafür stürmte das Orchester umso heftiger. Wotans Zorn wurde zur akustischen Realität. Doch im Publikum wussten einige besonders feinfühlige Zeitgenossen nichts Besseres, als das vokale Hinscheiden eines Darstellers mit heftigen Buhrufen zu quittieren.

Dergleichen ist angesichts der Leistung, die von Sängern und Musikern rundum erbracht wurde, so unerfreulich wie angesichts des Pechs, das ein verdienter Sänger hatte, der diese Partie zwischen Aix en Provence und Florenz, aber auch in der Wiener Generalprobe bereits mit beachtlichem Erfolg gesungen hat. Wie auch immer: Da war ein arger Unfall passiert. Man kann einen solchen auch ungehobelt kommentieren.

Dass am Ende der Vorstellung aber auch die Darstellerin der Brünnhilde mit Buhrufen bedacht wurde, stimmt bedenklich. Denn da ging es nicht um die Bewertung einer Leistung, sondern um Geschmacksfragen, die wohl diskutiert werden, aber nicht mit Schmähungen einhergehen dürfen. Man kann darüber unterschiedlicher Ansicht sein, welches Timbre eine Brünnhilde in der „Walküre“ haben soll und darf, ob ihre Stimme etwa prinzipiell schwerer und dunkler sein müsse als jene der Sieglinde. Das kann sich sogar auf die Stärke des Applauses auswirken, denn wer eine ästhetische Ansicht nicht teilt, kann seine Zustimmung verweigern. Eine Sängerin aber auszubuhen, obwohl sie gegen die Anforderungen der Partitur eine tadellose Leistung erbracht hat, nur weil einem ihre Stimmfarbe nicht passt, das ist schlicht und einfach unfair, ungezogen und des angeblich nach wie vor so kundigen Wiener Musikpublikums nicht würdig.

»Die schweigsame Frau«

über das Werk

Richard Strauss‘ Stefan-Zweig-Oper ist ein Sorgenkind des Repertoires

Premiere, Wien – Dezember 1996

Die Ehrenrettung für Richard Straussens späten Versuch einer »komischen Oper« dürfte der Wiener Staatsoper wieder nicht gelungen sein. Das Stück, das man gespielt hat, ist nur andeutungsweise mit dem von Strauss verwandt. Es erntete jedoch einen rauschenden Premierenerfolg.

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Brucknerfest

Ist’s Bruckner oder Janacek?

Brucknerfest 1995

Roger Norrington sorgte mit einer Aufführung der Urfassung von Bruckners Dritter für Aufsehen.

Die London Classical Players sorgten mit Beethoven für Aufruhr im Wiener Musikleben und warfen in Linz mit Bruckner viele Fragen auf.
So viel Zündstoff enthalten Konzerte nicht alle Tage.

Die Zeiten, in denen die berüchtigten Vertreter der Originalklang-Ästhetik die ihnen willig zugeordneten Schrebergärten beackerten, sind endgültig vorbei. Längst geht es an die Substanz des gesamten Musiklebens, um die Frage, ob nicht auch Brahms, Bruckner, ja sogar Richard Wagner einer neuen interpretatorischen Beleuchtung bedürfen, die historisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über Aufführungspraxis und Spieltradition akribisch berücksichtigt.

Buhrufe für Beethoven!

In Österreich, wo man auf natürlich gewachsene Strukturen Wert legt, rufen solche Tendenzen auch Widerspruch hervor. So hallten nach Beethovens Achter, gespielt von den Classical Players sogar Buhrufe durch den Musikvereinssaal. Das hatte aber auch gesummt und gesurrt und gehämmert und gelärmt wie noch nie in dieser F-Dur-Symphonie. Gewisse Momente heftigster Klangballungen gemahnten angesichts des Eifers, mit dem die Musiker ans Werk gingen, eher an selbstvergessen-entfesseltes Kinderspiel als an eine philharmonische Beethoven-Session.

Da ist noch die Sache mit den „alten Instrumenten“, die schwerer ansprechen und fehleranfälliger sind als ihre modernen Nachfolger. Da waren dementsprechende Hornkiekser und ein im Final-Furor zunehmend undurchdringlicher Tönedschungel, der allen ästhetischen Postulaten der jüngeren Vergangenheit, denen Transparenz und Klarheit der Strukturen über alles ging, Hohn sprach.

So oder so ähnlich könnte freilich zu Beethovens Zeit die Musik wirklich geklungen haben: wild und ungezügelt, erschreckend wohl. Außerdem ist Norrington ein Showmaster, der auf dem Podium hüpft und sich verausgabt wie weiland Leonard Bernstein, der auch in einer Ansprache seinem Publikum suggeriert, es dürfe bei Haydn (Symphonie Nr. 65) auch zwischen den Sätzen applaudieren, der – mehr noch – Thomas Holzmaier animiert, zwischendrin auch noch Opernarien des Komponisten zum besten zu geben (übrigen mit immer noch schöner, aber dank technischer Fehlern zunehmend tonlos werdender, gefährdeter Stimme!).

Bruckners Dritte in der Urfassung

So viel zur ästhetisch-historischen Lektion, die ein solches Konzert auch sein kann. Dann aber: Norrington ist offenkundig auch ein Dirigent, der’s gern leidenschaftlich hat, der die Musikanten zu weit geatmeten Phrasen und gesanglicher Tongebung animiert.
So strömen Haydnsche Adagio-Sätze ebenso duftig wie solche von Anton Bruckner – wenn auch bei der Aufführung der Urfassung von dessen Dritter Symphonie im Linzer Brucknerhaus die Grenzen der Möglichkeiten der „Classical Players“ klar zu Tage traten: Die halbstündige Reise durch den langsamen Satz dieser „Wagner-Symphonie“, in der in dieser Version noch alle „Tristan“-und „Walküren“-Zitate enthalten sind, zerbröselte Norrington trotz heftiger Versuche mittels großem Ausdruck Zusammenhalt zu stiften, unter den Fingern.

In dieser Diskrepanz zwischen Erstrebtem und Erreichtem liegt der mögliche Kritikpunkt. Nicht aber in dem Impetus, in der über alle technischen Pannen und Fehler hinweg stürmenden Emphase der Bruckner-Interpretation, die hier vorgeführt wurde. Diese 1873 entstandene, zu Bruckners Zeiten nie aufgeführte Fassung der Dritten ist tatsächlich das Protokoll eines sich mit ungeheurem Elan über alle Konventionen hinwegsetzenden Geistes. Bruckner dringt mit jähen Kontrasten, schroffen Instrumentations-Kniffen in Regionen vor, die an viel spätere Meister gemahnen – sogar an die wilden, von krassen Stimmungsumschwüngen gezeichneten Ekstasen eines Leos Janacek.

Daß die Zeitgenossen solches als Verrücktheit empfinden mußten, versteht, wer Norringtons kratzbürstige, rüde Aufführung erlebt.
Da kommt etwas von der damaligen Verblüffung zurück – und man empfindet’s gar nicht als Lehrstunde.

Bregenz: Nabucco

Die zahlreichen Fratzen der Macht

In Bregenz ist man seit Jahren erfolgsverwöhnt. Von Festspiel zu Festspiel gelingen die Opern im Haus und auf dem See aufsehenerregend. Heuer darf man mit Verdis „Nabucco“ eine veritable Sensation verbuchen.

Spätestens seit Jerome Savary weiß der Opernfreund, daß brillant gemachter Zirkus auch im Musiktheater künstlerischen Stellenwert hat. David Pountney hat nun für alle Ausdrucksformen modernen Musiktheaters eine den Dimensionen der Seebühne adäquate szenische Sprache gefunden.

„Nabucco“ darf im gigantischen Bühnenbild von Stefanos Lazaridis ein prächtiges Spektakel sein, mit etlichen technisch aufwendigen Verwandlungen und bunten Lichteffekten. Die Produktion bietet alles, was eine populäre Freiluftaufführung zum Erfolg nur braucht. Freilich: Sie stellt jeden aufregenden Kulissenzauber, jeden Aufmarsch, jede Explosion samt Feuerwerk in den Dienst der Sache, die da ist: Verdis Botschaften von Freiheit, Macht, Unterdrük kung und Menschlichkeit so vielfältig und direkt, wie sie die Musik dem Hellhörigen vermittelt, optisch sinnfällig werden zu lassen.

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Staatsopern-Bilanz

Macht Wiener Oper Schule?
Ioan Holenders Erzählungen
Im Hinblick auf Besucherzahlen und Einnahmenstatistik segelt die Wiener Staatsoper unwidersprochen auf Erfolgskurs. Die effektive Ensemble- und Repertoirepolitik hat nach Ansicht des Direktors "Vorbildfunktion" und werde international kopiert. Im übrigen avisiert Holender philharmonische und ande...

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Abbados Abgang

Eine Lücke hinterläßt er nicht

Die Abschiedsbriefe kamen, das "Timing" stimmt, zu einem Zeitpunkt, der den Verehrern noch Gelegenheit gibt, anläßlich dreier Aufführungen von "Boris Godunow" Solidaritätskundgebungen zu veranstalten. Nach dem 20.Oktober aber wird Claudio Abbado der Wiener Oper nicht mehr zur Verfügung stehen.
Die berühmte "Lücke", v...

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Fedosejew, 1991

Die Presse, 30.9.1991
Die Außergewöhnlichen
Die Konzertsaison begann mit Fedosejew und seinem Orchester
Man fragt sich, was da noch nachkommen soll: Wladimir Fedosejew und sein Moskauer Rundfunkorchester gaben, weil gerade auf Tournee, den Startschuß zur Konzertsaison in Graz, Salzburg und im Wiener Musikverein. Vier verschiedene Programme, und jed...

 

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Waechters Wiener Operntraum

Wiens Operntraum lebt wieder auf
Kommentar im Gefolge der ersten Wochen der neuen Staatsopern-Ära, die nach dem Wunsch des neuen Direktors Eberhard Waechter mit einer Spielzeit ohne Premieren begann und vor allem der Pflege des Repertoires gewidmet war.
21. September 1991
Die jüngste "Salome"-Aufführung in der Wiener Staatsoper rief mir...

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