Archiv der Kategorie: Kalender

27. XII. 21

Korngolds Violinkonzert

Das klingt wie Filmmusik – so lautet der häufigste Vorwurf gegenüber Musik, die zwar im XX. Jahrhundert entstanden ist, aber ohne publikumsfeindliche Dissonanzballungen auskommt. Im Falle des Komponisten Erich Wolfgang Korngold ist es sogar tatsächlich Filmmusik, die da erklingt, wenn das späte Violinkonzert auf dem Programm steht. Nur, daß Korngold nach dem Zweiten Weltkrieg den Spieß umgedreht hat – und zwar schon zum zweiten Mal! Erst einmal war er es – im Verein mit dem ebenfalls aus Wien emigrierten Max Steiner -, der das erfunden hat, was wir heute den Hollywood Sound nennen.

Korngold mußte sich dafür nicht künstlerisch verbiegen, sondern komponierte für den Film wie er zuvor für Konzertsaal und Opernbühne komponiert hatte. Es klingt also nicht Korngolds Musik wie Filmmusik, sondern Filmmusik klingt wie Korngold! Für Jascha Heifetz schrieb der Exil-Österreicher dann nach 1945 sein Violinkonzert und nun – zweite Umdrehung – baute er ein Konzertwerk aus dem Material, das er zuvor tatsächlich für Filme verwendet hatte!

Dennoch wurde das eines der besten Violinkonzerte der Musikgeschichte. Es klingt nicht wie Filmmusik. Es ist Filmmusik! Aber in der Form eines klassischen dreisätzigen Konzerts. Zum Abschluß des Kissinger Sommers spielte Ray Chen das Werk, begleitet von den Bamberger Symphonikern unter Jakub Hrůša. Den Mitschnitt sendet Bayern 4 heute Abend.

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Nach der Pause spielten die Bamberger übrigens die gesamte zweite Serie von Antonin Dvořáks Slawischen Tänzen. Die hört man selten im Konzert – und das hat in diesem Fall einen besonderen Charme. Die Bamberger Symphoniker, das waren ja nach 1945 exilierte böhmische Musiker, die zuvor das Deutsche Symphonieorchester Prag gebildet hatten. Nun stehen sie unter der Leitung eines tschechischen Dirigenten und musizieren mit ihm Slawische Tänze . . .

26. XII. 21

Die neue Gretel

An der Wiener Staatsoper fehlt Engelbert Humperdincks traditionelle Weihnachtsoper »Hänsel und Gretel« heuer im Spielplan. Die Volksoper spielt das Werk. Immerhin. Anderswo müssen die Musikfreunde auf ein Liveerlebnis mit der berühmtesten Oper des Jahresregenten – 2021 jährte sich Humperdincks Todestag zum 100. Mal – aus Sicherheitsgründen ganz verzichten. In Dresden etwa wurden »Hänsel und Gretel« wegen der Pandemie aus dem Spielplan verbannt.

Die junge Sopranistin Nikola Hillebrand kommt damit um ihren Auftritt in der Rolle der Gretel im renommierten Haus. Aber man kann die Künstlerin, der Kenner eine große Karriere prophezeien, dennoch in dieser Partie hören: An der Seite von Kate Lindsay (Hänsel) sang Hillebrand Ausschnitte aus dem Werk im Auditorium Grafenegg, begleitet vom Tonkünstler-Orchester. Diesen Beitrag zur besinnlichen Zeit zeigt der Streamingdienst myfidelio dieser Tage.

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Nikola Hillebrand wird in den kommenden Tagen aber doch in Dresden singen: Sie ist ab 5. Jänner 2022 die Adele in einer Aufführungs-Serie von Johann Srauß‘ »Fledermaus« in der Semperoper. Die selbe Partie singt sie zwischen 29. Dezember und 1. Jänner en suite schon in Lyon. Es steht ja nicht das gesamte europäische Musikleben still . . .

25. XII. 21

Das Weihnachtsoratorium

Aktueller geht es nicht: Ö1 sendet heute (19.30 Uhr) Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium in einem Mitschnitt vom 18. Dezember dieses Jahres, aufgenommen in Barceolona, musiziert von der Capella Reial de Catalunya unter Jordi Savall – der Beitrag zum Weihnachtsfest von einem der bedeutendsten Interpreten unserer Zeit.


Jonas Kaufmanns Weihnacht

Einige Tipps zur Vermeidung der altgewohnten feierlichen Lieder haben Sinkothek-Abonnenten schon mit auf den Weg in die Feiertage bekommen. Aber ganz ohne »Stille Nacht« müssen wir doch nicht auskommen. Dafür sorgt schon Jonas Kaufmann, der in Zeiten des Lockdowns eine CD nach der anderen aufgenommen — und jedenfalls heuer die mit Sicherheit meistverkaufte Weihnachts-CD herausgebracht hat. Dazu wurde selbstverständlich auch ein Video gedreht unter Hinzuziehung von Kinderchören und weiteren Sänger aus verschiedenen Musik-Branchen. Mit einem Tag verspätung erklingen sie also alle, alle, die vertrauten Gesänge – auf ORF III im Hauptabendprogramm.

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24. XII. 21

Oper zu Weihnachten?

Welche Oper könnte ein Streamingdienst passend am 24. Dezember online stellen? Der europäische Verbund von Opernhäusern hat sich heuer für Jules Massenets Werther entschieden, wenn man’s recht bedenkt, eine saubere Lösung, denn der letzte Akt der Goethe-Oper spielt tatsächlich am Weihnachtsabend. Der Titelheld stirbt, während draußen die Kinder fröhlich jubilieren.

M. N. Lemieux

Aufgezeichnet wurde die Produktion freilich schon im vergangenen Mai, und zwar in Montpellier (vor coronabedingt leerem Haus) mit Mario Chang als Werther und einer im übrigen wirklich frankophonen Besetzung, angeführt von der Kanadierin Marie-Nicole Lemieux, die am Premierenabend ihr internationales Rollendebüt als Charlotte gab. Dazu Jérôme Boutillier als Albert und Pauline Texier als Sophie – für Melomanen sind da vielleicht einige Stimmen zu entdecken. Und das in Bruno Ravellas für heutige Verhältnisse geradezu atemberaubend werktreuen – deutsche Kritiker würden jetzt sagen: rettungslos altmodischen Inszenierung. Gerade deshalb bedeutet die Möglichkeit, diese Aufführung zu streamen für viele wahre Opernfreunde ein veritables Weihnachtsgeschenk.

Der Stream geht heute um 19 Uhr online. Wer lieber Weihnachten feiert, hat aber ab dann ein halbes Jahr Zeit, ihn abzurufen…

23. XII. 21

ERINNERUNGEN AN DIE GRUBEROVA

DAS »ANDERE« WEIHNACHTSORATORIUM

Gruberova-Raritäten

Manchmal sind die Zugaben die interessantesten Teile eines Konzerts. Sogar bei Radiopgrammen kann das vorkommen. Heute im Nachmittagsprogramm des Klassik-Senders Bayern4 dürfte das so sein. Nach dem eigentlichen Konzert gibt es gegen 15.30 Uhr zwei frühe Aufnahmen der jüngst verstorbenen Koloratursopranistin Edita Gruberova aus dem Bayerischen Rundfunkarchiv zu hören. Dabei handelt es sich wirklich um Entdeckungen, die wohl kaum einem Verehrer der Künstlern bekannt sein dürften. In jungen Jahren spielte sie in Stuttgart mit dem dortigen Radiosymphonieorchester unter Kurt Eichhorn das rare Konzert für Koloratursopran und Orchester in f-Moll des russischen Komponisten Reinhold Glière ein, eine brillante Komposition für eine brillante Interpretin, die in der Gruberova wohl gefunden war. Danach erklingt Michael Haydns Lauft, ihr Hirten, allzugleich mit den Regensburger Domspatzen und dem Münchner Rundfunkorchester unter Leopold Hager.

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Nicht ganz uninteressant ist schon der erste Teil des Konzertnachmittags auf Bayern4 (ab 14 Uhr), der Mitschnitt eines Abends mit dem Dänischen Rundfunkorchester und Beethovens Fünftem Klavierkonzert – Solist Martin Helmchen – und Antonín Dvořáks nicht eben häufig gespielter Sechster Symphonie. Dirigent: Petr Popelka.

SINKOTHEK LEKTÜRE: Antonín Dvořák als Symphoniker

Ein anderes Weihnachtsoratorium

Im Konzertermin des MDR (20 Uhr) ist heute ein Weihnachtsoratorium für Neugierige zu hören, also nicht das bekannte Werk von Johann Sebastian Bach, sondern die Komposition eines Mannes, der im direkten Umfeld Bachs in Leipzig seine musikalische Prägung erfahren hat: Gottfried August Homilius (1714 – 1785) wurde dank seiner musikalischen Beschäftigung während seines Leipziger Jus-Studiums zu einem der angesehensten Musiker Deutschlands, dessen Schwerpunkt auf der Kirchenmusik lag. Homilius, von dem ein zeitgenössischer Chronist sagt, er sei »einer der noch lebenden Schüler Bachs … in der Composition und im Clavierspielen«, wirkte ab 1755 als Kreuzkantor in Dresden. Noch im XIX. Jahrhundert galt Homilius manchen Musikgeleehrten als der »Cranach neben dem Dürer Bach«!

Das knapp dreiviertelstündige Oratorium »Die Freude der Hirten über die Geburt Jesu« ist eines der umfangreichsten Werke des Komponisten, die zu seinen Lebzeiten gedruckt wurden und weite Verbreitung fanden. Das beliebte pastorale Thema malt Homilius mit den Farben eines verhältnismäßig reich besetzten Orchesters aus. Harmonisch setzt Homilius aparte Effekte – etwa gleich im Anfangschor, wenn die fröhliche Atmosphäre des »Gott, Dich rühmen unsre Lieder in der Mitternacht« sich beim Wort Mitternacht kräftig verdunkelt. Es sind eher solch einfache, allgemein verständliche musikalische Signale als komplexe kontrapunktische Arbeit, durch die sich diese Komposition auszeichnet und zu einiger Popularität gelangen konnte. Zauberhaft auch das sanft schaukelnde Wiegenlied »Schlaf, Sohn aus Davids Stamm« und der feierliche Schlußchor.

Zur Sendung (20 Uhr)

22. XII. 21

Rundum klassisch

Ein Heimspiel des Freiburger Barockorchesters, aufgenommen vor gut einem Jahr, am Dezember 2020, ist heute um 20.05 Uhr im Radioprogramm von Bayern 4 zu hören. Ein spannendes Hörerlebnis garantiert! Éva Borhi stand am Dirigentenpult, Jaroslav Rouček spielte das Solo im Trompetenkonzert von Johann Wilhelm Hertel, einem Meister aus der Zeit der Wiener Klassiker (1727 – 1789), der das gesamte Programm gewidmet war. Wer waren die Komponisten, die zur Zeit Haydns und Mozarts en vogue waren – und inwiefern haben die Wiener Meister von deren Produktion profitiert?

Diese Fragen beantwortet das heutige Programm mit einer Symphonie in D-Dur von Carl Stamitz (1745 – 1801), einem der Mitbegründer des klassischen Stils (in zweiter Generation, sozusagen), der nicht zuletzt durch die von der Familie Stamitz geprägten Hofkapelle in Mannheim geprägt wurde.

Passsend zur Jahreszeit: François-Joseph Gossecs (1734 – 1839) Suite de Noëls. Gossec wurde dank seiner langen Lebenszeit zu einem der führenden französischen Meister nicht nur der Revolutions-, sondern auch noch der napoleonischen Epoche und der Restaurationszeit.

Als Beispiel für die Hochblüte, der alle die zuvor gehörten Stilelemente in Wien zugeführt wurden, bildet Joseph Haydns Symphonie Nr. 89 in F-Dur den krönenden Abschluß. Hand aufs Herz: Die stammt zwar von einem berühmteren Komponisten, aber wer kennt sie schon, die Nummer 89?

Bayern 4 Radio

19. Dezember

Tschaikowskys Sorgenkind

In der heutigen Ö1-Matinee ist der Mitschnitt eines Konzerts der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung von Semyon Bychkov zu hören, das am 18. November 2019 im Wiener Musikverein aufgenommen wurde. Ein reines Tschaikowsky-Programm war zu hören, darunter als Hauptwerk nach der Pause (in Ö1 heute ab 11.55 Uhr) die Manfred-Symphonie, ein Werk, das ausdrücklich nicht in Sätze, sondern in vier Bilder gegliedert ist, die zusammengenommen ein Charakterportrait von Lord Byron Manfred ergeben sollen.

Das Werk gilt als vergleichsweise schwach und gerät leicht zu einer orchestralen Lärmorgie – nicht so an diesem Musikvereinsabend, der zu einer Art Ehrenrettung für eine unterschätzte Partitur wurde. Unbedingt hörenswert!

zur Rezension vom 20. November 2019

Der Livemitschnitt ist bis kommenden Samstag früh (25. Dezember) auf oe1.orf.at abrufbar.

In der Hamburger Elbphilharmonie gastieren heute die Wiener Symphoniker unter Adam Fischer mit ihrem erfolgreichen jüngsten Wiener Programm.

Tenor zu entdecken

Wer sich schon ein wenig vorausschauend oder -hörend auf die kommende Neuinszenierung von Puccinis Tosca einstimmen möchte, die im Theater an der Wien für Jänner geplant ist, der kann die Liveübertragung des Adventkonzerts aus Dresden via myfidelio mitverfolgen. Heute wird live aus der Frauenkirche gestreamt und da ist der junge Tenor Jonatha Tetelman zu hören, der an der Wien an der Seite von Kristine Opolais in der Regie von Burg-Chef Martin Kusej den Cavaradossi singen wird.

Jonathan Tetelman (DG)

Tetelman kam 1988 in Chile zur Welt und wurde in New York ausgebildet, wo er 2017 den Lyric Opera Preis gewann und im Jahr darauf bei der International Vocal Competiton auf Platz 2 landete. Auftritte beim Tanglewood Festival mit dem Boston Symphony Orchestra unter Andris Nelsons begründeten Tetelmans internationale Karriere.

Seinem Debüt im Theater an der Wien (Tosca-Premiere ist am 18. Jänner 2022) folgen seine Erstauftritte in Frankfurt (Fedora, 3. April), Florenz (Maggio Musicale mit Verdis I due Foscari, 22. Mai) und schließlich auf der Bregenzer Festspiel-Bühne (Madame Butterfly, 20. Juli).

Im kommenden Sommer soll Tetelmans erste CD (bei Deutsche Grammophon) erscheinen, aufgenommen mit dem Orquesta Filarmónica de Gran Canaria unter dessen Chefdirigenten Karel Mark Chichon gilt sie Arien von Verdi und aus der Ära des italienischen Verismo.

18. Dezember

Mahlers Dritte in Berlin

Zubin Mehta dirigiert heute Abend in der Berliner Philharmonie

Es ist Mahlers längste und bilderreichste Symphonie. Das Solo singt am heutigen Abend die Altistin Okka von der Damerau. Im Streamingdienst der Berliner Philharmoniker (Digital Concert Hall) ist die Aufführung live mitzuerleben. Eine Viertelstunde vor Beginn der Übertragung gibt es eine Einführung. Das Konzert beginnt um 19 Uhr.

Digital Concert Hall (18.45 Uhr)

Komponist zu Entdecken

Die Wiener Stiftung Exil.Arte verweist auf eine Rundfunksendung, die Neugierige eventzell gleich im Anschluß an die Übertragung der Mahler-Symphonie hören können: Deutschlandfunk sendet ab 23 Uhr ein Portrait-Konzert des fast vergessenen Komponisten Hans Winterberg (1901 – 1991). Winterberg, in Prag geboren, war einer der vielen, die von der Verfolgung jüdischer Menschen nach der Errichtung des »Reichsprotektorats Böhmen und Mähren« 1938 unter Verfolgung und Restriktionen zu leiden hatten. Viele Mitglieder seiner Familie kamen in Konzentrationslagern ums Leben, Winterberg selbst war bis 1944 geschützt, weil er mit einer katholischen Frau verheirtatet war, mit der er eine Tochter hatte. Nach der erzwungenen Scheidung überlebte er die Internierung in Theresienstadt. Ab 1947 lebte Winterberg in Deutschland, wo er weiter komponierte und unterrichtete.

Drei seiner (gemäßigt avantgardistischen) Werke stehen auf dem Programm des Konzerts mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Johannes Kalitzke: Rhythmophonie für Orchester (1967), die Sinfonia dramatica (Winterbergs Erste Symphonie) und das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 (1948) mit Jonathan Powell am Klavier.

Die 1936 entstandene Symphonie, der er nach 1945 eine zweite folgen ließ, hat Winterberg selbst einmal als »Vorahnung der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs« genannt.

Deutschlandfunk

17. Dezember

Debussy-Raritäten

Einige Raritäten aus dem Schaffen von Claude Debussys präsentierte Daniel Barenboim mit prominenten Solistinnen anläßlich eines kleinen Festivals im Wiener Musikverein anno 2018. Ö1 sendet den Mitschnitt dieses Abends heute im Hauptabendprogramm (ab 19.30 Uhr).

Auf dem Programm standen unter anderem die Fantaisie für Klavier und Orcheste mit Martha Argerich, die Trois ballades de François Villon mit Anna Prohaska und die Musik zu, Mysterienspiel Le Martyre de Saint-Sébastien, in der Marianne Crebassa und Anna Lapkovskaja die Vokalsoli und Maria Furtwängler die Sprechrolle übernahmen.

zum Konzert in Ö1 (19.30 Uhr)

Näheres zu Claude Debussy und der Musik und den Inhalt von

im SINKOTHEK-ARCHIV.