Archiv der Kategorie: Kalender

17. I. 22

Bach und der Meister

Zu den unglaublichen Wahrheiten der Musikgeschichte gehört es, daß die Zeitgenossen einstens Johann Sebastian Bach viel weniger hoch bewerteten als seinen Kollegen Georg Philipp Telemann. Umso spannender ist es, Werke der beiden Komponisten direkt miteinander in Vergleich zu setzen: An der absoluten Übermachtstellung Bachs in unseren Tagen ließ auch das Programm des Hamburger Konzerts der NDR Radiophilharmonie unter Riccardo Minasi im Dezember des Vorjahres keinen Zweifel. Und doch: Nebst Bachschen Kantaten – mit Edelsopran Anna Prohaska als Solistin – und dem Dritten Brandenburgischen Konzert, war auch Telemanns prachtvolles Konzert für drei Trompeten zu hören.

Barocker Festesglanz jedenfalls garantiert:

zu hören in Ö1 (14.05 Uhr)

16. I. 22

Im Philharmonischen

Die Plattform myfidelio bietet heute zur rechten Stunde einen Livestream des philharmonischen Abonnementkonzerts aus dem Winer Musikverein. Valery Gergiev steht am Dirigentenpult und auf dem Programm steht zweimal die Nummer 2 von Sergej Rachmaninow: Die Zweite Symphonie ist das Hauptwerk. Vor der Pause erklingt das Zweite Klavierkonzert – Denis Matsuev ist der Solist. Beide Werke stehen bei manchen Musikfreunden in dringendem Kitschverdacht – in beiden Fällen ist die Anschuldigung haltlos, wenn die Interpreten entsprechend sensibel agieren.

AUS DEM SINKOTHEK-ARCHIV


Igor Levit, live

Unter der Leitung von Franz Welser-Möst musizierte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks jüngst Beethovens Zweites Klavierkonzert mit Igor Levit als Solist. Die Aufzeichnung ist heute Vormittag im Bayerischen TV zu sehen (10.20 Uhr).

Romantische Kammermusik

Überschwenglicher geht es nicht: Kammermusik, das kann eine herrliche Angelegenheit auch für Musikfreunde sein, die es gern hoch romantisch und klangschwelgerisch haben. Das heutige Musikvereins-Konzert des Ensemble Wien präsentiert zwei himmelhochjauchzende, hoch emotionelle Stücke der slawischen Spätromantik: Antonin Dvoraks Streichquintett in G-Dur (op. 77) und Peter Iljitsch Tschaikowskys Streichsextett Souvenir de Florence.

MUSIKVEREIN

AUS DEM SINKOTHEK-ARCHIV

15. I. 22

Hatinks Londoner »Meistersinger«

Einen Schatz hebt die BBC zur Erinnerung an Bernard Haitink aus ihrem Archiv: Ein Mitschnitt der »Meistersinger von Nürnberg« aus dem Royal Opera House Covent Garden aus den Neunzigerjahren mit John Tomlinson als Hans Sachs, Thomas Allen als Beckmesser, Nancy Gustafson als Evchen und Gösta Winbergh als Walther von Stolzing.

Graham Vicks Londoner Inszenierung

Einziger Wermutstropfen: Daß die Optik fehlt, muß man bedauern. Seit Graham Vicks Londoner Inszenierung, die 1993 in Bühnenbildern Premiere feierte, die teilweise von Brueghel und Dürer inspiriert waren, gab es inszenatorisch in Europa bestimmt keine adäquatere Produktion dieses Werks mehr zu sehen…

BBC 3 (17.00 Uhr)

MEZ 18 Uhr!


FEUILLETON

über die Schwierigkeiten mit einem deutschen Meisterwerk in unseren Tagen

»Warum ehren wir die Meistersinger nicht?«

Petrenko dirigiert »Jolanthe«

Mit Bild, aber aus dem Konzertsaal, können wir heute Abend die konzertante Aufführung von

Tschaikowskys »Jolanthe«

mitverfolgen. Kirill Petrenko hat diese letzte Oper des russischen Meisters ins Programm genommen mit Asmik Grigorian in der Titelpartie. »Jolanthe« kam einst am selben Abend wie das Ballett »De Nußknacker« zur Uraufführung und war die eigentliche Sensation dieses Premieren-Abends. Erst die Nachwelt schätzt die Ballettmusik höher ein als die Oper; und doch: »Jolanthe«, die Geschichte der blinden Prinzessin, die ihr Glück findet, hat Tschaikowsky zu einigen euphorischen Klangbildern inspiriert, die beim Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker gewiß in besten Händen sind. Der Streaming Dienst des Orchesters überträgt heute live und sendet die Aufzeichnung morgen, Sonntag zu Mittag noch einmal. Dann ist ein paar Tage Pause, bevor die Aufzeichnung auf Dauer für Abonnenten der Digital Concert Hall online abrufbar ist.

DIGITAL CONCERT HALL (19 Uhr)

14. I. 22

Ballettpremiere in Wien

Drei Kurzballette faßt das Wiener Staatsballett heute zu einem neuen Ballettabend zusammen. Davon waren George Balanchines »Liebeslieder-Walzer« nach den beiden gleichnamigen Liederbüchern von Johannes Brahms seit den späten Siebzigerjahren bereits für längere Zeit Teil des Staatsopernrepertoires und wurden nun neu einstudiert. Neu für die Stadt sind »Concerto« von Lucinda Childs (1993) nach dem Cembalokonzert von Henryk Górecki und »Other Dances« von Balanchines Protegé Jerome Robbins nach Mazurken und Walzern von Frédéric Chopin, geschaffen 1976 für Natalia Makarova und Mikhail Baryshnikov.

Neugierige dürfen via Livestream dabei sein. Auf der Streamingplattform der Staatsoper ist die Übertragung kostenlos zugänglich und bleibt 24 Stunden lang abrufbar.

zum Livestream


Christiane Karg singt Beethoven

Im Rahmen des Beethoven-Zyklus des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Iván Fischer erklingt heute zwischen der Achten und der Fünften Symphonie erklingt die Konzertarie »Ah, perfido!«, eines der bemerkenswertesten Dokumente für das dramatische Genie Beethoven jenseits des »Fidelio.«

Bayern4 überträgt live (20.00 Uhr)

In der Pause der Übertragung gibt es ein Gespräch mit der Sopranistin Christiane Karg zu hören.

mehr zu »Ah, perfido«

über die Achte Symphonie

über die Fünfte Symphonie

13. I. 22

Vorurteils-Abbau

Beethoven steht außer Debatte, aber Rachmaninow? Für viele ist der russische Spätromantiker, dessen Spätwerk sogar parallel zu den kühnsten Experimenten der musikalischen Avantgarde entstand, heute noch ein Abtrünniger. Man reiht ihn bestenfalls in die Kitsch-Ecke des XX. Jahrhunderts. Umso eher sollten auch Skeptiker dem Mitschnitt eines Konzerts von Verbier-Festival lauschen, der in dieser Hinsicht schon wieder mutig programmiert war: Nikolai Lugansky koppelte eine der populärsten mit einer der heikelsten Beeethoven-Sonaten: die »Mondschein-Sonate« und die c-Moll-Sonate op. 111, mit dem Zyklus der »Etudes tableaux« von Sergej Rachmaninow. Das ist eine Reihe nicht nur klaviertechnisch, sondern auch inhaltlich höchst anspruchsvoller Stücke, die letztendlich doch den Vergleich mit dem großen Klassiker aushalten können, wenn ein Interpret nur analytisch genug vorgeht.

AUS DEM SINKOTHEK-ARCHIV

12. I. 22

Tschechische Moderne

Ö1 hat am Dienstagabend den Livemitschnitt des Einstandskonzertes des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks im Interimsquartier der Münchner Orchester gesendet. Ende Oktober mußte umgezogen werden. Die Philharmonie am Gasteig wird ja umgebaut. Jakub Hrusa dirigierte, die Geigerin Isabelle Faust musizierte Benjamin Brittens Violinkonzert aus dem Jahr 1939. 

Neben Schostakowitschs Erster Symphonie, der impusliven Einstandsarbeit des 19-Jährigen Kompositionsstudenten dirigiert Hrusa auch das Werk eines tschechischen Komponisten, der nicht erleben durfte, daß das von ihm verhaßte kommunistische Regime in seiner Heimat abdanken mußte: Miloslav Kabelác (1908-1979). Hrusa hat dessen symphonisches Hauptwerk, die etwa halbstündige Passacaglia »Mysterium der Zeit« von 1957 gewählt, ein Werk, das sich in einem gewaltigen Steigerungsbogen entfaltet, dessen suggestiver Wirkung sich der Hörer schwer entziehen kann. Eine akustische Entdeckungsreise.

Zum Ö1-Konzert (19.30 Uhr)

bis 18. Jänner abrufbar

aus dem SINKOTHEK-ARCHIV über Miloslav Kabelac

11. I. 22

Lise Davidsens Liederabend

Lise Davidsen, Besitzerin einer der imposantesten Sopranstimmen unserer Tage, gibt heute im Wiener Konzerthaus einen Liederabend, wie man ihn von einer Opern-Diva von Bayreuther Dimensionen erwartet: Auf dem Programm Lieder und Gesänge von Edvard Grieg, Richard Strauss und die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner.

Lise Davidsen, die 2015 den Operalia-Wettbewerb gewonnen hat, debütierte zwei Jahre später als Ariadne an der Wiener Staatsoper.

Die Rezension dieser Vorstellung finden Sie hier

Zu ihrem Liederabend im Konzerthaus bringt Lise Davidsen einen prominenten Klavierbegleiter mit, den Pianisten Leif Ove Andsnes. Die beiden Norweger stellen denn auch konsequent das Schaffen ihres Nationalkomponisten Grieg in den Fokus der ersten Programmhälfte. Sie präsentieren einen ganzen Zyklus von Liedern Griegs, die 1888 veröffentlichten Sechs Gesänge op. 48 und Haugtussa »Die Bergfee« op. 67 (komponiert 1895), Griegs einzigen echten Liederzyklus nach Gedichdten des norwegischen Romantikers Arne Garborg.

Mehr zu Edvard Griegs Liederzyklus im SINKOTHEK-ARCHIV

Die Elbphilharmonie feiert Geburtstag

Hamburgs Klassik-Flaggschiff zelebriert heute mit einem Gala-Abend ihren fünfen Geburtstag. Das Konzert wird live gestreamt.

Kammermusik zu entdecken

Einen Livemitschnitt vom Internationalen Brahmsfest 2021 in Mürzzuschlag werden Kenner nicht verpassen wollen. Cellist Alexey Steblev, die Pianisten Sofja Gülbadamova und das New Russian Quarte musizierten am 11. September Werke von Mendelssohn, Alexander von Zemlinsky und Ernst von Dohnányi. Wer nun bemängelt, daß beim Brahmsfest auch Musik von Brahms zu hören sein sollte, wird Ohren machen: Sowohl Zemlinsky als auch Dohnányi waren in ihren Anfängen getreue Brahms-Jünger. Also brahmselt es sowohl, wenn

Alexander Zemlinskys Stücke für Violoncello und Klavier

als auch wenn

Ernst von Dohnányis Klavierquintett c-Moll op. 1

erklingen.

Faszinierend zu hören, wie die jeweils eigene Handschrift sich gegen die offenkundig Hommage an das große Vorbild schon hie und da durchzusetzen beginnt.

zu hören in Ö1 (14.05 Uhr)

Cartagena-Festival

Musik trotz allem

Viele Veranstalter trotzen dem Ansturm der jüngsten Infektions-Welle und lassen singen und spielen. So hat diese Woche das Cartagena-Festival stattgefunden und via Livestream auch Signale in die Welt ausgeschickt. Das originellste davon: Die Aufführung der selten gespielten

Petite Messe solenelle

von Gioacchino Rossini, eines der bemerkenswerten Spätwerke in der seltsamen Besetzung für vier Solisten, Chor, zwei Klavier und Harmonium!

Die Aufzeichnung ist auf youtube weiterhin greifbar und lässt nebst einem vielleicht nicht wirklich erstklassigen Chor (mit Masken!) gute Solisten hören: Sara Bermudez, Ariane Haering und Carlos Betancur.

Ganz abgesehen davon: Rossinis Werk gehört zu den exquisitesten Vertonungen des Mess-Textes in der Musikgeschichte!

10. I. 22

Graz feiert Haydn

Zweiter Teil eines Projekts mit den Pariser Symphonien von Joseph Haydn. Die Sache mußte wegen der Pandemie als Internet-Ereignis beginnen – die ersten der sechs für Frankreich komponierten Werke Haydns wurden ohne Publikum aufgezeichnet und sind im Internet abrufbar.

zu den Videos

Heute und morgen aber kann im Grazer Stefaniensaal musiziert werden. Also erklingen die selten gespielte Symphonie in Es-Dur (bei Hoboken die Nummer 84) und die berühmte g-Moll-Symphonie (85), angeblich das Lieblingswerk von Königin Marie Antoinette und daher im allgemeinen Sprachgebrauch La Reine genannt, live. Zwischendrin ist das späte, brillante Trompetenkonzert Haydns zu hören. Solistin ist Selina Ott. Dirigiert wird nicht, denn Konzertmeisterin Maria Kubizek führt ihr Kammerorchester Recreation – wie’s zu Haydns Zeit der Brauch war – vom ersten Pult aus.

Besucher können das Programmheft vorab hier herunterladen.

Die Aufführungen finden im Einklang mit den Vorsichtsmaßnahmen wegen der Pandemie jeweils zweimal statt: heute (10. Jänner) und morgen um 18 und 20 Uhr.

Für Musikfreunde, die den Aufzeichnungen der ersten Pariser-Symphonien via Streaming folgen, empfhielt sich als begleitende Lektüre ein Blick ins SINKOTHEK-ARCHIV.

9. I. 22

Beethoven-Akademie

Einen bemerkenswerten Rekonstruktionsversuch starten heute die Wiener Symphoniker im Verein mit der Singakademie unter der Leitung von Andres Orozco-Estrada in der heutigen Konzerthaus-Matinee: Sie präsentieren neben der Siebenten Symphonie Ludwig van Beethovens die Kantate »Der glorreiche Augenblick« und »Wellingtons Sieg«, ein Werk, in dem der Komponist die Niederlage Napoleons mit Kanonendonner und Gewehrfeuer künstlerisch gefeiert hat!

Daß Beethoven solch eine lärmende »Siegessymphonie« komponieren konnte, obwohl er den Konsul Napoleon einst verehrt hatte, gehört zu den Kuriositäten der Geschichte. Schon die Widmung an »Bonaparte« tilgte der Komponist von der Partitur seiner „Eroica“, sobald der sich zum Kaiser gekrönt hatte.

»Wellingtons Sieg« hat im Wien der Kongresszeit Furore gemacht und den Erfolg der Siebenten und Achten Symphonie weit überstrahlt. Viel weniger begeistert waren die Zeitgenossen von der Festkantate »Der glorreiche Augenblick«,die Beethoven für die Kongressfeierlichkeiten beisteuerte. Der »politische Beethoven« notierte schon in der Vorbereitungsarbeiten Texte wie den folgenden:

Ihr weisen Gründer glücklicher Staaten,/Neigt Euer Ohr dem Jubelsang,/Es ist die Nachwelt, die Eure Thaten/Mit Segen preist Aeonen lang.

(Wiederholung, morgen, 11. Jänner, 19.30 Uhr)


12 Cellisten

Sie bildeten und bilden das wohl ungewöhnlichste Kammermusik-Ensemble der Welt: Die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker. Die Geburtstunde der Gruppe schlug in Österreich. Für eine ORF-Produktion fanden sich die zwölf Musiker 1972 im Aufnahmestudio ein, um den Hymnus op. 57 des Cello-Meisters Julius Klengel einzuspielen. In der Folge konzertierten die Zwölf in aller Welt und eine ganze Reihe von Komponisten schrieb Werke für sie. Einer der ersten war Boris Blacher, dessen Rumba philharmonica im Jubiläumskonzert des Ensembles, das heute live aus der Berliner Philharmonie gestreamt wird, gleich auf das Klengel-Stück folgt, dem natürlich die Ehre des Konzert-Auftakts gebührt. In der Folge ein Querschnitt durch das ungewöhnlich breite Repertoire der Zwölf Cellisten, Filmmusik-Arrangements und der Beatles-Song Yesterday inbegriffen.

Anekdotisch geworden ist die Tatsache, daß Herbert von Karajan, der Langzeit-Chefdirigent der Berliner, keine Chance hatte, sich einmal ans Pult der Zwölf Cellisten zu stellen, die selbstbewußt selbstbestimmt bleiben wollten. Da ersann der Maestro eine List und beauftragte seinen Salzburger Festspielkuratoriums-Kollegen Gerhard Wimberger mit der Komposition eines Werks, das die Zwölfergruppe inmitten eines etwas größeren Ensembles hören läßt. Für dessen Uraufführung war dann ein Dirigent unvermeidlich . . .

Zum Livestream (20 Uhr)