"Spielen wir's doch, wie es in den Noten steht"
Im Gespräch. Christian Thielemann dirigiert als "Berliner in Wien" zum ersten Mal das Neujahrskonzert der Philharmoniker und hinterfragt mit den Musikern gemeinsam die Aufführungspraxis. Dabei haben sie allerlei Entdeckungen gemacht.
Man freut sich auf jede Probe mit der Band", sagt Christian Thielemann, und niemand würde ihm böse sein, dass er unsere Philharmoniker als "Band" bezeichnet. Man weiß, wie er's meint. Berliner Schnauze in Wien? Dass das nicht funktionieren könnte, ist ja ein böswilliges Gerücht. Nicht erst seit der Landnahme des 59-jährigen Dirigenten. Thielemann hat das Wiener Orchester im Sturm genommen, und das Publikum dazu.
Fast 20 Jahre ist das her; seitdem ist er für einen beträchtlichen Teil der Wiener Musikfreunde, die ...
Ist die "Unvollendete" wirklich unvollendet?
Wie klängen Schuberts h-Moll-Symphonie und Bruckners Neunte, wären sie zu Ende komponiert? Über gewagte Erstaufführungen in Wien.
Die Meisterwerke unserer Klassiker sorgen ohnehin für immerwährende Beschäftigung; aber nichts reizt die Fantasie von Musikfreunden mehr als die Frage, wie Geschichten ausgehen könnten, die uns nicht bis zu Ende erzählt worden sind. Wie hätten sie etwa geklungen, die letzten Sätze von Mozarts Requiem, wenn dem Komponisten noch ein paar Arbeitswochen mehr geschenkt gewesen wären?
Jüngst führte der Concentus musicus im Musikverein eine viersätzige Version von Schuberts "Unvollendeter" auf, die doch normalerweise nach zwei Sätzen zu Ende ist und, so will es die Fama, musikalisch doch ein ganz und gar befriedigendes, al...
»2021 kommt die Kundry«
Elina Garanca feiert am Samstag ihr internationales Rollendebüt als Dalila an der Wiener Staatsoper. Im "Presse"-Gespräch kündigt sie weitere künstlerische Wagnisse an.
Fünfzehn Jahre ist es her, dass Wiener Melomanen auf diese Edelstimme aufmerksam wurden: Im Jänner 2003 sang eine junge Lettin, die sich ihre ersten Sporen im Ensemble des Staatstheaters Meiningen verdient hatte, die Lola in Mascagnis Cavalleria rusticana an der Wiener Staatsoper - die Santuzza in derselben Oper wird sie in der kommenden Spielzeit im Haus am Ring verkörpern. Dazwischen liegt eine Bilderbuchkarriere, die das Mädchen aus Riga, das einsam in seinem Hotelzimmer in der deutschen Provinz Opernpartien und - mittels Wörterbuch und Tagesschau - auch die deutsche Sprache studierte, in den Oly...
Beständigkeit der Qualität als absolutes Richtmaß
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler im Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Österreich gedenkt heuer des 100. Geburtstages von Gottfried von Einem. Die Salzburger Festspiele leisten ihren Beitrag, denn "dieser Komponist gehört zur Festspiel-Geschichte", meint Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, "die Uraufführung von 'Dantons Tod' im Jahre 1947 hat der Regisseur Oscar Fritz Schuh als die Wiedergeburt der Salzburger Festspiele durch das moderne Musiktheater bezeichnet".
Gottfried von Einem hat sich in der Folge als Mitglied der künstlerischen Entscheidungsgremien der Festspiele um die konsequente Einbindung zeitgenössischer Musiktheaterformen in den sommerlichen Spielplan bemüht. Sein eigenes Schaffen stand dabei keineswe...
Eine Zeitreise in die Epoche Maria Theresias
Teatro Barocco 2018. Intendant Bernd R. Bienert belebt im historischen Theatersaal des Congress Casino Baden mit L 'isola disabitata von Joseph Haydn die originale Aufführungspraxis.
Baden. Bernd R. Bienert ist immer für Überraschungen gut. Wann immer er eine neue Musiktheaterproduktion ankündigt, spitzen Kenner die Ohren: Was wird der Bühnenzauberer diesmal zutage fördern. Die meisten Opernfreunde dürften nicht einmal wissen, dass es einen historischen Theatersaal im Congress Casino Baden gibt. Den hat Bienert für die jüngste Produktion seines Teatro Barocco ausgewählt. Nach dem Schlosstheater Laxenburg und dem Stift Altenburg nun also ein weiterer historischer Spielraum. Joseph Haydns 1779 entstandene "Isola disabitata" steht diesmal auf dem ...
Vom Stichwortgeber zum Star
Kommenden Montag singt Jongmin Park erstmals Mozarts Figaro. Ein Gespräch mit dem 31-jährigen Ensemblemitglied aus Korea. Er macht von der Staatsoper aus Weltkarriere.
Er ist einer jener jungen Sänger, die zum illustren Stamm des Wiener Staatsopern-Ensembles gehören und von hier aus große Karriere machen: Der Südkoreaner Jongmin Park ist in den vergangenen vier Spielzeiten zu einem der beliebtesten Mitglieder des Hauses geworden. War er in der Premierenserie von Verdis "Macbeth" noch der Spion, sang er ein knappes Jahr später bereits ehrfurchtgebietend den Banco.
Hellhörige Stammbesucher wurden auf den dunkel leuchtenden Bass schon aufmerksam, als er noch als Stichwortbringer agierte, etwa in "la Traviata", "Faust" oder "Fanciulla del West". Längst ist er ein P...
»Angeblich war er sogar stolz auf meine politische Karriere«
Gottfried von Einems Sohn im Gespräch. Der ehemalige Innen- und Wissenschaftsminister Caspar Einem über Dialoge und Konflikte mit seinem Vater, über dessen Haltung in der Waldheim-Affäre, über das (fehlende) "von" im Namen - und über die blauen Haare seiner Großmutter.
Wilhelm Sinkovicz: Was hat für Sie Ihren Vater charakterlich am meisten ausgezeichnet?
Caspar Einem: Dass er so unbeirrt seinen Überzeugungen gefolgt ist. Er hatte da nie Angst. Gelegentlich hat er aufs falsche Pferd gesetzt, würde ich sagen. So hat er beim ORF immer für den Generalintendanten geworben, der gerade gegangen war . . .
Hat er sich da zuweilen auch geschadet?
Ja. Wenn er sich etwa in Salzburg für Brecht starkgemacht hat aus Gründen der Qualität, ohne ...
Feuer, Singfreude und Sentiment
Im Gespräch. Die junge französische Koloratursopranistin Sabine Devieilhe feiert als Regimentstochter ihr Staatsopern-Debüt und erzählt von vokalen Eroberungs-Strategien.
Am Anfang war das Cello. Nicht die Singstimme. »O ja«, sagt Sabine Devieilhe, »ich habe auch immer gesungen. Schon im Kinderchor und da hat man mir auch immer wieder Soli anvertraut, was mich bald dazu gebracht hat, doch auch die Stimme ausbilden zu lassen.« Perfektionistin ist sie in allen musikalischen Bereichen, aber zuerst war da doch ganz klar die Faszination, die vom Cellospielen ausging.
Das Instrument hat Devieilhe so gründlich studiert, dass sie eine Zeitlang sogar unterrichten konnte. Das war parallel zu ihrem Studium der Musikwissenschaften, das sie - apropos Perfektion - in Ren...
»Ich spüre die Spannungen in den musikalischen Intervallen«
In der Wiener Staatsoperntradition wird Franz Grundheber vom Doktor Schön zum Schigolch und erzählt im >Presse<-Gespräch von seiner Eroberung der musikalischen Moderne und mythologischer Opernfiguren.
Alban Bergs Lulu in der Inszenierung von Willy Decker erlebte ihre Wiener Premiere in der zweiaktigen Version. Nun studiert Decker die von Friedrich Cerha vervollständigte dreiaktige Version ein.
Herr Grundheber, Sie waren damals Doktor Schön und sind nun der Schigolch; eine geradezu mythologische Figur.
Franz Grundheber: Genau deshalb hab' ich ihn singen wollen. Schon damals dachte ich: Was für eine Partie! Seither war ich Schigolch in Barcelona, in Madrid, in New York und in Paris - dort sogar in dieser Decker-Inszenierung!
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Dostojewskis singendes Ebenbild
Im Gespräch. Misha Didyk, der ukrainische Tenor, galt nach belcantesken Anfängen bald als idealer Held fürs schwere slawische Fach. An der Staatsoper singt er Prokofieffs "Spieler".
Zufälle - ein Prüfungsabend am Konservatorium von Kiew: Eine Professorin hört den jungen Tenor und holt ihn vom Fleck weg in ihre Gesangsklasse: "Das war Jewhenija Miroschnytschenko", erinnert sich Misha Didyk, "ich durfte dann in einem Benefizkonzert an ihrer Seite den Alfredo in Verdis ,Traviata' singen." Daraufhin bat das Opernhaus von Kiew zum Vorsingen. Inzwischen arbeitete Didyk mit der Leiterin der Liedklasse am Konservatorium an einer Szene aus "Pique Dame".
Diese sang Didyk in einem TV-Konzert vor 400 Zuhörern. Das genügte dem Regisseur, der die Tschaikowsky-Oper gerade ...