Alle Beiträge von sinkothekar

Robert Wilson ist tot: Er machte Musik sichtbar – und die Stille!

NACHRUF, »Die Presse« am 1. August 2025

Wirklich passiert ist in Robert Wilsons Theater nie etwas. Selbst dort, wo in seinen Operninszenierungen die Musik wildeste Bewegung suggerierte, herrschte auf der Szene statuarische Ruhe. Das fanden manche Zuschauer provokant. Oder langweilig. Je länger man aber darüber nachdenkt, was man selbst während solcher Abende erleben konnte, zieht man vor dem amerikanischen Bühnenmagier den imaginären Hut. Denn seine suggestiven, scheinbar unbeweglichen Bildkreationen, in denen Darsteller stets dazu angehalten waren, möglichst nicht – und wenn, dann in abgezirkelten Zeitlupengebärden zu agieren, sie brachten uns über das Schauen quasi durch Unterforderung des Sehsinns zum Lauschen. Und dann passierte plötzlich wieder sehr viel…

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Schafft die Salzburger Festspiel-Eröffnung ab!

APERÇU

Bei der festlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele gab es diesmal eine peinliche Panne. Offenbar geführt von Insidern, gelangten einige Personen, die gegen das Vorgehen der israelischen Regierung im Gaza-Streifen protestieren wollten, auf die Bühne und in die Arkaden der Felsenreitschule und störten dort die Rede des Vizekanzlers, Andreas Babler. Die Aufregung war nachher größer als während des Vorfalls: Wie konnte das passieren? Warum hat das Sicherheitssystem versagt?

Die Lehre daraus: Man kontrolliert nun die Eintrittskarten, die seit der Corona-Pandemie ohnehin personalisiert sind – was übrigens einen empfindlichen Eingriff in die Rechte der Kartenkäufer darstellt – noch rigoroser als zuvor. Als ob die prächtig geschmückten Festspieladabeis und die nach wie vor oft gut gekleideten Musikfreunde eine Gefährdung darstellen würden. Das ist so absurd, wie das jährliche Theater um die Festspieleröffnung. Diese stellt nämlich für noch halbwegs bei Sinnen befindliche Kultur-Konsumenten seit langem nur noch ein Ärgernis dar. Nicht wenn, wie diesmal, Protestaktionen gestartet werden, sondern wegen der unerträglichen hohlen Phrasen, die bei dieser Gelegenheit von den Politikern, aber meist auch von den Festrednern gedroschen werden.

Was die bis zum Überdruß wiedergekäuten Moralisierungen von allen Seiten mit der europäischen Kunst und ihrem Beitrag zu unserm Leben zu tun haben sollen, müssen sich die Berichterstatter jedesmal verkrampft aus den Fingern saugen und in weitere belanglose Worthülsen verpacken.

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Peter Sellars und kein Plan für Schönberg

Ausrine Stundyte als Schönbergs »Die Frau« (Fotos: SF/Ruth Walz)

Festspielpremiere. Nur der Titel des Abends gab Rätsel auf: „One Morning Turns into an Eternity“. Der Rest war eine Zeitreise an die Wurzeln der Moderne, die akustisch viel, szenisch kaum etwas hergab.

Die Presse, Juli 2025

Auf seine alten Tage wird unser Peter Sellars noch zur Helikoptermutter der Stücke, die er inszeniert. Wo sind die Zeiten geblieben, als er Mozarts Daponte-Zyklus in eine zeitgeistige theatralische Kaugummiblase verwandelt hat? Das war damals irritierend für viele.

Anno 25 hingegen begab es sich in der Felsenreitschule, daß der Regisseur und sein Team so freundlich beklatscht wurden wie Dirigent und Sängerinnen. Und das für einen Abend, der nach knapp 70 Minuten auch schon wieder zu Ende war, nachdem kurz und schmerzlos Arnold Schönbergs Monodram »Erwartung« mit dem letzten Satz von Gustav Mahlers »Lied von der Erde« kombiniert worden war. Verbunden durch eine Aufführung von Anton von Weberns fünf Orchesterstücken op.10, noch kürzer, noch schmerzloser; viele im Publikum haben gar nicht bemerkt, daß sie überhaupt gespielt wurden.

 

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Die Leiden des Ödipus und unsere Irrtümer

»Ouverture spirituelle«. Strawinskys überwältigender „Oedipus Rex“ traf auf Berlioz’ „Symphonie fantastique“: Schicksalsmacht gegen Künstlerleben.

Vom Schicksal handeln die Programme der diesjährigen »spirituellen« Eröffnungswoche der Salzburger Festspiele. Lorenzo Viotti hatte für seinen Auftritt an der Spitze der Wiener Philharmoniker und der Herren des Singvereins eine ebenso kluge wie überraschende Programmierung gewählt: Igor Strawinskys Oedipus Rex sollte neben Peter Iljitsch Tschaikowskys Vierter Symphonie stehen. Das schien manchem Musikfreund befremdlich. Der Avantgardist mit einem Werk aus seiner neoklassizistisch »geläuterten« Phase und der russische Romantiker? Wie sollte das zusammengehen?

 

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Bayreuth im Jubiläumsjahr 2026

2026 wird zum ersten Mal »Rienhi« bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt. Nicht der einzige Tabubruch bei den Wagner-Festspeilen im Jubiläumsjahr.

In Bayreuth stehen große Veränderungen an. Der Übergang bei den traditionsreichen Wagner-Festspielen vollzieht sich freilich schrittweise, ohne großes Aufsehen. Im kommenden Sommer gibt es jedoch eine Jubiläums-Saison, bei der vieles anders sein wird als gewohnt. Vor allem einmal gibt man erstmals auf dem Grünen Hügel ein Frühwerk des Gründervaters, das dieser gar nicht für seine Festspiele kanonisiert hat: „Rienzi“.

Meyerbeer-Reminiszenz und „KI-Ring“

Mit diesem Musikdrama, das formal noch ganz im Banne von Giacomo Meyerbeers „Grand Opera“ steht, hat der Dichterkomponist einst seinen internationalen Durchbruch geschafft. Aber erst das folgende Werk, „Der fliegende Holländer“, schien Wagner „festspieltauglich“. Tatsächlich ist sich die Theater- und Musikwissenschaft einig: Ab dem „Holländer“ war Wagner ganz er selbst. Zur Feier der 150. Wiederkehr der Eröffnung des Festspielhauses hat Wagner-Urenkelin Katharina nun entschieden: Auch der „Rienzi“ gehört – zumindest für diesmal– in den Wagner-Olymp.

Ein KI-generierter »Ring« mit Reminiszenzen an frühere Produktionen

 

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Bayreuth-Eröffnung im Video-Livestream

Bringen die Festspiele 2025 die lang ersehnte Trendumkehr im Regietheater-Zeitalter?

Wer mag, kann live bei der Premiere der Neuinszenierung von Wagners Meistersingern von Nürnberg dabei sein, mit der die Bayreuther Festspiele heuer eröffnet werden. Wie gewohnt, sendet Bayern 4 den Ton (25. Juli, 16 Uhr).
Aber im Internet kann man diesmal auch zuschauen:

VIDEO-LIVESTREAM

Hans Sachs – Georg Zeppenfeld
Walther von Stolzing – Michael Spyres
David – Matthias Stier
Eva – Christina Nilsson
Magdalene – Christa Mayer

Am Dirigentenpul steht: Daniele Gatti, der in der ersten Pause auch interviewt wird.

Regie: Matthias Davids, der im Vorfeld angekündigt hat, daß er es schätzt, wenn Stücke auch ohne Zuhiflenahme von Dramaturgen-Erläuterungen erkennbar sind.
Die lang ersehnte Trendumkehr????

BEGLEITLEKTÜRE UND AUFNAHMEKLASSIKER
in der Sinkothek

Gergiev darf nicht in Italien dirigieren

… und was man dazu noch sagen könnte

APERÇU

Nach längerem Hin und Her ist das für 27. Juli im Schloss der süditalienischen Stadt Caserta geplante Konzert des russischen Dirigenten Valery Gergiev nun abgesagt worden. Nach der Ankündigung des Konzerts gingen die Wogen hoch, denn das wäre der erste Auftritt des Künstlers im Westen nach seiner eindeutigen Positionierung als Befürworter der aktuellen russischen Politik gewesen. Seit Beginn des Ukraine-Konflikts gilt Gergiev bei den Unterstützern der Ukraine als Persona non grata.

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Riccardo Muti: gegen die »Political Correctness«

»Singen ist die Sache der Liebenden«

Riccardo Muti möchte, wie er es gewohnt ist, am 28. Juli nicht feiern. Dieser, sein 84. Geburtstag sei ein Tag »wie jeder andere«, meinte der Dirigent im Gespräch mit dem Mailänder Corriere della sera. Aufhorchen läßt eine Passage in dem Interview, indem Muti unverhohlen die Unkultur der sogenannten Political correctness als »umgekehrten Rassismus« betrifft.
Der Maestro führt zur Untermauerung seiner Kritik auch Argumente aus seinem persönlichen Lebens- und Arbeitsbereich an.

 

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Wer war Haydn?

Die Frage, die mir Katrin Nussmayr diesmal gestellt hat, scheint allzusimpel. Wir alle antworten doch auf die Frage, »Wer sind die musikalischen Klassiker?«, wie aus der Pistole geschossen mit: Haydn, Mozart und Beethoven.
Und doch: Mozarts Musik ist so omnipräsent wie die Beethovens. Aber Haydn? Der »Papa« der Klassik hat zwar irgendwie alles erfunden, was gut und teuer ist, die Symphonie, wie wir sie kennen, oder das Streichquartett, die Königsdisziplinen der Instrumentalmusik für zwei Jahrhunderte. Aber wann haben wir das letzte Mal etwas von Haydn im Konzert gehört?

Eben.

Also doch »Wer war Haydn?« – hier im »Presse«-Podcast

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Eurovision – Der Songcontest. Und was noch?

Die EBU, Vereinigung der europäischen Rundfunkanstalten, feiert ihr 75-jähriges Bestehen auf ungewöhnliche Weise: Man hat Kompositionsaufträge für zeitgenössische Komponisten vergeben. Die über mehrere Spielzeiten verteilten Uraufführungen werden jeweils europaweit übertragen. Eine schöne Geste der Veranstalter, die sich nicht ganz mit der Organisation des populären »Songcontests« zufrieden geben.

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