Wenn es so weitergeht, verlieren wir nicht nur die Kammeroper
Eine Petition kämpft um den Erhalt von Wiens kleinstem Opernhaus. Auch die größeren kommen bald in Bedrängnis. Nicht nur wegen des Geldes.
Eine Online-Petition kämpft dagegen an, aber es dürfte beschlossen sein: Die Kammeroper schließt in der Saison 2026/27. Daß sie je wieder auf...
Der Opernintendant Matthias Schulz läßt den »Rosenkavalier« von Helnwein neu illustrieren – und spielt selbst Klavier
Günther Groissböck als Ochs im neuen Zürcher »Rosenkavalier« (Foto: Oper ZH/M. Baus)
Viel zum Schauen gab es anläßlich der ersten Premiere der neuen Ära am Opernhaus Zürich: Der neue Intendant ließ – als Höhepunkt eines 24 Stunden dauernden Opernfests inklusive zeitgenössischer Musik – Gottfried Helnwein Richard Strauss‘ »Rosenkavalier« ausstatten und auch andeutungsweise »inszenieren«. Für den Feinschliff der Personenführung sorgte freilich Lydia Steier – die beiden ließen nur den ersten Aufzug im vom Textdichter Hofmannsthal vorgesehenen Wien der Mozartzeit spielen.
So finden Salzburgs Osterfestspiele zu ihrem Ursprung zurück
In der Karwoche kehren die Berliner Philharmoniker in Salzburgs Festspielbezirk zurück. Wie einst Karajan dirigiert Kirill Petrenko Wagners »Ring«.
RÜCKKEHR DER BERLINER PHILHARMONIKER
Mit dem »Ring des Nibelungen« hatte 1967 alles begonnen. Wie immer waren die Salzburger dagegen. Aber sie fanden sich bald damit ab, dass nunmehr nicht nur im Sommer, sondern auch in der Karwoche die betuchte Klientel des Dirigenten Herbert von Karajan in die Stadt pilgern würde, um ihr Idol zu bestaunen. Zwar stimmte nicht ganz, was ursprünglich angedacht war, dass nämlich die neuen Osterfestspiele ganz ohne öffentliche Zuwendungen auskommen würden. Karajan hatte das versprochen. Doch was seither an Steuern in die Salzburger und Wiener Finanztöpfe zurückfloss und wie großzügig die Gäste den Fremdenverkehr anreicherten, sah man auch an der Salzach gern.
Salzburg spielt heuer wieder einmal Arnold Schönbergs Erwartung – und manche Rezensenten tun so, als wäre das eine Großtat. Dabei gilt dieses Werk seit Jahr und Tag als Schlüsselstück des musikalischen Expressionismus und wurde in jüngster Zeit von vielen bedeutenden Opernsopranen in aller Welt gesungen; oft in konzertanten Wiedergaben, immer wieder aber auch in Inszenierungen. Und die Salzburger Festspielaufführung mit Jessye Norman in Robert Wilsons Inszenierung in den Neunzigerjahren genießt bereits legendären Status.
DAS WERK WAR SOFORT EIN EMINENTER ERFOLG
Obwohl die Komposition bereits auf dem Höhepunkt der sogenannten atonalen Phase Schönbergs vollendet war, dauerte es bis in die ersten Jahre der Zwölfton-Phase des Komponisten, daß Erwartung den Weg auf die Bühne fand. 1924 dirigierte Alexander von Zemlinsky beim Prager Musikfest die Uraufführung. Marie Gutheil-Schoder sang – und es kann keine Rede davon sein, daß die Zeitgenossen Schönbergs radikale Musiksprache nicht geschätzt hätten: Die Rezension im Prager Tagblatt berichtet von stürmischem Applaus und erweist sich als kluge Einordnung der Komposition in die Entwicklungsstränge der jüngeren Musikgeschichte.
Bei der festlichen Eröffnung der Salzburger Festspiele gab es diesmal eine peinliche Panne. Offenbar geführt von Insidern, gelangten einige Personen, die gegen das Vorgehen der israelischen Regierung im Gaza-Streifen protestieren wollten, auf die Bühne und in die Arkaden der Felsenreitschule und störten dort die Rede des Vizekanzlers, Andreas Babler. Die Aufregung war nachher größer als während des Vorfalls: Wie konnte das passieren? Warum hat das Sicherheitssystem versagt?
Die Lehre daraus: Man kontrolliert nun die Eintrittskarten, die seit der Corona-Pandemie ohnehin personalisiert sind – was übrigens einen empfindlichen Eingriff in die Rechte der Kartenkäufer darstellt – noch rigoroser als zuvor. Als ob die prächtig geschmückten Festspieladabeis und die nach wie vor oft gut gekleideten Musikfreunde eine Gefährdung darstellen würden. Das ist so absurd, wie das jährliche Theater um die Festspieleröffnung. Diese stellt nämlich für noch halbwegs bei Sinnen befindliche Kultur-Konsumenten seit langem nur noch ein Ärgernis dar. Nicht wenn, wie diesmal, Protestaktionen gestartet werden, sondern wegen der unerträglichen hohlen Phrasen, die bei dieser Gelegenheit von den Politikern, aber meist auch von den Festrednern gedroschen werden.
Was die bis zum Überdruß wiedergekäuten Moralisierungen von allen Seiten mit der europäischen Kunst und ihrem Beitrag zu unserm Leben zu tun haben sollen, müssen sich die Berichterstatter jedesmal verkrampft aus den Fingern saugen und in weitere belanglose Worthülsen verpacken.
Die Netrebko bei ihem Bühnendebüt als Lisa (Foto: Staatsoper/Pöhn)
In der Wiener Staatsoper erschien Anna Netrebko wieder einmal – und diesmal gerechtfertigt – im Tandem mit Yusif Eyvazov. Tschaikowskys düsteres Spielerdrama nach Puschkin wurde dank beider Interpreten, die ihre Partien erstmals in Wien sangen, zum Ereignis. Zumindest musikalisch.
REZENSION VOM 22. JUNI 2025
Ja, man hört in manchen Passagen, daß die Stimme dem langen Primadonnendienst Tribut zu zollen hat. Und doch und immer noch: Ein Abend, an dem Anna Netrebko auf der Bühne steht, garantiert spannendes Musiktheater. Die Ausdruckskraft dieser Singschauspielerin ist ungebrochen. Und in manchen lyrischen Momenten, die Tschaikowsky den Protagonisten seiner Puschkin-Oper „Pique Dame“ schenkt, tönt der Sopran beinah so geschmeidig und farbenreich wie früher.
Das notorische Wehklagen um den Mangel an Wagner-TenörenNicht erst in jüngster Zeit leiden Opernfreunde im sogenannten „schweren Fach“ an der Realität – keineswegs nur wegen der Regisseure.
Ich will ja nicht behaupten, es gäbe viele Tenöre, die imstande sind, die Anforderungen einer Verdi-Partie in allen Facetten zu bewältigen. Aber bei Wagner (und, nicht zu vergessen, bei manchen Werken von Richard Strauss) ist es schon noch einmal anders. Da ahnt sogar ein Zaungast, der sich gar nicht für die Feinheiten hochartifizieller Gesangskunst interessiert, daß das, was er zu hören bekommt, wohl nicht ganz so gemeint gewesen sein kann.
AUGEN ZU, OHREN AUF?
Es ist ja so, daß man von geeichten Operngehern seit Jahren den Ratschlag bekommt, angesichts der wachsenden Zahl von entstellenden Inszenierungen beim Opernbesuch lieber die Augen zu schließen und die Musik zu genießen. Das funktioniert hie und da ganz gut, obwohl dann doch die Frage aufkeimt, warum man nicht zu Hause eine CD abspielt. Im Falle der notorisch schwer zu besetzenden deutschen „Heldenopern“ stößt der Musikfreund allerdings sogar beim Griff ins Plattenregal oft auf akustische Notlösungen.
Wieder einmal heißt es: Österreich auf Platz 1. Diesmal hat mit JJ ein klassisch ausgebildeter Countertenor den Eurovisions-Songcontest gewonnen. Im Vorfeld gab es schon im »Presse«-Podcast »Klassik für Taktlose« ein Gespräch mit Katrin Nussmayr und Klemens Patek, einem »Presse«-Redakteur, der eine Gesangsausbildung absolviert hat, ein Gespräch – wieviel Klassik, wieviel Oper steckt in einem Songcontest-Lied. Und was ist eigentlich ein Countertenor.
Sabine Devieilhe und Camilla Nylund in den historisch unpassenden Dekors von Rolf Glittenberg
Selbst die charmefreie Inszenierung Sven Eric Bechtolf kann die musikalische Atmosphäre nicht zerstören: In der »Arabella«-Wiederaufnahme mit Camilla Nylund herrscht Hofmannsthals Geist dank der Klänge von Richard Strauss.
EIN ABEND DES ORCHESTERS
Eine bessere Sängerbesetzung für Richard Strauss’ »Arabella« wird man heutzutage wohl nicht finden. Dies sei vorausgeschickt. Es muß dennoch heißen: Das war der Abend des Staatsopernorchesters. Wie oft hat man das bei Strauss-Aufführungen im Haus am Ring schon geschrieben? Nur »Arabella« war diesbezüglich eine Ausnahme. Selbst bedeutende Strauss-Dirigenten haben sich um sie herumgeschwindelt. Nun aber: Christian Thielemann am Pult. Da darf man sagen, dass diese Partitur hier seit Jahrzehnten nicht so zum Leben erweckt wurde.