CHRISTINE LAVANT – GERHARD LAMPERSBERG
Ehrenrettung für einen,
den Thomas Bernhard zum Antihelden machte
Carinthischer Sommer. Das Merlin-Ensemble und Andrea Eckert gedenken des 100. Geburtstags von Christine Lavant und des Komponisten Gerhard Lampersberg, dessen Nachruhm Thomas Bernhard einst so schwer beschädigt hat. Nun verschmilzt seine Musik mit Worten der Dichterin.
Ich will vom Leiden endlich alles wissen“, lautet der Titel einer höchst ungewöhnlichen V eranstaltung, die demnächst beim Carinthischen Sommer aus Anlass des 100. Geburtstags der Dichterin Christine Lavant und zum Gedenken an den Komponisten Gerhard Lampersberg über die Bühne geht.
Auf Anregung des Intendanten des Festivals, Thomas Daniel Schlee, hat Martin Walchs Merlin-Ensemble mit Andrea Eckert eine von Hermann Beil gestaltete halb szenische Collage aus Dichtung und Musik erarbeitet.
Schlee freut sich, daß er sich in seiner letzten Spielzeit einen „lang gehegten Wunsch“ erfüllen konnte: „Zum einen war es mir wichtig, etwas für Christine Lavant zu tun, zum andern habe ich lang geträumt von einer Hommage an Lampersberg, einer Würdigung dieses Komponisten, die über die Aufführung einiger weniger Stücke in einem Konzert hinausgeht.“
Selbst für das informierte Lese- und Musikpublikum gelten sowohl Lavant als auch Lampersberg als „schwierige“ Künstler, wobei beim Komponisten die Tatsache erschwerend hinzukommt, daß er von Thomas Bernhard zum (Anti-) Helden seines Romans „Holzfällen“ gemacht wurde, was einen Rechtsstreit inklusive Beschlagnahme des Bernhard-Titels nach sich zog. Das hat den Nachruhm Lampersbergs nachhaltig beschädigt, doch weiß Schlee als Sohn eines bedeutenden Musikverlegers ein bisschen mehr über die wahren Begebenheiten als der österreichische Kulturtratsch. „Ich kann mich noch gut erinnern“, sagt er, „daß meine Eltern von der künstlerischen Zusammenarbeit Bernhards mit Lampersberg begeistert waren.“
Der Landsitz des Komponisten, der Tonhof, war über viele Jahre Treffpunkt einer Elite junger Künstler, vor allem des Schriftstellernachwuchses, mit dem Lampersberg gern zusammengearbeitet hat. Die Zusammenkünfte auf dem Tonhof waren für manch berühmte Literaten erste Bewährungsproben. „Meine eigenen Begegnungen mit beiden Lampersbergs waren sehr eindrucksvoll“, erzählt Schlee: „Maja und Gerhard Lampersberg waren unwahrscheinlich verschieden, aber die Distinguiertheit und Belesenheit beider war unbeschreiblich. Lampersberg erarbeitete mit dem jungen Bernhard eine Kammeroper mit dem Titel ,Die Köpfe‘. Es folgten auch Arbeiten mit H. C. Artmann und vielen anderen.“ Aber auch an das musikalische Werk Lampersbergs sollte die Fachwelt sich wieder erinnern, meint Schlee.
Merlin-Pianist Till Alexander Körber gibt ihm recht: „Wir haben etliche Werke durchgespielt und sind auf faszinierende Musik gestoßen. Man sagt immer, Lampersberg knüpfe an den späten Webern an. Das stimmt vielleicht. Aber er reduziert noch weiter, legt die Strukturen klar, wodurch die Stücke für den Hörer auch beim ersten Hören gut nachvollziehbar werden.“
In Zusammenarbeit mit Andrea Eckert, die seit Langem von einer Lavant-Lesung geträumt hatte, ergab sich dann ein quasi polyphones Miteinander von Literatur und Musik. „Eine szenische Sonate“, wie Körber es nennt, von Hermann Beil „inszeniert“, was „nicht zu illustrativen Effekten“ führen wird, wie der Pianist versichert, sondern zu einer Gleichwertigkeit von Musik und Sprache. „In diesem Zusammenhang wirkt Lampersbergs Musik dann wirklich stark!“ Diese „Musik der leisen Berührung“, wie Intendant Schlee das formuliert, dem auf diese Weise durchaus ein Coup gelingen könnte.