Musikverein. Behutsame Klangzaubereien bei Brahms, brachiale Dramatik bei Beethoven in Liszts Arrangement.
Als wär‘s die Fortsetzung des Salzburger Festspielabends: Die Kombination von Brahms-Stücken und Franz Liszts Arrangement einer Beethoven-Symphonie schien damals schon im Falle später „Intermezzi“ mit der Siebenten Symphonie rätselhaft; die notabene pausenlose Gegenüberstellung der Brahms-Balladen op 10 mit der »Eroica« stellte diesmal ebenfalls Fragen: Was erwartet man von der Konfrontation eines Frühwerks von Brahms und der bis heute kolossal wirkenden Dritten Beethoven-Symphonie? Was heißt das: Romantik? Was Klassik?
Sabine Devieilhe und Camilla Nylund in den historisch unpassenden Dekors von Rolf Glittenberg
Selbst die charmefreie Inszenierung Sven Eric Bechtolf kann die musikalische Atmosphäre nicht zerstören: In der »Arabella«-Wiederaufnahme mit Camilla Nylund herrscht Hofmannsthals Geist dank der Klänge von Richard Strauss.
EIN ABEND DES ORCHESTERS
Eine bessere Sängerbesetzung für Richard Strauss’ »Arabella« wird man heutzutage wohl nicht finden. Dies sei vorausgeschickt. Es muß dennoch heißen: Das war der Abend des Staatsopernorchesters. Wie oft hat man das bei Strauss-Aufführungen im Haus am Ring schon geschrieben? Nur »Arabella« war diesbezüglich eine Ausnahme. Selbst bedeutende Strauss-Dirigenten haben sich um sie herumgeschwindelt. Nun aber: Christian Thielemann am Pult. Da darf man sagen, dass diese Partitur hier seit Jahrzehnten nicht so zum Leben erweckt wurde.
Marina Viotti und Benjamin Bernheim (c Vincent Pontet)
Benjamin Bernheim und Marina Viotti machen am Théâtre des Champs-Élysées in der Regie von Christof Loy die Goethe-Oper zum Ereignis.
Massenets »Werther«, paradoxerweise einst in Wien uraufgeführt, gehört dennoch ganz und gar den Franzosen. In deutschsprachigen Landen galt die Goethe-Veroperung – wie etwa Gounods »Faust« – als suspekt. Und man muss tatsächlich nach Paris pilgern, um eine Lektion in Sachen musikalischen Stils zu erhalten: Dass Massenets Musik aus dem Geist der Opéra Comique herausgewachsen ist, begreift unsereins ja nach wie vor kaum. Wenn der wohl herausragende Interpret dieses Fachs in unseren Tagen im Theatre des Champs-Elysees den Werther singt, dann erlebt der Zaungast also nicht nur vokale Glanzstücke. Er staunt auch, wie man aus ihm ungewohnter Perspektive einem Meisterwerk gerecht werden kann.
De Tommasi, Akhmetshina, Grigorian – untaugliche Optik, aber von den Damen phänomenal gesngen! (Theater an der Wien: Monika Rittershaus)
Die Künstlerin feierte trotz Indisposition ein glänzendes Rollendebüt im Theater an der Wien. Die Inszenierung ist, wie heute leider immer zu erwarten, völlig untauglich und verzwergt eine Oper, die vokal zu einem veritablen Schicksals-Drama wurde … auch weil mit Aigul Akhmetshina eine junge Gegenspielerin für die Grigorian gefunden wurde, die aufhorchen ließ.
Im Normalfall könnte an dieser Stelle keine Rezension der jüngsten Premiere im Theater an der Wien erscheinen: Wenn der Intendant des Hauses vor einer Aufführung von Bellinis »Norma« erscheint, um dem Publikum mitzuteilen, die Darstellerin der Titelpartie sei – wie alle Kollegen auch – während der Probenarbeit von einer fiebrigen Erkrankung befallen worden und noch nicht ganz genesen, dann ist der Abend für den kritischen Betrachter erledigt. »Norma« ohne Norma ist wie »Carmen« ohne Carmen. Aber für diesmal war das Rollendebüt von Asmik Grigorian angekündigt. Also war alles anders: Die Sängerin entpuppte sich trotz Indisposition als grandiose Interpretin einer als grenzwertig schwierig geltenden Partie. Und sie mußte den Abend nicht einmal allein tragen: In Aigul Akhmetshina fand sie eine Gegenspielerin, die eine der sattesten Mezzostimmen unserer Zeit hören ließ – und in den Duetten zu beeindruckender Form auflief. Also doch ein Bericht über „Norma“ und die Tatsache, daß sich der Besuch im Haus an der Wien lohnt, auch wenn wieder einmal keine Rede davon sein kann, daß das angekündigte Werk auf der Bühne auch zu sehen ist. Dem steht die szenische Verzwergung der psychologischen Schicksalsverknotungen durch Vasily Barkhatov entgegen. Aber davon in gebotener Kürze zuletzt. Zuerst einmal: Der Gesang sorgte an diesem Abend dafür, daß die ersten beiden Silben des Wortes Musiktheater endlich zu ihrem Recht kamen.
Palestrina, fast zynisch-unbewegt, im Dialog mit dem Kardinal (Michael Spyres und Wolfgang Koch) (Foto: Wiener Staatsoper/ W. Pöhn)
Unter Christian Thielemann absolviert das bedeutende Künstlerdrama, früher Fixbestandteil des Repertoires, wohl nur einen – allerdings bemerkenswerten – Zwischenstop.
Hans Pfitzners »Palestrina«, früher ganz selbstverständlich Teil des wienerischen Opernrepertoires, kehrt nach beinahe einem Vierteljahrhundert in den Spielplan zurück. Der Erfolg war rauschend. Christian Thielemann am Dirigentenpult und eine mehrheitlich sehr gute Sängerbesetzung haben es möglich gemacht. Und doch, erinnerte die Wiederaufnahme auch unter dem Titel »Endspiel« laufen können – und das keineswegs deshalb, weil sie – Treppenwitz der Planungsgeschichte – im Umfeld der Wiener Premiere von Kurtágs »Fin de partie« angesetzt war. Aber der Reihe nach:
Atemlose Stille, dann tosende Begeisterung über ein Sternstunde der Gesangskunst im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses.
Eine der edelsten Stimmen unserer Zeit, makellose Gesangskunst, ein dramaturgisch kluges Programm, mitgestaltet von einem kongenialen Klavier-Partner – Sabine Devieilhe und Mathieu Pordoy erinnerten bei ihrem Auftritt im Mozartsaal daran, zu welchen Höhenflügen sich der Liedgesang erheben kann, wenn sich die Lust am puren Schönklang mit intellektueller Interpretationskultur verschwistert.
Erstmals erschien eine Lebensbeschreibung des unangepassten Tenors Franco Bonisolli, der einst einem Karajan den Degen vor die Füße warf.
Franco Bonisoilli? Da regierte zuallererst einmal natürlich der blanke Neid! Der Neid der Kollegen auf der einen Seite, die Begeisterungsfähigkeit eines O...
Ein „Rosenkavalier“ für unsere Zeit: musikalisch ebenso fein differenziert wie die Inszenierung Harry Kupfers in Hans Schavernochs längst legendären Salzburger Festspiel-Bildern.
Das war eine jener Aufführungen, von denen die, die dabei sein durften, noch nach Jahrzehnten schwärmen: Kirill Petrenko debütierte an der Mailänder Scala – und zementierte seinen Nimbus des großen einsamen Sterns am Dirigentenhimmel unserer Zeit.
Der Schein trügt: Historische Kostüme spielen nur eine Nebenrolle im Grau in Grau eines Labors. (Foto: Staatsoper/Frol Podlesnyi)
Wieder haben wir ein wichtiges Repertoire-Stück verloren
Szenisch unkenntlich gemacht, versank Verdis Schiller-Oper in Mißfallenskundgebungen und teils erschreckendem gesanglichem Mittelmaß.
Mit Bruckners Fünfter hob die Konzertsaison in Berlin an. Die Aufführung unter Kirill Petrenkos Leitung begeisterte das Publikum, entzweite die Kommentatoren und wird heute, Sonntag Abend im Salzburger Festspielhaus wiederholt.
Kein Orchester kann seine Verehrer so auf dem Laufenden halten wie die Berliner Philharmoniker. Dank des – optisch wie a...