Archiv der Kategorie: Feuilleton
Thielemann und die Liebesbeziehung zu seinem neuen Orchester
Die Staatskapelle Berlin gastierte erstmals unter der Leitung ihres neuen Chefs in Wien und brillierte im Musikverein mit Strauss und Bruckner. Erin Morley hatte es schwer, mit ihrer hellen, beweglichen Sopranstimme gegen die vielfältigen Klangzaubereien der Musiker.
„Wunder muss ich euch melden“, singt Siegfried in der „Götterdämmerung“ – manchmal sehr zu Recht. Nach der Premiere der jüngsten Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ an der Berliner Lindenoper raunten die Kenner sich jedenfalls zu: Der neue Generalmusikdirektor sei gefunden: Christian Thielemann war für den Berliner Langzeit-Opernchef Daniel Barenboim eingesprungen und hatte triumphiert. Nicht nur beim Publikum. Auch die Orchestermitglieder äußerten sich euphorisch.
SO DURCHKREUZT MAN POLITIKER-PLÄNE
So durchkreuzte letztlich die normative Kraft des Faktischen längst geschmiedete kulturpolitischen Pläne – Thielemann, er war niemals der Wunschkandidat deutscher (und leider auch nicht österreichischer) Politiker, wurde Barenboims Nachfolger.
Bestätigung in Wien
Nun kam er das erste Mal mit seiner neuen Staatskapelle nach Wien. Und im Musikverein bestätigten die herrlichsten Klänge alle mirakulösen Erzählungen: Da haben sich wirklich ein Orchester und ein Dirigent auf den ersten Blick gefunden.
Kurt Schwertsik hat zum 90er gut lachen

Ein Wiener Komponist hat es geschafft, sich bei den fortschrittlichen Kollegen sozusagen hinten anzustellen, aber als Erster durchs Ziel zu kommen – das da war: Neue Musik zu schreiben, die man trotzdem gern hört.

Irgendetwas ist immer anders bei ihm. Auch, was seine Lebensphilosophie betrifft.
ZUM WEITERLESEN, BITTE ANMELDEN
Der Trumpf Anna schlägt auch die Pique Dame

In der Wiener Staatsoper erschien Anna Netrebko wieder einmal – und diesmal gerechtfertigt – im Tandem mit Yusif Eyvazov. Tschaikowskys düsteres Spielerdrama nach Puschkin wurde dank beider Interpreten, die ihre Partien erstmals in Wien sangen, zum Ereignis. Zumindest musikalisch.
REZENSION VOM 22. JUNI 2025
Ja, man hört in manchen Passagen, daß die Stimme dem langen Primadonnendienst Tribut zu zollen hat. Und doch und immer noch: Ein Abend, an dem Anna Netrebko auf der Bühne steht, garantiert spannendes Musiktheater. Die Ausdruckskraft dieser Singschauspielerin ist ungebrochen. Und in manchen lyrischen Momenten, die Tschaikowsky den Protagonisten seiner Puschkin-Oper „Pique Dame“ schenkt, tönt der Sopran beinah so geschmeidig und farbenreich wie früher.
Nachruf auf Alfred Brendel
Weisheit am Klavier
In Mähren geboren, in Kroatien und Graz aufgewachsen, nach London ausgewandert: In seinem musikalischen Herzen blieb der Künstler ein Wiener.
Er zog, diese Pointe konnte man sich als Rezensent damals nicht entgehen lassen, als letzten Ton seines unwiderruflich letzten Soloauftritts noch ein As aus dem Ärmel, ein zweigestrichenes As, mit dem er – nach leichter Verzögerung Liszts „Au Lac de Wallenstadt“ beendete. Verschmitzten Blicks, versteht sich. Die scheinbar simple Pointe war, typisch Alfred Brendel, doch vielschichtigen Zuschnitts. Der weltweit hoch verehrte Beethoven- und Schubert-Interpret, hielt die Wiener Klassiker hoch wie kaum ein Zweiter, spielte aber mit derselben Hingabe Liszt und ließ es nicht zu, wenn jemand diesen Komponisten weniger hoch achten wollte.
ZUM WEITERLESEN, BITTE ANMELDEN
»Götterdämmerung« zum Abschied von Philippe Jordan
»Der Ring des Nibelungen« im Juni 2025 war die letzte Tat des scheidenden Musikdirektors der Wiener Staatsoper.
Andreas Schager als Siegfried
Rollen- und sogar Hausdebüts in den wichtigsten Partien – und der Abschied vom Musikdirektor des Hauses: Die beiden Aufführungsserien von Wagners „Ring des Nibelungen“ stehen vor allem aus musikalischen Gr...
Sanftes Lächeln einer Sommernacht

Konzert der Philharmoniker in Schönbrunn. Zum 22. Mal fand der größte Klassik-Event nach dem Neujahrskonzert statt. Diesmal sogar bei idealem Wetter.
Freitag der Dreizehnte, aber ein Wetter prachtvoll wie selten. Nicht immer – vor allem in den ersten Jahren nicht – hatten die Wiener Philharmoniker so viel Glück bei ihrem »Konzert für die Welt«. Live ist dieser internationale TV-Termin ein musikalisches Volksfest für die Wiener, die bereits eineinhalb Stunden vor Beginn in endlose Kolonnen von der Kennedybrücke in Richtung des Hietzinger Tors strömen. Manche sogar elegant gewandet, die anderen wie auf dem Weg zum Freibad.
Die Restaurants ringsum sind ausgebucht. Eine verzweifelte Dame versichert, sie hätte zwei Plätze reserviert. Man verweist sie auf ein Lokal ähnlichen Namens um die Ecke…

Selbst vor den Toiletten im Schloßpark – was das imperiale Design betrifft, gewiss die luxuriösesten der Welt – bilden sich lange Schlangen. Nur hinter dem Palmenhaus steckt ein Entenpärchen, schlafbereit, schon seine Schnäbel ins Gefieder.
Eine Gedenkminute und das »lebenswerte Leben«
Riccardo Muti im Salieri-Jahr: Mozart gewinnt ja doch immer!
WAS HEISST SCHON »WIENER FESTWOCHEN«? +++ 200, TODESTAG VON ANTONIO SALIERI +++ EIN FALSCHES »PHILHARMONISCHES« +++ RICCARDO MUTIS »ALTERSSTIL«
Die Hofmusikkapelle im Musikverein: eine Konfrontation Mozarts mit seinem erbitterten Feind, Antonio Salieri, dem Jahresregenten 2025.
WAS HEISST SCHON »FESTWOCHEN«?
Über die Frage, welches Profil sich die Musikstadt Wien mit ihren Festwochen gibt, wird aus aktuellem Anlass gerade viel diskutiert. Der Reigen war aus einem Musikfest hervorgegangen, bei dem sich die Crème der internationalen Komponisten ein Stelldichein gab. Die hießen damals natürlich Paul Hindemith, Igor Strawinsky oder Pierre Boulez …
Boulez ist übrigens einer der Jahresregenten 2025. Ein anderer: Antonio Salieri, dessen künstlerischer Zweikampf mit Mozart früher einmal eine Festwochen-Ausstellung wert gewesen wäre. Aber dergleichen ist mittlerweile ja einem Allerweltsgetümmel gewichen, das in seiner Zeitungeistigkeit überall in der EU stattfinden könnte. „Klassische“ Musik, für die der Name Wien international steht, ist längst vollständig aus dem Programm gestrichen. In den großen Konzerthäusern wird sie zur Freude der Touristen wie der Einheimischen freilich weiterhin gepflegt.
Johanna Matz (1932-2025)
Vom allseits geliebten Hannerl zur Thomas-Bernhard-Darstellerin
Johanna Matz starb am selben Tag wie Waltraud Haas. Eine Rolle verhalf beiden zu Kino-Triumphen: Die Wirtin im „Weißen Rößl“. Die Matz vergaß über dem „Hannerl“-Image nie ihren Status als Burg-Schauspielerin.
Hannerl! Nicht von ungefähr hieß der Film über ein Mädchen, das gegen alle Widerstände doch Schauspielerin werden darf, nach der Hauptdarstellerin: Als „Hannerl“ war Johanna Matz in kürzester Zeit zum wienerischen Star geworden. An manchen Abenden konnten die Verehrer gleich drei Filme sehen, wenn Sie durch die Stadt von Kino zu Kino pilgerten: um 16 Uhr den „Zapfenstreich“, um 18 Uhr „Die Försterchristl“ und um 21 Uhr - ja, eben - „Hannerl“. Das war 1952. Ein Jahre später bestand für Kinobetreiber im deutschen Sprachraum kein Zweifel: Hannerl Matz erhielt 80 Prozent aller Stimmen bei der Frage nach der zugkräftigsten Schauspielerin.
Acht Jahre vor Waltraud Haas: die Rößlwirtin
Damals war sie die selbstverständliche Besetzung der „Rößlwirtin“ in Willi Forsts Verfilmung der Operette „Im weißen Rößl“ an der Seite von Johannes Heesters.
ZUM WEITERLESEN, BITTE ANMELDEN
Igor Levits »Eroica« im Wiener Musikverein
Brahms und Beethoven/Liszt als Parforcetour

Musikverein. Behutsame Klangzaubereien bei Brahms, brachiale Dramatik bei Beethoven in Liszts Arrangement.
Als wär‘s die Fortsetzung des Salzburger Festspielabends: Die Kombination von Brahms-Stücken und Franz Liszts Arrangement einer Beethoven-Symphonie schien damals schon im Falle später „Intermezzi“ mit der Siebenten Symphonie rätselhaft; die notabene pausenlose Gegenüberstellung der Brahms-Balladen op 10 mit der »Eroica« stellte diesmal ebenfalls Fragen: Was erwartet man von der Konfrontation eines Frühwerks von Brahms und der bis heute kolossal wirkenden Dritten Beethoven-Symphonie? Was heißt das: Romantik? Was Klassik?