Archiv der Kategorie: Feuilleton
Bayreuth im Jubiläumsjahr 2026
2026 wird zum ersten Mal »Rienhi« bei den Bayreuther Festspielen aufgeführt. Nicht der einzige Tabubruch bei den Wagner-Festspeilen im Jubiläumsjahr.
In Bayreuth stehen große Veränderungen an. Der Übergang bei den traditionsreichen Wagner-Festspielen vollzieht sich freilich schrittweise, ohne großes Aufsehen. Im kommenden Sommer gibt es jedoch eine Jubiläums-Saison, bei der vieles anders sein wird als gewohnt. Vor allem einmal gibt man erstmals auf dem Grünen Hügel ein Frühwerk des Gründervaters, das dieser gar nicht für seine Festspiele kanonisiert hat: „Rienzi“.
Meyerbeer-Reminiszenz und „KI-Ring“
Mit diesem Musikdrama, das formal noch ganz im Banne von Giacomo Meyerbeers „Grand Opera“ steht, hat der Dichterkomponist einst seinen internationalen Durchbruch geschafft. Aber erst das folgende Werk, „Der fliegende Holländer“, schien Wagner „festspieltauglich“. Tatsächlich ist sich die Theater- und Musikwissenschaft einig: Ab dem „Holländer“ war Wagner ganz er selbst. Zur Feier der 150. Wiederkehr der Eröffnung des Festspielhauses hat Wagner-Urenkelin Katharina nun entschieden: Auch der „Rienzi“ gehört – zumindest für diesmal– in den Wagner-Olymp.
Ein KI-generierter »Ring« mit Reminiszenzen an frühere Produktionen
Riccardo Muti: gegen die »Political Correctness«
»Singen ist die Sache der Liebenden«
Riccardo Muti möchte, wie er es gewohnt ist, am 28. Juli nicht feiern. Dieser, sein 84. Geburtstag sei ein Tag »wie jeder andere«, meinte der Dirigent im Gespräch mit dem Mailänder Corriere della sera. Aufhorchen läßt eine Passage in dem Interview, indem Muti unverhohlen die Unkultur der sogenannten Political correctness als »umgekehrten Rassismus« betrifft.
Der Maestro führt zur Untermauerung seiner Kritik auch Argumente aus seinem persönlichen Lebens- und Arbeitsbereich an.
Salzburger Festspiele mit dem »Floß der Medusa« eröffnet
Hans Werner Henzes Oratorium ist vom politischen Aufreger des Jahres 1968 zu einem Schlüsselwerk der Moderne geworden. Die Festspiele hätten kaum eine bewegendere Eröffnung gestalten können.

Aus dem kommunistischen ist längst ein humanistisches Manifest geworden. „Das Floß der Medusa“ erzählt die Geschichte der von einer selbstsüchtigen Offizierskaste auf offenem Meer ausgesetzten Mannschaft einer gescheiterten Fregatte. Sie hat sich tatsächlich ereignet und galt anno 1816 als Beweis für die Haltlosigkeit einer Restitution der französischen Bourbonen-Herrschaft. Wer so mit seinem Volk umging, hatte das Recht auf Regentschaft längst verspielt.
Thielemann und die Liebesbeziehung zu seinem neuen Orchester
Die Staatskapelle Berlin gastierte erstmals unter der Leitung ihres neuen Chefs in Wien und brillierte im Musikverein mit Strauss und Bruckner. Erin Morley hatte es schwer, mit ihrer hellen, beweglichen Sopranstimme gegen die vielfältigen Klangzaubereien der Musiker.
„Wunder muss ich euch melden“, singt Siegfried in der „Götterdämmerung“ – manchmal sehr zu Recht. Nach der Premiere der jüngsten Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ an der Berliner Lindenoper raunten die Kenner sich jedenfalls zu: Der neue Generalmusikdirektor sei gefunden: Christian Thielemann war für den Berliner Langzeit-Opernchef Daniel Barenboim eingesprungen und hatte triumphiert. Nicht nur beim Publikum. Auch die Orchestermitglieder äußerten sich euphorisch.
SO DURCHKREUZT MAN POLITIKER-PLÄNE
So durchkreuzte letztlich die normative Kraft des Faktischen längst geschmiedete kulturpolitischen Pläne – Thielemann, er war niemals der Wunschkandidat deutscher (und leider auch nicht österreichischer) Politiker, wurde Barenboims Nachfolger.
Bestätigung in Wien
Nun kam er das erste Mal mit seiner neuen Staatskapelle nach Wien. Und im Musikverein bestätigten die herrlichsten Klänge alle mirakulösen Erzählungen: Da haben sich wirklich ein Orchester und ein Dirigent auf den ersten Blick gefunden.
Kurt Schwertsik hat zum 90er gut lachen

Ein Wiener Komponist hat es geschafft, sich bei den fortschrittlichen Kollegen sozusagen hinten anzustellen, aber als Erster durchs Ziel zu kommen – das da war: Neue Musik zu schreiben, die man trotzdem gern hört.

Irgendetwas ist immer anders bei ihm. Auch, was seine Lebensphilosophie betrifft.
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Der Trumpf Anna schlägt auch die Pique Dame

In der Wiener Staatsoper erschien Anna Netrebko wieder einmal – und diesmal gerechtfertigt – im Tandem mit Yusif Eyvazov. Tschaikowskys düsteres Spielerdrama nach Puschkin wurde dank beider Interpreten, die ihre Partien erstmals in Wien sangen, zum Ereignis. Zumindest musikalisch.
REZENSION VOM 22. JUNI 2025
Ja, man hört in manchen Passagen, daß die Stimme dem langen Primadonnendienst Tribut zu zollen hat. Und doch und immer noch: Ein Abend, an dem Anna Netrebko auf der Bühne steht, garantiert spannendes Musiktheater. Die Ausdruckskraft dieser Singschauspielerin ist ungebrochen. Und in manchen lyrischen Momenten, die Tschaikowsky den Protagonisten seiner Puschkin-Oper „Pique Dame“ schenkt, tönt der Sopran beinah so geschmeidig und farbenreich wie früher.
Alfred Brendel
NACHRUF –– WÜRDIGUNGEN –– REZENSIONEN
Weisheit am Klavier
NACHRUF VOM 17. JUNI 2025
In Mähren geboren, in Kroatien und Graz aufgewachsen, nach London ausgewandert: In seinem musikalischen Herzen blieb der Künstler ein Wiener.
Er zog, diese Pointe konnte man sich als Rezensent damals nicht entgehen lassen, als letzten Ton seines unwiderruflich letzten Soloauftritts noch ein As aus dem Ärmel, ein zweigestrichenes As, mit dem er – nach leichter Verzögerung Liszts „Au Lac de Wallenstadt“ beendete. Verschmitzten Blicks, versteht sich. Die scheinbar simple Pointe war, typisch Alfred Brendel, doch vielschichtigen Zuschnitts. Der weltweit hoch verehrte Beethoven- und Schubert-Interpret, hielt die Wiener Klassiker hoch wie kaum ein Zweiter, spielte aber mit derselben Hingabe Liszt und ließ es nicht zu, wenn jemand diesen Komponisten weniger hoch achten wollte.
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»Götterdämmerung« zum Abschied von Philippe Jordan
»Der Ring des Nibelungen« im Juni 2025 war die letzte Tat des scheidenden Musikdirektors der Wiener Staatsoper.
Andreas Schager als Siegfried
Rollen- und sogar Hausdebüts in den wichtigsten Partien – und der Abschied vom Musikdirektor des Hauses: Die beiden Aufführungsserien von Wagners „Ring des Nibelungen“ stehen vor allem aus musikalischen Gr...
Sanftes Lächeln einer Sommernacht

Konzert der Philharmoniker in Schönbrunn. Zum 22. Mal fand der größte Klassik-Event nach dem Neujahrskonzert statt. Diesmal sogar bei idealem Wetter.
Freitag der Dreizehnte, aber ein Wetter prachtvoll wie selten. Nicht immer – vor allem in den ersten Jahren nicht – hatten die Wiener Philharmoniker so viel Glück bei ihrem »Konzert für die Welt«. Live ist dieser internationale TV-Termin ein musikalisches Volksfest für die Wiener, die bereits eineinhalb Stunden vor Beginn in endlose Kolonnen von der Kennedybrücke in Richtung des Hietzinger Tors strömen. Manche sogar elegant gewandet, die anderen wie auf dem Weg zum Freibad.
Die Restaurants ringsum sind ausgebucht. Eine verzweifelte Dame versichert, sie hätte zwei Plätze reserviert. Man verweist sie auf ein Lokal ähnlichen Namens um die Ecke…

Selbst vor den Toiletten im Schloßpark – was das imperiale Design betrifft, gewiss die luxuriösesten der Welt – bilden sich lange Schlangen. Nur hinter dem Palmenhaus steckt ein Entenpärchen, schlafbereit, schon seine Schnäbel ins Gefieder.

