Wiens neuer Opern-"Musikchef", Ulf Schirmer, im Gespräch
Geredet wird über den Nachfolger Claudio Abbados seit dessen Abgang. "Viele Leute glauben, daß ich es längst bin", erzählt er selbst. Jetzt ist es wirklich so weit: Staatsopernchef Ioan Holender hat Ulf Schirmer zu seinem "musikalischen Konsulenten" ernannt. Der 33jährige Deutsche tritt dieses Amt am 1. September, also mit Beginn der nächsten Saison an. Mit seiner Arbeit hat der agile junge Mann freilich längst begonnen. Umstrukturierung, Straffung, Neuordnung - ein Manager würde allerlei fashionable Vokabel für das finden, was derzeit hinter den Kulissen, ganz nach Schirmers Vorstellungen geschieht. Der Außenstehende weiß vom Hörensagen, daß in den Direktionsgängen des Hauses am Ri...
Vor nicht allzu langer Zeit verabschiedete Rußlands Präsident Jelzin ein Dekret, das dem renommierten Moskauer Bolschoitheater vollständige Autonomie zusichert. "Bei gleichbleibenden staatlichen Subventionen", ergänzt Wladimir Kokonin, der Direktor des Hauses, und schwärmt sichtlich stolz von der dieserart errungenen künstlerischen Freiheit. "Ein für Moskau bis vor kurzem ganz und gar undenkbarer Zustand", lautet sein Kommentar im Gespräch mit der "Presse".
Tatsächlich plant und arbeitet die Direktion des wohl berühmtesten Opernhauses des ehemaligen "Ostblocks" heute unabhängig von jeder staatlichen Einflußnahme. Im Verein mit seinem musikalischen Leiter, Alexander Lazarev - "Er hat das Bolschoi-Orchester wieder auf e...
Peter Härtling über seinen "Schubert" und die Kunst, schriftstellernd die Musik zu lieben
Schubert wandert durch viele meiner Romane durch. Für mich selbst sonderbar." Peter Härtling, Jahrgang 1933, hat dem Kind nun seinen Namen gegeben: "Schubert" heißt sein jüngstes Buch, das zum Thema hat, worüber der in Hessen lebende Chemnitzer seit langen Jahren dichtet.
Musik ist für Härtling immer schon "als Thema vorhanden" gewesen, wie er im Gespräch mit der "Presse", kurz vor seiner selbstverständlich von Schubert-Musik untermalten - Dichterlesung in Wien bekennt. "Einer meiner ersten Romane, ,Niembsch oder Der Stillstand', ein Buch über Nikolaus Lenau und Don Juan, hatte den Untertitel: Eine Suite."
Musikalische Formgebung im großen und im kleinen. ...
Wie Gilbert Kaplan die Wahrheit ans Licht zu bringen versucht
Gilbert Kaplan hat wieder zugeschlagen. Vielerorts belächelt, freilich auch viel bewundert, zog der schwerreiche New Yorker Börsenmakler vor Jahren durch die Lande, um in aller Welt Mahlers Zweite Symphonie zu dirigieren. Als Amateur im wahrsten Sinne des Wortes wollte er nichts als dieses Werk interpretieren, brachte eine Schallplattenaufnahme mit einem Londoner Orchester heraus und schloß dieser Edition auch eine Ausgabe sämtlicher Mahler-Briefe an, die irgendwie mit dieser "Auferstehungssymphonie" zu tun haben.
Das war aufschlußreich, wenn auch - wie sich herausstellt - nur der Anfang einer Mahler-Aufklärungskampagne des musikfanatischen Millionärs. Jetzt holt er zum zweiten Streic...
Gundula Janowitz über ihr Comeback als Lied-Interpretin
Ich übe jeden Tag. Und zwei bis drei Mal im Monat singe ich jetzt wieder", sagt Gundula Janowitz, die große Sopranistin, die vor einigen Jahren beinahe über Nacht beschlossen hat, nicht mehr aufzutreten. In der Zwischenzeit war sie Operndirektorin in Graz, hat aber angesichts ständiger Querelen bald das Handtuch geworfen: "Ich habe", bricht sie gegenüber der "Presse" ihr langes Schweigen, "einfach meine Menschenkenntnis überschätzt".
Selbstmitleid ist der Janowitz fremd. Dazu hat sie sich ihre Karriere mit viel zu bitteren Opfern erkauft. Heute pilgern die Fans zu den raren Janowitz-Auftritten neugierig und dankbar wie kaum je zuvor: Das liegt vielleicht daran, "daß ich mir der Verantwortung heute noch...
Der Komponist Friedrich Cerha spricht über sein Schaffen
Ich bin ein anderer geworden", sagt Friedrich Cerha. Monatelang war er im Spital gelegen, sehr, sehr krank, am Rande des Todes. So radikal hätte er seinen Grundsatz wahrlich nicht in die Tat umsetzen wollen, daß nämlich die stetige Veränderung eine Bedingung für jedes kreative Leben sein müsse. "Die Freude an der Veränderung setzt nämlich voraus, daß Sie unzufrieden mit sich sind. Und das ist wichtig. Es ist bequem, zu bleiben, wie man ist."
Die stetige Veränderung, das "Heranziehen des neuen Menschen" ist Cerhas Leitgedanke: "Sie sehen das an meinen Opernstoffen, am ,Baal', aber auch am ,Rattenfänger'". Vielleicht auch an der Tatsache, daß in Cerhas Werk insgesamt ein enormer Reichtum herrsch...
Erich Urbanner über die Situation des Musikschaffenden heute
Ich kann nicht, wie manche Kollegen, am Fließband schreiben, um eine Uraufführung nach der anderen herauszubringen, obwohl das vielleicht gar nicht so schwer wäre, weil man dann sozusagen in eine Eurphorie hineinkommt und wirklich am laufenden Band produzieren kann. Ich ziehe eher den steinigen Weg vor." So erklärt sich Erich Urbanner, österreichischer Komponist aus Tirol, der seit Jahren an der Wiener Musikhochschule auch Komponisten-Nachwuchs heranzieht.
Der "steinige Weg", das heißt: akribische Arbeit, wohlüberlegte Schritte, lieber fünf Dinge nicht, das sechste dafür aber ganz akkurat formulieren. Überlegt, mehrfach überdacht, verlief Urbanners Komponistenkarriere von Anfang ...
Direktor Ioan Holender über seine langfristigen Opernperspektiven am Ring, Gürtel und an der Wien
Der verständliche Wunsch des Wiener Bürgermeisters, die Staatsoper wenigstens einige Wochen auch im Juli zu bespielen, die aktuelle Frage, für welche Opern und an wievielen Abenden die Staatsoper das Theater an der Wien nützen könnte, die langfristige Umgestaltung des Repertoires der Volksoper - Wiens Opernchef Ioan Holender denkt über einen ganzen Problemkatalog nach; und hat einige bemerkenswerte Lösungen anzubieten.
Im Gespräch mit der "Presse" erläutert er seine Zukunftsvisionen. So könnte es durchaus sein, daß man sich in Hinkunft auf ein modifiziertes Modell der Saisonplanung einigt, um zumindest die ersten beiden Juliwochen in den Spielbetri...
Wiens neuer Bariton-Liebling Monte Pederson im Gespräch
O ja, ich hab' gerade wieder einen netten Brief und Schokolade bekommen", antwortet Monte Pederson auf die Frage, ob er schon über eine echte Fangemeinde in Wien verfüge.
Das Opernpublikum hat den Amerikaner schnell und, wie es scheint, dauerhaft ins Herz geschlossen. Der Applaus, den er nach seinen Auftritten erhält, ist schon von jener spürbaren Freundlichkeit, die nur erklärten Lieblingen im Haus am Ring zu Teil wird.
Pederson, ein junger Mann, gerade 33, mit wirklich kraftvollem Heldenbariton, ersang sich diese Zuneigung spätestens mit seinem fulminanten Jochanaan an der Seite Mara Zampieris zu Beginn der abgelaufenen Saison. Er zählt zu jenen Mitgliedern des von Eberhard Waechter un...
"Nali" Gruber erzählt, wie viel Musik ein einzelner Komponist lieben kann - und warum
Er ist der große Versöhner unter Österreichs Komponisten. Zu Einem darf er Gottfried sagen, Cerha nennt er Fritz - für Eingeweihte das Signal: Heinz Karl Gruber, kurz "Nali" genannt, hat die Quadratur des Kreises geschafft. Nur, daß er die beiden Antipoden noch nicht an einen Tisch und zu einem Gespräch gebracht hat, stört ihn. Gut möglich, daß ihm eines Tages sogar das gelingt.
Grubers Herz ist, so viel steht fest, weit. Er schätzt nicht nur Cerha und Einem gleichermaßen, er weigert sich überhaupt strikt, die Welt durch einen ideologischen Zerrspiegel zu betrachten. Nicht Schönberg und die Wiener Schule oder Strawinsky, Hindemith und andere "Apolli...