Archiv der Kategorie: Bücher

Zwischentöne

Die Staatsoper zeigt den "Ring" trotz allem; dazugibt's Lektüre

Jetzt ist der Moment gekommen, wo die Segnungen der modernsten Video-Technik uns über eine unfreiwillige Pause im Kulturleben helfen.

Wagnerianer sind unter den Opernfreunden die durchschlagskräftigsten. Das weiß man. Kein Mailänder Loggionista kann mithalten, wenn Bayreuth-Jüng...

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Lebendige Vergangenheit

Die editorischen Großtaten des Musiknarren Jürgen Schmidt

Ein neues Buch beleuchtet den Lebensweg einer der wesentlichen Figuren der wienerischen Kulturgeschichte.

Sammler sind Narren. Einer der größten dieser Narren war Jürgen E. Schmidt - und er verstand, dass das Wort Narr aus dem Mund eines anderen leidenschaftlichen Sammlers einem E...

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Hugo Reichenberger

Die Theaterwelt aus der Sicht dessen, der die Arbeit macht

Ein Buch enthüllt Geheimnisse der alten Wiener Opernwelt.

Operngeschichte haben hierzulande vorrangig große Dirigenten geschrieben. Wer über die einstige Hof- und heutige Staatsoper spricht, der weiß, daß Gustav Mahler und Richard Strauss hier Direktoren waren, Bruno Walter und Clemens Krauss als Interpreten Maßstäbe gesetzt und nach dem Zweiten Weltkrieg Herbert von Karajan oder Lorin Maazel Weichen gestellt haben.

Vor allem die Ära Mahler ist glänzend aufgearbeitet. Die ästhetische Neuausrichtung ebenso wie die Repertoirepolitik des genialen Mannes sind exzellent dokumentiert. Nun ist aber ein Buch erschienen, das den Opernbetrieb aus der Sicht eines Mannes beleuchtet, der nie wirklich im grellen Scheinwerferlicht gestanden ist, aber lange Zeit sozusagen die ganze Arbeit gemacht hat.

Die Wiener Musikwissenschaftlerin Teresa Hrdlicka hat die Geschichte ihres Großvaters Hugo Reichenberger geschrieben. Er führte akribisch Buch über die Vorstellungen, die er als Kapellmeister betreute. 2000 Abende in drei Jahrzehnten, davon Ur- und Erstaufführungen von Stücken, die bis heute zum Fixbestand des Spielplans gehören. Allen voran Janáčeks „Jenufa“, an deren Wiener Premiere und der bis vor kurzem gesungenen deutschen Übersetzung Reichenberger regen Anteil hatte.

Wie ein Kapellmeister in jener Ära sein Repertoire erarbeitete (von Breslau über Stuttgart und München bis nach Wien), wie er mit Komponisten Umgang pflegte, wie mit Direktoren und Kulturpolitikern (und den unvermeidlichen Rückschlägen und Intrigen) umzugehen war, wie Sänger und Orchestermusiker zu behandeln waren (und wohl noch sind), all das lernt man aus dem akribisch recherchierten und lebendig geschriebenen Band. Schlagzeilentaugliche sozialpolitische Zeitstudien fehlen nicht, Leid am Sittencodex und Eifersuchtsmord inklusive.

(Teresa Hrdlicka: „Hugo Reichenberger. Kapellmeister der Wiener Oper.“ Edition Steinbauer, 264 S., 22,50 €.)

Richard Strauss zum Geburtstag

NEUE BÜCHER

Frühere Biographen legten das Schwergewicht auf seine Musik. Die neueren untersuchen Richard Strauss‘ Verhältnis zum Nationalsozialismus und zur Moderne. Ein Vergleich zum 150. Geburtstag des Komponisten.

Der Mann mit dem Schatten

Der 150. Geburtstag von Richard Strauss? Wer da meint, das wäre für die Musikwelt ein Grund zu feiern, irrt. In einer Zeit, in der Künstler nicht vorrangig nach ihren Leistungen, sondern nach ihrer Gesinnung beurteilt werden, diskutiert man sichtlich lieber über Straßennamen als über Opern und symphonische Dichtungen. Das ist zwar ein Phänomen der veröffentlichten Meinung und nicht des Publikumsinteresses. Aber die veröffentlichte Meinung reagiert auf Publikationen zu Jubiläen derzeit beinah ausschließlich mit einem Scanprozeß, der dem Sicherheitscheck vor den Flughafengates ähnelt.

Als ob es für einen Leser, der sich über Leben und Schaffen eines der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts informieren möchte, ausschließlich von Belang wäre, wie sich dieser zwischen 1933 und 1945 zum nationalsozialistischen Regime in Beziehung zu setzen wußte. Als ob es nicht weitaus interessanter wäre, der Frage auf den Grund zu gehen, warum Werke wie „Don Juan“, „Also sprach Zarathustra“, „Salome“ oder der „Rosenkavalier“ zu Welterfolgen wurden und Welterfolge geblieben sind.

Mittlerweile reagieren auch die Buchverlage auf diese Umstände. Eine neue, wirklich tiefschürfende Werkmonografie war zum Strauss-Jahr 2014 also gar nicht zu erwarten. Da muß man sich zu helfen wissen. Gottlob gibt es ältere Studien, die zumindest antiquarisch greifbar sind und nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Was den Lebenslauf des Meisters anlangt, muß nach wie vor Willi Schuhs bahnbrechende Arbeit genannt werden, die 1976 im Atlantis-Verlag publiziert wurde. Freilich: Schuh, damals bereits ein hochbetagter Forscher, kam über das Jahr 1898 nicht hinaus. Exzellent dokumentiert ist dank dieses ersten, aber leider auch letzten Bandes der groß angelegten biografischen Studie daher nur die Jugendzeit.

Von den 15 Opern kommt in diesem Zusammenhang nur die allererste, der Fehlschlag „Guntram“, zu Ehren. Auf Deutsch ist des Weiteren Kurt Wilhelms exzellent ausgestatteter, großer Bildband (bei Kindler, 1984 erschienen) von Belang, eine detailgenaue, glänzend recherchierte Arbeit, die mit reichem Bildmaterial auch optisch eine genußvolle und erhellende Lektüre bietet. Und wenn wir schon bei den Antiquariatsempfehlungen sind: Präzise Analysen der Musik von Richard Strauss bot einst Norman Del Mar in drei Bänden. Das ist noch immer das Standardwerk – allerdings in englischer Sprache . . .

Kommen wir zu den aktuellen Novitäten und damit zum Zeitgeist. Aus dem Engli schen übertragen wurde ein verhältnismäßig schmaler Band aus der Feder von Bryan Gilliam, Musikologe aus North Carolina, dem es aber gelungen ist, Leben und Werk auf knapp 200 Seiten übersichtlich gegliedert darzulegen. Prompt regte sich Kritik, denn der Universitätsprofessor aus den USA hat zwischen Opern, Tondichtungen und unzähligen Liedern doch glatt vergessen zu erwähnen, daß Strauss 1933 empört den „Protest der Richard-Wagner-Stadt München“ gegen Thomas Mann mitunterzeichnet hat. Ja, so war er. Sein deutsches Kulturerbe wollte er nicht angetastet wissen.

Man darf sogar weitergehen: Richard Strauss, da sind sich ja auch die wohlwollenden Kommentatoren einig, hatte vorrangig sich, sein Werk und seine künstlerischen Überzeugungen im Sinn – und er hatte seine Familie inklusive jüdischer Schwiegertochter möglichst heil durch die NS-Zeit zu manövrieren. Dafür warf er sein künstlerisches Gewicht in die W aagschale.

Für eine Generation, der es am wichtigsten scheint, diesbezügliche Schwächen aufzudecken, liefert ein Wiener Autor die nötige Aufarbeitung der Fakten: Daniel Ender hat das dieserart zeitgemäße Charakterporträt des Komponisten geschrieben. Akribisch hat er die Briefe, Aufzeichnungen, Presseberichte durchforstet und alles zusammengetragen, was den „Meister der Inszenierung“, wie der Untertitel den Komponisten nennt, ausgemacht hat.

Selbstinszenierung war dem Schöpfer von Tondichtungen wie „Heldenleben“ oder „Sinfonia domestica“, aber auch von einer aus der eigenen Biografie gegriffenen Oper namens „Intermezzo“ wahrlich nicht fremd. Wie sich der Bühnenmensch Strauss jeweils ins rechte Licht zu rücken wußte, zeichnet Ender nach. Er überprüft dann natürlich auch die Aussagen, die frühere Biografen über die Rolle des Komponisten im Dritten Reich gemacht haben, und kommt zu dem Schluss, daß viele Geschichten nicht bis zum Ende erzählt wurden: Ja, es gibt die Anweisung von Martin Bormann, derzufolge 1944 anläßlich des 80. Geburtstags „der persönliche Verkehr unserer Männer mit Richard Strauss unterbleiben“ sollte. Es gibt aber auch, so ergänzt Ender, eine durchaus gegenläufige Stellungnahme des Propagandaminister Goebbels.

Wer das alles genau wissen will, hat mit „Richard Strauss. Meister der Inszenierung“ jetzt ein Kompendium zur Verfügung, in dem sich vermutlich jede kleinste politisch inkorrekte Formulierung aus dem Munde oder der Feder des Komponisten findet.

Wer auch etwas über Musik wissen und sich knapp und bündig über den Werdegang eines Komponisten informieren möchte, sollte zu Gilliams „Magier der Töne“ greifen, auch wenn dieser angelegentlich feststellt, die inkriminierte „Olympische Hymne“ für die Spiele 1936 sei nicht vom NS-Regime bestellt worden, sondern schon 1931 vom Vertreter des Olympischen Komitees. So viel zur Beleuchtung: Es ist immer entscheidend, wo man die Scheinwerfer aufstellt, die einen Vorgang erhellen sollen.

Wer der Meinung ist, daß es für die Musikgeschichte nicht gar so relevant ist, was ein Komponist politisch oder moralisch macht beziehungsweise unterläßt, wird sich freuen, daß in Gilliams konziser Studie ein Punkt aufgegriffen wird, der tatsächlich über die Jahrzehnte hin recht einseitig beleuchtet worden ist: Richard Strauss war für seine Zeitgenossen selbstverständlich ein Vertreter der sogenannten Moderne. Für die Nachgeborenen, die Opern wie „Salome“ und „Elektra“ noch auf der Höhe der Fin-de-Siècle- Ästhetik verorten, gilt Strauss nach 1911, dem Uraufführungsjahr des „Rosenkavaliers“, als rettungslos rückschrittlich.

Die dieserart verballhornte Wahrnehmung hilft auch ein schweizerischer Ordinarius wieder zu entzerren. Laurenz Lütteken, Musikwissenschaftler aus Zürich, betitelt sein Jubiläumsbuch ausdrücklich „Richard Strauss. Musik der Moderne“ – und das zeugt, wenn es ausnahmsweise erlaubt ist, auch über Musik zu sprechen, von einem Paradigmenwechsel in der Forschung. Zwar liest sich Lüttekens Text nicht leicht, denn er strotzt von wissenschaftlich-verkorksten Formulierungen. Aber die Botschaft scheint doch übermittelnswert, denn sie könnte zum 150. Geburtstag vielleicht die Diskussion über den Komponisten und seine Stellung in der Musikgeschichte wieder in Gang bringen.

Was „Moderne“ hieß und in Betracht der Werke von Strauss und seiner Zeitgenossen auch heute noch so heißen sollte, weist Lütteken schlüssig nach, indem er Strauss‘ Stellung zu Richard Wagner und Friedrich Nietzsche überprüft und zeigt, wie der Komponist durchaus mithilfe seines Librettisten Hugo von Hofmannsthal es schafft, die ästhetische Position seiner Zeit zu überwinden – und damit auch jene Sprachlosigkeit, von der Hofmannsthals „Brief des Lord Chandos an Francis Bacon“ Zeugnis gibt.

Tonal oder atonal?

Diese Sprachlosigkeit wäre auch eine musikalische in Strauss‘ Verständnis: Die klassische Form, so lautete seine Überzeugung, hätte sich mit Beethovens Symphonik erfüllt. Aber auch die von ihm postulierte, einzig wahre Entwicklungslinie: Berlioz- Wagner- Liszt wäre rasch zu Ende gekommen, hätte Strauss selbst nicht (mit Hofmannsthal) zu einer radikal antimetaphysischen neuen Poetik gefunden.

Diese wiederum ist kaum mittels der von der bisherigen Musikgeschichtsschreibung verwendeten Kategorien (Stichwörter „tonal“ oder „atonal“) verständlich zu machen. Lütteken macht sie denn auch keineswegs nur in den als „fortschrittlich“ geltenden Kompositionen aus, sondern beschreibt den Weg über den „Rosenkavalier“ hinaus bis zu den Spätwerken in seiner erstaunlichen Konsequenz. Dem Hybridprodukt „Ariadne auf Naxos“ kommt dabei eine Schlüsselposition zu. Und in der 1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, vollendeten „Heiteren Mythologie“ namens „Die Liebe der Danae“ erweist sich, so der Autor, die Antike als „heillos korrupt“ – und der Komponist als immer noch „modern“. Mit Dur- und Moll-Kadenzen hat das wenig zu tun.

Für das Publikum bleiben solche musikologischen Volten freilich Aktivitäten für Seiltänzer. Am Ende interessierte man sich ja doch dafür, wer in der nächsten „Rosenkavalier“-Aufführung die Marschallin singen wird – und ob ihr das so anrührend wie den großen Vorgängerinnen gelingen wird. Angehörs des Schlußterzetts dieser Oper wird auch weiterhin niemand die Frage stellen, ob Kunstrichter erlauben sollen, daß jemand so spät wie 1911 dermaßen schöne Musik zwischen Des-Dur und E-Dur aus balanciert. Oder ob man quasi rückwirkend mitbedenken muß, daß der Komponist sich bei einem NS-Bonze überschwenglich dafür bedankt hat, daß er mitgeholfen hat, seine Villa in Garmisch vor der „Einquartierung“ zu bewahren.

Eher wird man bei Christoph Wagner-Trenkwitz nachschlagen, wie die Wiener Strauss-Rezeption seit der Direktionsära des Meisters, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg begonnen hat, sich ungebrochen bis heute entwickelt hat. Die fundierte Abhandlung über Strauss und Wien namens „Durch die Hand der Schönheit“ ist recht zeitig zum Jubiläum wieder aufgelegt worden und reicht, aktualisiert, nun von Maria Jeritza bis Evelyn Herlitzius.

Wagner-Trenkwitz hat noch ein weiteres Buch publiziert, das nun – apropos Positionierung der Scheinwerfer – doch einen Beitrag zur Lebensgeschichte liefert, der weniger von politischer Korrektheit getrieben ist als vielmehr von der Neugier, von echten Zeitzeugen zu erfahren, wie es wirklich gewesen ist: „Sie kannten Richard Strauss“ präsentiert uns „ein Genie in Nahaufnahme“ und sammelt Dokumente von Zeitzeugen, die den Komponisten wirklich gut gekannt haben, Interviews mit den Enkeln Christian und Richard Strauss junior inklusive.

Was Bewunderer und Skeptiker zwischen Romain Rolland, Gustav und Alma Mahler, die Dichter Hofmannsthal, Thomas Mann oder Stefan Zweig über Strauss erzählt haben, was jüngere Interpreten vom Schlage eines Clemens Krauss oder Karl Böhm von ihm erfahren durften, liest sich so vielschichtig wie kurzweilig. Vielleicht ist es nicht immer damit zur Deckung zu bringen, was man heutzutage über die Geschichte des 20. Jahrhunderts in der Schule lernt. Ehre sei den Zeitgeschichtlern, wie sie ihnen gebührt – die Zeitgenossen und das, woran sie sich erinnern können, sind auch nicht zu verachten.

BIBLIOGRAPHIE

STRAUSS: NEUERSCHEINUNGEN

Daniel Ender: Richard Strauss. Meister der Inszenierung. 350 S., geb., € 24,90 (Böhlau Verlag, Wien). Bryan Gilliam: Richard Strauss. Magier der Töne. Aus dem Englischen von Ulla Höber. 234 S., geb., € 20,60 (C. H. Beck Verlag, München). Laurenz Lütteken: Richard Strauss. Musik der Moderne. 320 S., geb., € 30,80 (Reclam Verlag, Ditzingen). Christoph Wagner-Trenkwitz: Durch die Hand der Schönheit. Richard Strauss und Wien. 320 S., geb., € 24 (Kremayr & Scheriau Verlag, Wien).
Christoph Wagner-Trenkwitz (Hrsg.): Sie kannten Richard Strauss. Ein Genie in Nahaufnahme. 224 S., geb., € 22,95 (Amalthea Verlag, Wien).

Sacre – zum Geburtsetag

Die Musikrevolution war eine szenische – Nijinsky bleibt!

In Paris versuchte man, der Originalchoreographie des »Sacre« durcheine Novität Paroli zu bieten. Das misslang gründlich.

Nijinsky war schuld – so zumindest liest es sich im Rückblick, den Igor Strawinsky selbst verfasste. Die rüde Choreographie des Tanzgenies mit den hüpfenden ,,Loli...

 

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Schuberts Jugend

Ist es denn möglich?

In der Tat: Neues über den jungen Schubert

Herwig Knaus: Franz Schubert – Vom Vorstadtkind zum Compositeur 156 S., brosch., S 298 (Löcker Verlag, Wien)

Neues über Schubert? Unser Bild dieses Komponisten, längst entmystifiziert, von drei Mäderln gereinigt und um mindesten einen Buben bereichert, hat sich seit den achtziger Jahren, seit Fritz Lehners drastischem Film wenigstens, nicht mehr gewandelt. Für Autoren ist Schubert kein dankbares Thema mehr, so scheint es. Nun ist aber doch ein Büchlein erschienen, dessen Lektüre lohnt. Herwig Knaus, lange Jahre einer der obersten Musiker- und Musikologenausbildner Wiens, zählt zu den gewissenhaftesten Forschern, die sich denken lassen. Er publiziert nicht viel. Aber wenn er einen Beitrag herausbringt, dann enthält der Novitäten. Nun also Schubert. Wie Knaus einleitend mit Recht feststellt, haben sich seine Kollegen – von Otto Erich Deutsch bis heute – vor allem mit den späten der wenigen Schubert-Lebensjahre beschäftigt. Wie es um den jungen Schubert bestellt war, ist hingegen nirgendwo erschöpfend nachzulesen.

Oder besser: Es war nirgendwo nachzulesen – bis vor wenigen Wochen. Da kam Knaus‘ Band „Franz Schubert – Vom Vorstadtkind zum Compositeur“ auf den Markt und enthielt sogleich alles, was das Herz des neugierigen Privat-Schubertologen zu lesen begehrt. Wie war es im Wien des Kaisers Franz um die Schullehrer bestellt, in deren Zunft Schubert 1797 hineingeboren wurde und der er nach dem Willen des Vaters auch angehören sollte? Wieviel verdiente ein durchschnittlicher Arbeiter, wieviel ein kaiserlicher Beamter in diesen Jahren? Wie wirkten sich die Napoleonischen Kriege auf das Befinden der Bevölkerung aus? All diese Fragen beantwortet Knaus mit einer Akribie, die ahnen läßt, wieviel Archivstaub er während der Recherche eingeatmet haben muß. Dafür werden ihm jedoch Leser und Wissenschaftler jahrzehntelang dankbar sein. Denn dieses Buch wird mangels Konkurrenz zum Standardwerk avancieren. Daran besteht kein Zweifel. Hier ist nachzulesen, daß Vater Schubert keineswegs ein Hungerleider war, sondern wohlbestallter kaiserlicher Amtsträger – und daß der Sohn schon in den Anfängen seines freiberuflichen Daseins, jener Phase, mit der das Buch endet, in ordentlichen, mittelständischen Verhältnissen lebte, ja sogar in eine Wohnung in der Innenstadt ziehen konnte. Und was das damals zu bedeuten hatte, das schlägt man am besten bei Knaus nach.