Schuberts Jugend

Ist es denn möglich?

In der Tat: Neues über den jungen Schubert

Herwig Knaus: Franz Schubert – Vom Vorstadtkind zum Compositeur 156 S., brosch., S 298 (Löcker Verlag, Wien)

Neues über Schubert? Unser Bild dieses Komponisten, längst entmystifiziert, von drei Mäderln gereinigt und um mindesten einen Buben bereichert, hat sich seit den achtziger Jahren, seit Fritz Lehners drastischem Film wenigstens, nicht mehr gewandelt. Für Autoren ist Schubert kein dankbares Thema mehr, so scheint es. Nun ist aber doch ein Büchlein erschienen, dessen Lektüre lohnt. Herwig Knaus, lange Jahre einer der obersten Musiker- und Musikologenausbildner Wiens, zählt zu den gewissenhaftesten Forschern, die sich denken lassen. Er publiziert nicht viel. Aber wenn er einen Beitrag herausbringt, dann enthält der Novitäten. Nun also Schubert. Wie Knaus einleitend mit Recht feststellt, haben sich seine Kollegen – von Otto Erich Deutsch bis heute – vor allem mit den späten der wenigen Schubert-Lebensjahre beschäftigt. Wie es um den jungen Schubert bestellt war, ist hingegen nirgendwo erschöpfend nachzulesen.

Oder besser: Es war nirgendwo nachzulesen – bis vor wenigen Wochen. Da kam Knaus‘ Band „Franz Schubert – Vom Vorstadtkind zum Compositeur“ auf den Markt und enthielt sogleich alles, was das Herz des neugierigen Privat-Schubertologen zu lesen begehrt. Wie war es im Wien des Kaisers Franz um die Schullehrer bestellt, in deren Zunft Schubert 1797 hineingeboren wurde und der er nach dem Willen des Vaters auch angehören sollte? Wieviel verdiente ein durchschnittlicher Arbeiter, wieviel ein kaiserlicher Beamter in diesen Jahren? Wie wirkten sich die Napoleonischen Kriege auf das Befinden der Bevölkerung aus? All diese Fragen beantwortet Knaus mit einer Akribie, die ahnen läßt, wieviel Archivstaub er während der Recherche eingeatmet haben muß. Dafür werden ihm jedoch Leser und Wissenschaftler jahrzehntelang dankbar sein. Denn dieses Buch wird mangels Konkurrenz zum Standardwerk avancieren. Daran besteht kein Zweifel. Hier ist nachzulesen, daß Vater Schubert keineswegs ein Hungerleider war, sondern wohlbestallter kaiserlicher Amtsträger – und daß der Sohn schon in den Anfängen seines freiberuflichen Daseins, jener Phase, mit der das Buch endet, in ordentlichen, mittelständischen Verhältnissen lebte, ja sogar in eine Wohnung in der Innenstadt ziehen konnte. Und was das damals zu bedeuten hatte, das schlägt man am besten bei Knaus nach.