»Frühjahrsparade« in Baden

Verena Barth-Jurca und Ricardo Frenzel Baudisch

Robert Stolz

Frühjahrsparade

Sommerarena Baden bis Ende August

Sommerarena Baden. »Frühjahrsparade« erinnert daran, daß Lied-Meister Robert Stolz in der Zeitgeschichte beinahe die Rolle des österreichischen Thomas Mann gespielt hat.

OHNE REGIETHEATER

Das ist natürlich Unterhaltung der lockersten Sorte. Man bekommt dergleichen heutzutage sonst nur noch via Fernsehprogramm geliefert, denn unsere Theatermacher haben mit einem Genre wie diesem ihre liebe Not. Es läßt sich nämlich nicht gewinnbringend durch den Regietheater-Fleischwolf drehen. Das freut wiederum das Publikum: Die »Frühjahrsparade« von Robert Stolz als Operette, die aussieht wie eine Operette, erntet stürmischen Beifall.

Tatsächlich sind in einem solchen Fall weniger Dramaturgen gefordert und deren psychologisierende Programmhefttexte, sondern vielmehr der Regisseur. Diesfalls Stadttheaterintendant Michael Lakner persönlich, der seinem Ensemble ein Tempo und eine Reaktionsgeschwindigkeit abfordern muss, wie sie nur noch bei Musicals selbstverständlich sind. Für den Erfolg einer Revue-Operette wie dieser ist es freilich unabdingbar, dass die Hauptdarstellerin, Verena Barth-Jurca, bei ihren Gesangsnummern tanzend, springend und hüpfend so wenig außer Atem kommt wie ihre wechselnden Duettpartner.

»Die Deutschmeister«

An der schlichten Handlung gibt es, tatsächlich gehupft wie gesprungen, so wenig zu deuten wie an einer älplerischen Vorabendserienfolge: Die kleine Marika kommt vom Plattensee nach Wien, verliebt sich in einen Komponisten, dessen Militärmarsch nach sämtlichen Klischeeverwicklungen, derer eine Vorstadtposse nur fähig ist, ins Programm sämtlicher k. u. k. Blaskapellen aufgenommen wird. Flugs verwandelt sich die Sommerarena in einen Nostalgieparnass. Eine Audienz bei seiner Majestät natürlich inbegriffen, die, wenn Günter Tolar den Kaiser Franz Joseph spielt, ganz genau so ausschaut wie eine kaiserliche Audienz in einer Inszenierung der Badener Sommerarena.

Angesichts dieser notorischen theatralischen Melange aus Sein und Schein denkt der Rezensent sogar an sein jüngstes Erlebnis bei den Salzburger Festspielen. Des Schunkelns wegen. Geschunkelt wird nämlich heuer nicht nur im sommerlichen Baden, sondern auch im sommerlichen Salzburg. Nur, dass es hier um die Hexenszene von Verdis „Macbeth“ geht und da um einen Heurigenbesuch in Grinzing. Irgendwie macht einen der Vergleich sicher.

Der Prater in New York und Tel Aviv

Die „Frühjahrsparade“ ist jedenfalls zu sehen, wie sie im Büchel steht. Wer so etwas nicht mag, verirrt sich ohnehin nicht in die Arena. Wer es mag, hört »Im Prater blüh’n wieder die Bäume« vor einer Kulisse, auf der das Riesenrad abgebildet ist. Von Operettenmelodien, die klingen wie Volkslieder, darf man ohnehin nur in höchsten Tönen sprechen, denn ein Meister wie Robert Stolz hat mit ihnen auch Zeitgeschichte geschrieben: Das „Prater“-Lied hat Stolz im amerikanischen Exil anlässlich einer Rundfunkübertragung aus New York dirigiert und sich zuvor mit einer Ansprache an seine österreichischen Landsleute gewendet, als es Österreich offiziell gar nicht gab.

Wenig später hat er übrigens dasselbe Lied in Tel Aviv singen lassen. Auf Deutsch, was offiziell in Israel verboten war, aber dafür gesorgt hat, dass die Exilanten das Auditorium mit einem Meer von Tränen der Rührung fluteten. Das blieb nicht ohne kulturpolitische Folgen. Der Sprachbann war gebrochen und die Theaterintendantin dankte dem Komponisten bald herzlich dafür: Sie durfte die „Zauberflöte“ endlich in der Originalsprache spielen.

ÖSTERREICHISCHE ZEITGESCHICHTSSCHREIBUNG

Nun wollen wir Robert Stolz gewiss nicht mit Mozart vergleichen. Ja, nicht einmal mit Thomas Mann, was die Effektivität seiner Radioansprachen betrifft. Aber die sehr österreichische Variante künstlerischer Zeitgeschichtsschreibung nach Noten hat doch Charme.

Überdies erinnert uns die »Frühjahrsparade« daran, dass sie ein Werk des Bronzezeitalters der Operette ist, generiert aus einer jener Filmmusiken, die der Komponist in den Dreißigerjahren sozusagen am Fließband anfertigte. Das Drehbuch zu dem Streifen Géza von Bolvárys stammte von Ernst Marischka, der die Vorlage in den Fünfzigerjahren selbst noch einmal verfilmte: Unter dem Titel „Die Deutschmeister“ wurde die Sache in Starbesetzung zwischen Romy Schneider und Hans Moser zum Straßenfeger – und erst das gab die Anregung zur Bühnenfassung.

Es gibt, wie sich zeigt, einige Gründe, sich dieses Stücks wieder zu erinnern. Die Melodien von Stolz zählen jedenfalls dazu. Intendant Lakner träumte seit langem davon, „Frühjahrsparade“ wieder einmal herauszubringen. Er hat recht behalten.

Sommerarena Baden: 17., 18., 24., 26. und 27. August

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