Ottorino Respighi

1879 – 1936

Die Trilogie der römischen Tondichtungen hat diesen Komponisten aus Bologna berühmt gemacht: Fontane di Roma, Pini di Roma und Feste romane gehören zum Fixbestand virtuoser Orchester-Literatur, beliebtes Vehikel für Pultvirtuosen, ihre Dompteurskünste zu demonstrieren.

Doch Respighi war vielseitiger. Der ausgebildete Geiger und Pianist hat auch als Opernkomponist – mit einem Hang zu düster-grausamen Sujets – reüssiert, wenn auch Werke wie La fiamma, effektvoll und beeindruckend, nicht weit über die italienischen Grenzen hinaus wahrgenommen wurde.

Die Beschäftigung mit der italienischen Instrumentalmusik der Renaissance und des Barock inspirierte Respighi auch zu originellen Orchesterfassungen „Antiker Tänze und Gesänge“ (Antiche danze ed arie), die er in mehreren Suiten bündelte – durchaus nach dem Vorbild von Igor Strawinskys „Pulcinella“-Ballettmusik, aber dezenter in der Anverwandlung der alten Vorlagen.

Auf halbem Wege zwischen musikhistorischer Retrpospektive und Moderne steht Respighis Zweites Streichquartett, das einsätzige Quartetto dorico. Bemerkenswert ist seine »Tondichtung« für Sopran und Streichquartett, »ll tramonto«, ein hoch expressiver kammermusikalisch-dramatischer Monolog nach dem Gedicht Sunset von Percy B. Shelley.

  1. Quartetto dorico Barylli Quartett
  2. »Il tramonto« Sena Jurinac – Barylli Quartett

Der virtuose Orchester-Komponist

Grandios ist Respighis farbenreiche Orchestrierungstechnik, die durchaus an jene seiner fantasievollsten Zeitgenossen heranreicht. Mit Igor Strawinsky teilt Respighi den Instrumentations-Lehrer, Nikolai Rimskij-Korsakow, der durchaus als Erfinder – oder vielleicht besser: Perfektionierer – der modernen Orchester-Klangpalette geleten darf. Rspieghi reiste zu dem russischen Meister um die Jahrhundertwende und kehrte als handwerklich perfekter Könner zurück. Die drei Orchester-Gemälde über die Wahlheimatstadt Rom gerieten Respighi zu Meilensteinen in der virtuosen Klang-Koloristik.

Der Komponist hat für alle drei Werke illustrative Inhaltsangaben verfertigt, die dem Hörer als akustischer Reiseführer dienen können.

Respighi über seine Tondichtungen

I

RÖMISCHE BRUNNEN

Der erste Teil der Tondichtung ist inspiriert von der Fontäne in Valle Giulia und malt eine Hirtenlandschaft. Schafherden ziehen vorüber und verlieren sich im frischfeuchten Dunst einer römischen Morgendämmerung.

Plötzlicher lauter und dauerhafterHörnerklang über eiem trillernden Orchester eröffnet den zweiten Teil (die Tritonen-Fontäne). Najaden und Tritonen eilen auf den freudigen Signalruf in Scharen herbeieilen, sich gegenseitig verfolgend, um dann einen zügellosen Tanz inmitten der Wasserstrahlen auszuführen.

Ein feierliches Thema ertönt über den Wogen des Orchesters: die Trevi-Fontäne am Mittag. Das feierliche Thema geht von den Holz- auf die Blechbläser über und nimmt triumphierenden Charakter an. Fanfaren erklingen: auf leuchtender Wasserfläche zieht der Wagen Neptuns vorüber, von Seepferden gezogen, mit einem Gefolge von Sirenen und Tritonen. Der Zug entfernt sichm von Ferne hallen gedämpfte Trompetenstöße herüber.

Der vierte Teil (die Fontäne der Villa Medici in der Abenddämmerung) kündigt sich durch ein trauriges Thema an, das sich wie über einem leisen Geplätscher erhebt. Es ist die melancholische Stunde des Sonnenuntergangs. Die Luft ist erfüllt von Glockenklang, Vogelgezwitscher und dem Rauschen der Blätter. Bald erstirbt all das sanft im Schweigen der Nacht.

II

PiNIEN VON ROM

I. Die Pinien der Villa Borghese

Zwischen den Pinien der Villa Borghese spielen die Kinder. Sie tanzen Ringelreinh’n, führen Militärmärsche und Schlachten auf und berauschen sich am eigenen Geschrei wie die Schwalben am Abend; dann laufen sie davon. Unvermutet wechselt die Szene …

II. Pinien bei einer Katakombe

… im Schatten der Pinien rings um den Eingang einer Katakombe, aus deren Tiefe ein wehmütiger Gesang zu uns dringt. Er wächst an zum feierlichen Hymnus. um wieder zu verklingen.

III. Die Pinien aufdemjaniculum

Ein Zittern geht durch die Luft: in klarer Vollmondnacht wiegen die Pinien des Janiculums sanft ihre Wipfel. In ihren Zweigen singt eine Nachtigall.

IV. Die Pinien der Via Appia

Morgennebel über der Via Appia: einsame Pinien halten Wache in der heroischen Landschaft der römischen Campagna. Undeutlich, aber wiederholt, glaubt man den Rythmus zahlloser Schritte zu hören. Der Dichter sieht im Geist uralten Ruhm wieder aufleben: unter dem Geschmetter der Buccinen naht ein Konsul mit seinem Heer, um im Glänze der aufgehenden Sonne über die Via Sacra triumphierend aufs Kapital zu ziehen.

III

RÖMISCHE FESTE

I. Circenses

Der Himmel däut finster über dem Circus Maximus, dochdas Volk ist in Feststimmung: »Ave Nero!« Die eisernen Tore werden geöffnet und alsbald ertönt ein Choral nebst dem Gebrüll wilder Tiere. Die Volksmenge wogt hin und her und erbebt: unverdrossen hebt sich der Gesang der Märtyrer empor, triumphiert und geht unter im Tumult.

II. Das Jubilaeum

Die Pilger schleppen sich betend auf der langen Straße hin. Endlich, von der Höhe des Monte Mario, erblicken ihre brennenden Augen und schmachtenden Seelen die heilige Stadt: »Rom! Rom!« Sie brechen in eine jubelnde Hymne aus, und es erwidert ihnen das Glockengeläute aller Kirchen.

III. Ottobrata

Oktoberfest in den rebenumkränzten römischen Kastellen: ferne Jagdrufe, klingelnde Pferdegeschirre, Liebesgesänge. Es zittert ein romantisches Ständchen durch die milde Abendluft.

IV. Die »Befana«

Die Drekönigsnacht auf Piazza Navona; ein charakteristischer Trompetenrhythmus beherrscht frenetischen Lärm, auf dessen gellender Brandung von Zeit zu Zeit allerhand Klanggebilde vorübersschaukeln, als Bauernlieder, Saltarellohopser, Drehorgelklänge aus einer Schaubude und die Stimme des Ausrufers, Gegröle Betrunkener und der selbstbewußte Kehrreim, in den das römische Volk seine Seele legt: «Lassatece passa, semo Romani!» was bedeutet: »Laßt uns passieren, wir sind Römer!«

Aufnahmen der römischen Tondichtungen wurden zu legendären Schallplatten-Alben – vielfach genutzt, um die Leistungsfähigkeit großer Orchester, aber auch jene der Abspielgeräte und Stereo-Anlagen zu demonstrieren. Die Einspielung der Brunnen und Pinien durch das Chicago Symphony Orchestra unter Fritz Reiner gilt als eine der Allzeit-Besten Orchesteraufnahmen, eine Aufnahme übrigens, die in legendär kurzer Zeit innerhalb eines Tages in ununterbrochenen Takes gelang.

  1. Fontane di Roma Fritz Reiner - Chicago Symphony
  2. Pini di Roma Fritz Reiner - Chicago Symphony

Eine auch aufnahmetechnisch überwältigende Wiedergabe des gesamten Zyklus inklusive der seltener gespielten Feste romane gelang Lorin Maazel während seiner Amtszeit in Pittsburgh. Die CD ist unter Audiophilen eine Legende.

Respighi hat noch weitere Orchesterwerke programmatischen Zuschnitts komponiert, die aber nie auch nur annähernd so populär wurden wie die »römischen» Tondichtungen. Am ehesten haben es die »Kirchenfenster« in die Konzertsäle geschafft, die den Komponisten, der sonst gern dramatisch, sinistre, ja abgründige Sujets gewählt hat, mehrheitlich von seiner lyrischen Seite zeigen.

  1. Die Flucht nach Ägypten Respighi: Kirchenfenster – Antál Doráti (Minneapolis, 1954)
  2. Der Erzengel Michael Respighi: Kirchenfenster – Antál Doráti (Minneapolis, 1954)
  3. Il mattutino di Stanta Chiara Respighi: Kirchenfenster – Antál Doráti (Minneapolis, 1954)
  4. Gregor der Große Respighi: Kirchenfenster – Antál Doráti (Minneapolis, 1954)