Zweiter Teil eines Projekts mit den Pariser Symphonien von Joseph Haydn. Die Sache mußte wegen der Pandemie als Internet-Ereignis beginnen – die ersten der sechs für Frankreich komponierten Werke Haydns wurden ohne Publikum aufgezeichnet und sind im Internet abrufbar.
Heute und morgen aber kann im Grazer Stefaniensaal musiziert werden. Also erklingen die selten gespielte Symphonie in Es-Dur (bei Hoboken die Nummer 84) und die berühmte g-Moll-Symphonie (85), angeblich das Lieblingswerk von Königin Marie Antoinette und daher im allgemeinen Sprachgebrauch La Reine genannt, live. Zwischendrin ist das späte, brillante Trompetenkonzert Haydns zu hören. Solistin ist Selina Ott. Dirigiert wird nicht, denn Konzertmeisterin Maria Kubizek führt ihr Kammerorchester Recreation – wie’s zu Haydns Zeit der Brauch war – vom ersten Pult aus.
Die Aufführungen finden im Einklang mit den Vorsichtsmaßnahmen wegen der Pandemie jeweils zweimal statt: heute (10. Jänner) und morgen um 18 und 20 Uhr.
Für Musikfreunde, die den Aufzeichnungen der ersten Pariser-Symphonien via Streaming folgen, empfhielt sich als begleitende Lektüre ein Blick ins SINKOTHEK-ARCHIV.
Einen bemerkenswerten Rekonstruktionsversuch starten heute die Wiener Symphoniker im Verein mit der Singakademie unter der Leitung von Andres Orozco-Estrada in der heutigen Konzerthaus-Matinee: Sie präsentieren neben der Siebenten Symphonie Ludwig van Beethovens die Kantate »Der glorreiche Augenblick« und »Wellingtons Sieg«, ein Werk, in dem der Komponist die Niederlage Napoleons mit Kanonendonner und Gewehrfeuer künstlerisch gefeiert hat!
Daß Beethoven solch eine lärmende »Siegessymphonie« komponieren konnte, obwohl er den Konsul Napoleon einst verehrt hatte, gehört zu den Kuriositäten der Geschichte. Schon die Widmung an »Bonaparte« tilgte der Komponist von der Partitur seiner „Eroica“, sobald der sich zum Kaiser gekrönt hatte.
»Wellingtons Sieg« hat im Wien der Kongresszeit Furore gemacht und den Erfolg der Siebenten und Achten Symphonie weit überstrahlt. Viel weniger begeistert waren die Zeitgenossen von der Festkantate »Der glorreiche Augenblick«,die Beethoven für die Kongressfeierlichkeiten beisteuerte. Der »politische Beethoven« notierte schon in der Vorbereitungsarbeiten Texte wie den folgenden:
Ihr weisen Gründer glücklicher Staaten,/Neigt Euer Ohr dem Jubelsang,/Es ist die Nachwelt, die Eure Thaten/Mit Segen preist Aeonen lang.
(Wiederholung, morgen, 11. Jänner, 19.30 Uhr)
12 Cellisten
Sie bildeten und bilden das wohl ungewöhnlichste Kammermusik-Ensemble der Welt: Die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker. Die Geburtstunde der Gruppe schlug in Österreich. Für eine ORF-Produktion fanden sich die zwölf Musiker 1972 im Aufnahmestudio ein, um den Hymnus op. 57 des Cello-Meisters Julius Klengel einzuspielen. In der Folge konzertierten die Zwölf in aller Welt und eine ganze Reihe von Komponisten schrieb Werke für sie. Einer der ersten war Boris Blacher, dessen Rumba philharmonica im Jubiläumskonzert des Ensembles, das heute live aus der Berliner Philharmonie gestreamt wird, gleich auf das Klengel-Stück folgt, dem natürlich die Ehre des Konzert-Auftakts gebührt. In der Folge ein Querschnitt durch das ungewöhnlich breite Repertoire der Zwölf Cellisten, Filmmusik-Arrangements und der Beatles-Song Yesterday inbegriffen.
Anekdotisch geworden ist die Tatsache, daß Herbert von Karajan, der Langzeit-Chefdirigent der Berliner, keine Chance hatte, sich einmal ans Pult der Zwölf Cellisten zu stellen, die selbstbewußt selbstbestimmt bleiben wollten. Da ersann der Maestro eine List und beauftragte seinen Salzburger Festspielkuratoriums-Kollegen Gerhard Wimberger mit der Komposition eines Werks, das die Zwölfergruppe inmitten eines etwas größeren Ensembles hören läßt. Für dessen Uraufführung war dann ein Dirigent unvermeidlich . . .
Daniel Barenboim dirigiert heute in der Berliner Philharmonie ein Verdi-Programm der ungewöhnlichsten Art. Verdi im Konzertsaal, das bedeutet in der Regel eine Aufführung des großen Requiems. Vor allem, wenn wie diesmal neben den Philharmonikern auch der Runfunkchor Berlin auf dem Abendzettel steht. Doch diesmal ist alles anders: Auf die zündende Ouvertüre zur »Sizilianischen Vesper« folgt eine Aufführung des einzigen Streichquartett aus der Feder des Opernmeisters (ein Werk aus der Reifezeit Verdis!) in einer Orchesterfassung sowie im zweiten Teil des Programms Quattro pezzi sacri, die »Vier geistlichen Stücke«, in denen der Agnostiker Verdi seinen ganz speziellen Zugang zu den katholischen Gesangstexten vermittelt, von einem in rätselhaften Harmonien schwebenden Ave Maria bis zu einem Te Deum, in dem das »In te, Domine, speravi« ungewohnt skeptisch, fragend im Pianissimo verhallt.
Der italienische Pianist feiert Geburtstag. In Ö1 widmet Christian Scheib dem Künstler einen Hör-Nachmittag (14.05 Uhr).
Chopin und Schumann waren über viele Jahre die Hausgötter des Interpreten, der zu den absoluten Publikumsfavoriten wurde, auch aus Wien und von den Salzburger Festspielen nicht mehr wegzudenken. Und da galt lange Zeit: Wer Pollini Chopin spielen hören wollte, der mußte auch Musik von Luigi Nono mitnehmen. Die Leidenschaft für diesen Komponisten teilte Pollini mit seinem künstlerischen Partner Claudio Abbado – alle drei Namen standen für die Verquickung linker politischer Parolen mit dem Musikleben. Die Hörer trugen es mit Fassung. Und sammelten nicht zuletzt Pollinis Schallplatten- und CD-Aufnahmen . . .
José Carreras zum 75. Geburtstag produzierte der Bayerische Rundfunk eine Sendung, die nach Mitternacht (also eigentlich schon am 5. Jänner) zu sehen sein wird. Der katalanische Künstler, der eine Zeitlang mehr durch seine schreckliche Krankheit Schlagzeilen machte und den Kampfesmut, mit der er sie bekämpfte, gehörte ab Mitte der Siebzigerjahre zu den führenden Klassik-Interpreten der Welt – und tourte an der Seite von Luciano Pavarotti und Placido Domingo auch im legendären »Drei Tenöre«-Gespann um die Welt. Zu hören sind in der Sendung allerdings auch Ausschnitte aus Carreras‘ höchst ernstahften Opernproduktionen. Als Besitzer einer der schönsten Stimmen des ausgehenden XX. Jahrhunderts war Carreras zu Zeiten ja auch einer der Lieblings-Künstler Herbert von Karajans und damit bei prägenden Opernproduktionen mit von der Partie.
Die Stimme von José Carreras ist in unzähligen Live- und Studioaufnahmen dokumentiert. Ein absolutes Highlight ist der Video-Livemitschnitt der Wiener Staatsopern-Produktion von Puccinis »Turandot« mit Eva Marton und Katia Ricciarelli unter Lorin Maazel. Eine der Allzeit-Besten in den Opern-Charts.
Wer die Übertragung im Sommer verpaßt hat: BBC 3 hat heute (20.30 Uhr MEZ) die Aufzeichnung des Philharmonischen Konzerts unter der Leitung des 94-jährigen Herbert Blomstedt von den Salzburger Festspielen im Programm. Vor der herb-schönen Vierten Brahms war Arthur Honeggers Dritte Symphonie, die sogenannten »Symphonie liturgique« zu hören, eine direkte Reaktion auf die Gräuel des zweiten Weltkriegs, die nach schweren Konflikten in eine tröstlich-schöne, aber vielleicht auch »jenseitige« E-Dur-Klangoase mündet. Jedenfalls eine der beeindruckendsten Symphonien des XX. Jahrhunderts in einer allseits gelobten Interpretation.
Benjamin Bernheim, Besitzer einer der schönsten Stimmen unserer Zeit, hätte heute sein Wien-Gastspiel an der Staatsoper beginnen sollen Wegen der Pandemie wurden alle Vorstellungen bis 5. jänner abgesagt sollte bis 16. Jänner fünf Mal den Rodolfo in
singen, ihm zur Seite die australische Sopranistin Nicole Car als Mimi und die viel gerühmte Slowakin Slávka Zámečníková, Mitglied des jungen Ensembles der Staatsoper, als Musette. Erste Vostellung der Serie soll num am 6. Jönner sein. Inzwischen Ersatzvornahmen für alle, die daheim bleiben müssen:
Die Wiener Philharmoniker musizieren heute vormittag unter Daniel Barenboim für ihr TV-Millionenpublikum. Sie haben sich wieder ein Programm ausgesucht, das einige der bekanntesten Melodien der Wiener Strauß-Dynastie mit kaum je gespielten Werken mischt. Auch Kenner können also jedenfalls wieder allerhand entdecken.
Das Programm
Josef Strauß Phönix-Marsch, op. 105
Johann Strauß II. Phönix-Schwingen. Walzer, op. 125
Josef Strauß Die Sirene. Polka mazur, op. 248
Josef Hellmesberger (Sohn) Kleiner Anzeiger. Galopp, op. 4
Johann Strauß II. Morgenblätter. Walzer, op. 279
Eduard Strauß Kleine Chronik. Polka schnell, op. 128
Johann Strauß II. Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus“
Johann Strauß II. Champagner-Polka. Musikalischer Scherz, op. 211
Carl Michael Ziehrer Nachtschwärmer. Walzer, op. 466
Johann Strauß II. Persischer Marsch, op. 289
Johann Strauß II. Tausend und eine Nacht. Walzer, op. 346
Eduard Strauß Gruß an Prag. Polka française, op. 144
Die Metropolitan Opera streamt heute Abend Laurent Pellys Inszenierung von Jules Massenets zauberhafter Aschenputtel-Oper Cendrillon in die internationalen Kinosäle. Zu erleben sind Isabel Leonard, Jessica Pratt, Stephanie Blythe, Emily D’Angelo und Laurent Naouri unter der Leitung von Emmanuel Villaume.
Schon frühmorgens umflattert uns die Silvester-»Fledermaus«, allerdings nicht ganz von Johann Strauß; oder beinah gar nicht. Denn ORF III sendet (9.05 Uhr) den legendären »Fledermaus«-Film Géza von Cziffras, bei dem schon die ersten Sekunden des Vorspanns keine Zweifel aufkommen lassen, daß hier keine Operette von anno 1874 zu erleben sein wird, sondern Unterhaltungs-Theater der Fünfzigerjahre, im entsprechend saxophongeschwängerten Tanzorchester-Sound. Freilich: Das ist Unterhaltungskultur eigenen Rechts. Wer vorurteilslos zuschaut und zuhört, wird zugeben müssen, daß die Schauspielerriege ihre Kunst versteht, von Peter Alexander (als Gabriel von Eisenstein) bis Boy Gobert (als Prinz Orlofsky). Ganz zu schweigen vom Frosch des Hans Moser, der alte wienerische Spielkultur zu spätem Film-Leben erweckt. So wurde sie wenigstens filetweise konserviert . . .
Wienerische Tanzmusik zum Jahreswechsel, das pflegt man in halb Europa. Für den Silvester-Nachmittag in Berlin hat sich Kirill Petrenko etwas Besonderes einfallen lassen, ist aber krank geworden. Nun leitet Lahav Shani das etwas abgeänderte Programm, in dem wienerische Dreivierteltakt-Freuden einmal anders serviert werden sollten. Einiges ist geblieben von den Walzerklängen, an die man nicht zuallererst denkt, wenn es um die wienerische Musiziertradition geht, die aber doch eng mit dieser Tradition verflochten sind: Musik von Erich W. Korngold, Fritz Kreisler und Maurice Ravel, dessen Tondichtung »La Valse« tatsächlich die Apotheose eines Wiener Walzers als Tanz auf dem Vulkan darstellt, ursprünglich »Wien« heißen sollte, dann aber wegen des Ersten Weltkriegs nicht nach einer »feindlichen« Stadt benannt werden konnte…
Ausgefallen sind leider die Fragmente aus Richard Srauss‘ Wiener Ballett »Schlagobers«. Wie wir Petrenko kennen, wird er die seltene Begegnung bei Gelegenheit nachholen.
Zwischendrin spielt Janine Jansen jedenfalls Bruchs G-Moll-Konzert. Via Digital Concert Hall kann alle Welt live dabei sein.
Musikfreunde, die dann schon in Feier- und Streaminglaune sind können nach dem Konzert virtuell nach Wien wechseln, wo wie alle Jahre die echte Operetten-»Fledermaus« durch die Staatsoper schwirrt. Heuer feiert Langzeit-Frosch Peter Simonischek ein persönliches Jubiläum. Er spielt die Partie seit zehn Jahren. Bertrand de Billy steht nach längerer Abwesenheit wieder am Dirigentenpult.
Die Staatsoper zeigt die Aufführung der legendären Otto-Schenk-Produktion auf ihrer Streaming-Plattform. So kann man heute live dabei sein. Andreas Schager gibt den Eisenstein an der Seite von Rachel Willis-Sørensen sowie altbekannten und neuen Wiener Ensemble-Mitgliedern, Wolfgang Bankl, Clemens Unterreiner und Vera-Lotte Boecker.
Freunde des Belcea Quartetts könnten heute via BBC-Stream einen Livemitschnitt vom Mozart-Festival in Bath hören, wo die Belceas heuer unter anderem das c-Moll-Streichquartett von Johannes Brahms aufgeführt haben. Der Livemitschnitt wird heute auf BBC um 13 Uhr (englischer Zeit) gesendet. Via Stream ist man auch diesseits des Ärmelkanals dabei (um 14 Uhr MEZ).
Vorab steht Musik von Schostakowitsch und Debussy auf dem Programm. Das Brahms-Quartett kommt also gegen 14.25 an die Reihe.
Einen Livemitschnitt für Connaisseurs bietet der Deutschlandfunk heute ab 20.30 Uhr: David Oistrach war 1955 Solist in einem Konzert der Staatskapelle Berlin unter Franz Konwitschny: auf dem Programm unter anderem Beethovens F-Dur-Romanze und Johannes Brahms‘ Violinkonzert.