Bernd Bienert und sein Teatro Barocco bringen unbekannte Preziosen aus der Barockzeit auf die Musiktheaterbühne.
Für Opernkenner gehören die Premieren des Teatro Barocco von Bernd Roger Bienert längst zu den Fixpunkten im Aufführungskalender. Für diesmal gibt es am 20. August in der Burg Perchtoldsdorf und am 2. September im Schönbrunner Schlosstheater einen Einblick in die musiktheatralischen Welten der Mozart-Zeit. Für Musikfreunde im 21. Jahrhundert scheint es ja keinen Zweifel zu geben, wer der führende Meister jener gewesen ist – nicht nur in Sachen Oper.
Im Wiener Musikleben hat Wladimir Fedosejew seit den frühen Neunzigerjahren eine Sonderstellung. Dass er zehn Jahre lang an der Spitze der Wiener Symphoniker stand und dem Orchester einen künstlerischen Höhenflug bescherte, kam nicht von ungefähr: Das Publikum hatte ihn seit seinen frühen Gastspielen mit dem Symphonieorchester des Moskauer Rundfunks als einen der leidenschaftlichsten und eigenwilligsten Interpreten vor allem romantischer Musik ins Herz geschlossen.
Wagner-Festspiele 2022. Die Eröffnungspremiere, „Tristan und Isolde“, in den Augen eines Besuchers im Festspielhaus und in den Ohren des radiohörenden Musikkritikers.
Eine Rezension von Veit Welsch und Wilhelm Sinkovicz
Erstmals seit dem Eröffnungsjahr 1951 präsentierten die Wagner-Festspiele neben einer Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ eine weitere Premiere: Angesichts von Ausfällen und Notbetrieb in den Pandemiejahren setzte Intendantin und Komponisten-Urenkelin Katharina Wagner zu einer Kraftanstrengung an und eröffnete die Festspiele mit der kurzfristig anberaumten Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“.
Die Seuche machte aber auch der aktuellen Planung einen Strich durch die Rechnung: Pietari Inkinen, der den „Ring“ dirigieren sollte, erkrankte so schwer, dass Cornelius Meister die Aufgabe übernehmen musste. Der ehemalige Chefdirigent des ORF-Orchesters war eigentlich für den „Tristan“ vorgesehen, den nun sozusagen fliegend der Linzer Generalmusikdirektor Markus Poschner übernahm.
Es war nicht zuletzt Poschners Verdienst, dass das riskante Experiment gelang. Eine Bayreuther Premiere ohne einen einzigen Buhruf hat man lang nicht mehr erlebt. Erstaunlicherweise ist es dem Regisseur Roland Schwab gelungen, die Traditionalisten unter den Wagnerianern nicht zu provozieren, aber auch jene bei Laune zu halten, die von einer Festspielproduktion doch neue optische Erfahrungen verlangen.
Personenführung in Wagners Takt
Piero Vinciguerras Bühne arbeitet mit reduzierten, abstrahierenden Mitteln. Den Boden dominiert eine Scheibe, die in fesselndem Lichtdesign immer neue Räume suggeriert, die nach oben zu durch eine elliptische Öffnung den Blick auf den Sternenhimmel freigeben. Während des Abends wuchert die Pflanzenwelt ins ursprünglich karge Ambiente, ein Kinderpärchen erscheint zunächst auf der Szene, im Mittelakt in der höchsten Höhe, abgelöst am Ende durch ein alt gewordenes Ehepaar, das sich liebevoll die Hände reicht — die dezente, aber nie aus Wagners Takt fallende Personenführung lässt all diese Regiezutaten nie kitschig wirken. Sie harmonieren mit dem, was Text und Musik erzählen.
Und das wird an diesem beeindruckenden Bayreuther Abend doch gediegen gesungen und vorzüglich gespielt. Da ist der heute vermutlich konkurrenzlose Tristan des Stephen Gould, auf dem heuer die Hauptlast von Wagners tenoralen Heldentaten liegt: Er singt bis Ende August auch noch Siegfried und Tannhäuser — und besteht dank einer Mischung aus souveräner Stimmbeherrschung und nach wie vor beeindruckenden Kraftreserven glänzend. Auch in den Fiebermonologen findet er noch Möglichkeiten zu differenziertem Gesang, im Liebesduett führt er seiner Isolde, Catherine Foster, vor, wie man dem Ansturm des Orchesters ohne zu forcieren standhält und sogar kultivierte Pianobögen bis zum Ende langer Atemzüge phrasieren kann.
Foster, imposant in den Aufwallungen der gekränkten Königstochter im ersten Aufzug, immerhin noch achtbar im Duett, beschädigte ihre Leistung mit einem allzu farblosen, angestrengten Finale dann aber empfindlich. Ihre treu sorgende Brangäne, Ekaterina Gubanova, hingegen beeindruckt durch sattes Timbre ebenso wie durch die von den Kollegen weitaus nachlässiger behandelte Artikulation, mit der lediglich die tiefen Stimmen mithalten können, der sympathisch-handfeste Kurwenal von Markus Eiche, und vor allem Georg Zeppenfelds Marke, der eine Klasse für sich ist: Mit rundem, in allen Lagen tonschönem Bass macht er die oft langatmig wirkende Klage des betrogenen Königs zum Ereignis.
Dirigentische Meisterleistung
Was an diesem von Wagner ausdrücklich als „Handlung in drei Aufzügen“ bezeichneten Stück dramatisch ist, dankt man der Musik. Und hier führt in dieser Produktion der Einspringer Markus Poschner Regie — und zwar auf eine Weise, mit der er sich an diesem 25. Juli 2022 in die erste Reihe der Dirigenten unserer Zeit dirigiert haben dürfte. Einer Anlaufphase, in der die notorischen Tücken der Bayreuther Akustik rasch ausbalanciert schienen, folgte ein Hörerlebnis, das Poschners Kunst der kontrapunktischen Linienführung zum Aufbau staunenswert stringenter, dabei klanglich hoch differenzierter Steigerungswellen nutzte.
Die orchestrale Gangart schien nicht nur im Haus, sondern auch via Rundfunkübertragung über weite Strecken für Wagner’sche Verhältnisse geradezu luftig leicht, sängerfreundlich. Manche Einwürfe in den ersten Dialogen nahmen sich aus wie Abkömmlinge italienischer Secco-Rezitative. Umso intensiver empfand man die emotionalen Verdichtungen, wenn sich die Nervenstränge der Seelenklänge ineinander verwoben. Das war nicht nur für ein Bayreuther Debüt bemerkenswert, das gehört schon zu den bedeutenden Dirigentenleistungen der jüngeren Festspielgeschichte — und wird vermutlich nicht ohne Folgen bleiben . . .
Diese Übertragung hat sich der ORF für einen Feiertag aufgehoben: Christian Thielemann dirigierte seine Staatskapelle Dresden im Wiener Musikverein und dirigierte nebst Mendelssohns »Schottischer Symphonie« die prachtvolle »Lyrische Symphonie« aus dem Jahr 1923 von Alexander von Zemlinsky. Nach dem Vorbild von Mahlers »Lied von der Erde« als Liederzyklus für zwei Singstimmen und großes Orchester angelegt, wurde dieses Werk zu einem glühend leidenschaftlichen Abgesang auf die musikalische Romantik.
Die Solisten: Julia Kleiter und (im letzten Moment eingesprungen!) Adrian Eröd.
In Bad Tölz hat der Bayerische Rundfunk im Jänner einen Abend des Jerusalem Quartet aufgezeichnet, in dem das Ensemble Werke von Schostakowitsch und Beethoven miteinander konfrontiert hat:
Schostakowitsch: Streichquartett c-Moll, op. 110
Beethoven: Streichquartett Es-Dur, op. 127
Beides sind Späterwerke von höchst intimem Gehalt.
Im Gläsernen Saal hat der ORF einen spannend programmierten Kammermusik-Abend aufgezeichnet.
Das 2016 gegründete Javus Quartett, gebildet aus Studenten der Wiener Musik-Universität und Freunde musizierten Werke von Bach, Brahms und nach der Pause das selten gespielte, groß angelegte Klavierquintett in C-Dur von Hans Pfitzner. Der Richard-Strauss-Zeitgenosse führt ein Schattendasein in den Konzertprogrammen, galt zu seiner Zeit aber als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten, der – wie Strauss – die Spätromantik in die »modernen« Zeiten herübergerettet hat. Originell sind immer wieder Pfitzners architektonische Konzepte, mit denen er die klassischen Formen neu belebt.
Die Spielpläne der drei Wiener Opernhäuser für die kommende Saison liegen nun vor. Diesmal hat man besonders gespannt darauf gewartet.
Sowohl in der Volksoper als auch im Theater an der Wien brechen neue Zeiten an. So war man gespannt auf die ersten Spielpläne der künftigen Intendanten. Wobei die Richtung im Falle des künftigen Prinzipals an der Wien, Stefan Herheim, kaum falsch sein kann. Der international berühmte Regisseur steht für fantasievolle, innovative optische Konzepte. Diese stehen dem „dritten“ Haus, das experimentellen Spielformen offen stehen sollte, wohl an. Dass gar nicht „an der Wien“ gespielt wird, weil renoviert werden muss, tut nichts zur Sache. Wien signalisiert, dass es weiß, was ringsum in der Welt in Sachen Oper diskutiert wird.
Die Stadt sollte allerdings auch ihrer großen Spieltradition gerecht werden, die auf den Grundfesten des Ensembletheaters errichtet wurde. Dafür müssten die beiden Bundestheater einstehen und gemeinsam ein möglichst breites Repertoirespektrum spielbereit halten. Das war stets eines der Asse im Ärmel der Welthauptstadt der Musik, dass unsere Gäste hier ein bunteres, vielgestaltigeres Opernleben vorfanden als irgendwo anders.
Die Ensembles der beiden Häuser garantierten, dass die wienerische Spieltradition von Wagner und Richard Strauss bis zu Spieloper und Operette stimmig fortgeführt wurde. Im Haus am Ring konnten die Gastspiele der berühmtesten Sänger-Stars diesem reichen Opernleben immer wieder glanzvolle Lichter aufsetzen.
Diese Star-Gastspiele sind im Übrigen das, worauf man sich nach wie vor freuen kann. Nennen Sie Ihren Favoritennamen, er findet sich mit ziemlicher Sicherheit 2022/23 wieder.
Was die Reichhaltigkeit des Repertoires anlangt, sind die Zeiten hingegen mager geworden. Nicht zuletzt die Reduktionspolitik Robert Meyers am Gürtel hat dazu entscheidend beigetragen. Dass seine Nachfolgerin zumindest eine klassische Spieloper neu inszenieren lässt, mag ein Signal in die richtige Richtung sein. An der Verarmung des Gesamtangebots ändert es nichts. Die Volksoper spielt viel zu wenige Stücke und müsste schleunigst ein Ensemble wieder aufbauen, das imstande ist, eine breitere Repertoirepalette stimmig zu servieren.
Ob das geplant ist, ob es gelingen kann, steht in den Sternen. Es wäre die Aufgabe der Bundestheater-Holding und der Kulturpolitik, das zu kontrollieren und zu lenken – und zwar auch im Hinblick auf die Zukunft der Staatsoper. Die Frage, für welche Neuproduktionen man das Steuergeld verwendet, stellt sich dringend.
Bis dato hat Direktor Bogdan Roscic fast ausschließlich zentrale Stücke des Repertoires durch (teils nur für Wien) neue Produktionen ersetzt, die in fast allen Fällen Verschlechterungen darstellen – Verschlechterungen, wohlgemerkt, für Opernfreunde, die Stücke gern mit deren Libretto identifizieren möchten. Das ist auch eine pädagogische Frage. Staatlich subventionierte Opernhäuser sollen ja auch jungen Interessenten ermöglichen, die Meisterwerke des Genres kennen und lieben zu lernen.
Was zuletzt von der „Entführung aus dem Serail“ über den „Barbier von Sevilla“ bis zu „Tristan und Isolde“ oder „Wozzeck“ zu erleben war, entfernt sich aber nicht nur in den Augen jener Musikfreunde, die nach Premieren (und mittlerweile sogar bei Generalproben) ihrem Unmut Luft machen, weit von diesem Ideal. Geht man davon aus, dass es künftig an der Wien ein Haus fürs experimentelle Musiktheater gibt, dann muss man schon sagen dürfen, dass es wenig bringt, wenn Jonas Kaufmann an der Staatsoper den Parsifal singt, man drum herum aber nicht erkennen kann, welches Stück gerade gespielt wird. Und nur auf Letzteres hat man eine jahrzehntelange Garantie, denn Kaufmann singt weiterhin nicht oft in Wien. Und „Parsifal“ kann man nicht alle zwei Jahre neu inszenieren . . .
Christian Thielemann, viel zu seltener Gast in Wien, erteilte im Verein mit Camilla Nylund bei Richard Strauss und Bruckner eine Lehrstunde in edler Klangkultur.
Natürlich sind die Philharmoniker einzigartig. Man weiß es. Man vergisst es auch über zahlreichen Konzerten und Opernabenden nicht, bei denen die Musiker eher Dienst nach Vorschrift machen...
Dei Streamingplattform myfidelio ermöglicht es uns heute, live im Musikverein dabei zu sein, wenn Christian Thielemann seinen Bruckner-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern fortsetzt. Heute ab 11 Uhr gibt es zunächst einmal die »Vier letzten Lieder« von Richard Strauss mit der Solistin Camilla Nylund, danach Bruckners selten gespielte Sechste Symphonie, die ein Dornröschendasein führt, obwohl ihr Adagio bereits zu den großen langsamen Sätzen des späten Bruckher gehört, Musik, die den entsprechenden Sätzen der Siebenten, Achten und Neunten in nichts nachsteht.
Italien hat nicht nur eine eminente Operntradition, sondern liebt traditionsgemäß auch die engagierten Musiktheaterversuche von Kurt Weill und Bert Brecht. So spielt Parma »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« in einer Produktion von Henning Brockhaus, die ihre optischen Anregungen von Edward Hopper bezieht. Spannend jedenfalls. Die Streamingplattform OperaVision läßt uns ab 20 Uhr live dabei sein.