Alle Beiträge von sinkothekar

Kurt Boehme

1908 - 1969
Mehr als 500 Mal hat Kurt Boehme den Ochs auf Lerchenau in Richard Strauss' Rosenkavalier gesungen. Die Aufnahme unter Karl Böhms Leitung hält seine minutiöse Rollengestaltung für die Nachwelt fest. Ein Baß von solcher stimmlicher Raffinesse, der über die subtilsten Ausdrucksnuancen gebot, war rar - und wie geschaffen für die vielfach differenzierten Interpretations-Angaben, mit den Strauss seine Partitur gespickt hat. Nie war Boehme auf der Bühne ein polternder, ein »typischer« Baß. Bei Mozart, Weber, Wagner schuf er fein schattierte Charakterportraits. Neben dem Ochs, der tatsächlich seine Leib- und Magenpaertie war, beherrschte er noch 110 anderen Gesangspartien, darunter zahllose kleinere, deren Rangfolge vom Lord bis zum Kammerdiener, vom Priester bis zum Teufel reichte.

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Juliane BANSE

DIE SORPANISTIN IM GESPRÄCH ANNO 2007

Abschied von den kleinen Mädeln

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Juliane Banse über ihre Opernleidenschaft, Babypausen, geschützte Werkstätten und eine Haydn-Premiere unter Nikolaus Harnoncourt.

»Meist gibt es bei der Arbeit an solchen Produktionen irgendwo einen Wermutstropfen. Diesmal nicht« Juliane Banse gerät ins Schwärmen, wenn sie über die Probenarbeit an Haydns Orlando Paladino berichtet. Die Premiere von Keith Warners Inszenierung findet am Samstag im Theater an der Wien statt.
Nikolaus Harnoncourt dirigiert, »seine Energie ist ungebrochenq, sagt Juliane Banse, »er tigert sich in gewohnter Manier rein. Und die Inszenierung ist richtig gut, genau richtig für so eine Oper, mit ein bisschen Augenzwinkern, nicht eins zu eins barock, heutig und trotzdem nicht gegen das Stück.«

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Nézet-Séguin in der Höhle des Löwen

Der nächste Wiener Neujahrsdirigent präsentiert sich in einem Abonnementkonzert der Philharmoniker im Musikverein mit einem anderen – nämlich mit Richard Strauss.

Was von Yannick Nézet-Séguin zu halten sei, fragen einander Wiener Musikfreunde seit dem 1. Jänner, als bekannt wurde, daß der Kanadier das Neujahrskonzert 2026 leiten würde. Wer ist das?, heißt es des öfteren fragend. Dabei hat der Chefdirigent der New Yorker Metropolitan Opera schon einige Repertoireaufführungen an der Staatsoper dirigiert und das Wiener Orchester also auch in seinem »Hauptberuf« bereits kennengelernt.

Wie er sich mit der Wiener Klangkultur tut, erfährt man an diesem Wochenende, wenn Nézet ein Philharmonisches dirigiert. Immerhin steht da Beethoven auf dem Programm – das Dritte Klavierkonzert mit Yefim Bronfman – aber auch ein Strauss, wenn auch der Münchner Richard mit seinem ausladenden Tongemälde »Ein Heldenleben«.

Ö1 überträgt, wie gewohnt, live am Sonntag um 11 Uhr. Und Neugierige können sich über Strauss-Tondichtung vorab natürlich in der SINKOTHEK informieren – oder eine Referenzaufnahme zur Einstimmung »vorhören«:

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Erinnerungen an Sofia Gubaidulina

SOFIA GUBAIDULINA (1931-2025)

Die Dissidentin, die in Tönen sprach

Als Ideal betrachte ich ein solches Verhältnis zur Tradition und zu neuen Kompositionsmitteln, bei dem der Künstler alle Mittel – sowohl neue als auch traditionelle – beherrscht, aber so, als schenke er weder den einen noch den anderen Beachtung.

Zwischen allen Stühlen, über alle Mittel gebietend, aber nur ihrer eigenen inneren, formenden Stimme folgend, komponierte Sofia Gubaidulina. Sie gehörte keiner Richtung, keinem Clan, keinem »Ismus«. Sie war Sofia Gubaidulina. Und da ihre Musik prominente Fürsprecher gefunden hatte, konnte sich die Welt davon überzeugen, daß diese Komponisten etwas zu sagen hatte.
Sie stammte aus Tatarstan, war die Enkelin eines islamischen Imams und studierte in Kasan, dann in Moskau Klavier, bald auch Komposition. Es gelang ihr, allen Anfeindungen zum Trotz - sie hatte sich dem staatlich verordneten Atheismus zum Trotz unter dem Einfluß der Pianistin Maria Yudina zur Orthodoxie bekannt - ab 1963 ausschließlich ihrer schöpferischen Arbeit zu leben.

Zu ihren Inspirationsquellen gehören nicht nur die großen Werke der Vergangenheit, sondern auch die Klangmöglichkeiten, die sich ihr beim Improvisieren auf Instrumenten der Volksmusik unterschiedlicher Regionen der ehemaligen Sowjetunion erschlossen. Obwohl sich von Anfang an viele Musiker fanden, die Gubaidulinas Musik in ihrer Originalität schätzten, wurde sie von den strengen Kunstrichtern des kommunistischen Systems des öfteren mit Aufführungsverboten belegt. Der Weg, den die junge Komponisten eingeschlagen hatte, war in den Augen der sowjetischen Zensur schlicht und einfach »falsch«.

Niemand Geringerer als Dmitri Schostakowitsch ermunterte die offenkundig talentierte junge Kollegin, in ihrem – für das offizielle Kulturbeobachtertum höchst irritierenden, subjektiven – Stil weiterzukomponieren, obwohl die kommunistischen Behörden sie sogleich maßregelten, als klar wurde: Diese Frau schrieb Musik, die weit vom »volksverbundenen« sozialistischen Realismus abwich.

Seien Sie Sie selbst. Haben Sie keine Angst, Sie selbst zu sein. Ich wünsche Ihnen, daß Sie auf ihrem eigenen »falschen Weg« weitergehen mögen.

JENSEITS DES »SOZIALISTISCHEN REALISMUS«

1931-2025

Gubaidulina pflegte ihren ganz persönlichen Kontakt zu den Wurzeln der vielfältigen Volksmusik der Menschen, die im sowjetischen System unter ein einheitliches Joch gezwungen wurden, improvisierte mit Gleichgesinnten auf Volksinstrumenten und erkundete die freie, weite, unendlich reiche Welt der Klänge. Sie beflügelten ihre Fantasie ebenso wie die spirituellen Erfahrungen, die sie als sensible Grenzgängerin zwischen den Religionen machen konnte: Eines Tages ließ sich die Enkelin eines islamischen Gelehrten taufen – die große Pianistin Maria Judina war ihre Patin, eine starke Frau auch sie, die Stalin zu trotzen wagte, ohne daß der Diktator aufhörte, sie als Künstlerin zu verehren…

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Das Wiener Opernleben – alles in Butter?

APERÇU

Es sieht hie und da aus, als liefe in der Musikstadt alles nach Plan. Ein Blick auf die Spielpläne der drei Opernhäuser suggeriert, Wien sei nach wie vor ein Musiktheater-Mekka mit breit gestreutem Repertoire. Einheimischen drängen sich aber ein paar Fragen auf.
März 2025

Raritäten an der Wien, Operette in der Volksoper, große Oper an der ...

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»Novität« von Maurice Ravel: »Sémiramis« – 2025 uraufgeführt!

APERÇU

Rechtzeitig zum 150. Geburtstag lancierte die Pariser Bibliothèque nationale eine kleine Sensation zum Ravel-Jahr: In der Sammlung findet sich das Originalmanuskript eines Werks namens »Prélude et Danse – Sémiramis«. Zum runden Geburtstag des Komponisten erlebte das Werk im März 2025 seine öffentliche Erstaufführung – gespielt vom New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Gustavo Dudamel.

Titel in Ravels Handschrift

Von dieser Komposition wußte die Ravel-Forschung bisher nur aus einem einzigen knappen Tagebucheintrag des Pianisten Ricardo Vines, der am 7. April 1902 notierte: Vormittags bei der Aufführung von »Sémiramis« von Ravel. »Prélude et Danse« wurden also gespielt, allerdings konnte es an diesem Tag in Paris keine öffentliche Matinée geben, denn der 7. April war ein Montag. Des Rätsels Lösung: Es handelte sich um eine Studentenaufführung des Orchester des Pariser Konservatoriums, an dem der damals bereits 27-jährige Ravel nach wie vor studierte.

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Der alte »Barbier von Sevilla« der Staatsoper ist wieder da!

UNGEPLANTE WIEDERAUFNAHME EINER MEISTERLICHEN INSZENIERUNG – DERGLEICHEN FUNKTIONIERT ÜBER NACHT!

APERÇU

Wegen interner Probleme mußte die Wiener Staatsoper am Dienstag kurzerhand Günther Rennerts klassische Inszenierung von Rossinis »Barbier von Sevilla« wieder aufnehmen. Gottlob lagen die Kulissen und Kostüme noch im Depot! Sonst wäre an diesem Abend vermutlich »geschlossen« auf dem Programm gestanden. Was auch immer die wahren Gründe für diesen »Unfall« gewesen sein mögen: Das Publikum erlebte das Stück, das auf dem Theaterzettel avisiert war – das ist heute längst keine Selbstverständlichkeit mehr.

Als wäre immer alles in Ordnung gewesen im wienerischen Opern-Sevilla: Maria Kataeva (Rosina), Paolo Bordogna (Bartolo), Sebastian Wendelin (Ambrogio) im alten »Barbier«-Set von 1966

Und es weckt Begehrlichkeiten nach der Rückkehr alter, liebgewordener Regie-Arbeiten. Das mußte Bogdan Roščić erfahren, als er vor den Vorhang trat, um die Abänderung mitzuteilen.

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Asmik Grigorians erste Norma

De Tommasi, Akhmetshina, Grigorian – untaugliche Optik, aber von den Damen phänomenal gesngen! (Theater an der Wien: Monika Rittershaus)

Die Künstlerin feierte trotz Indisposition ein glänzendes Rollendebüt im Theater an der Wien. Die Inszenierung ist, wie heute leider immer zu erwarten, völlig untauglich und verzwergt eine Oper, die vokal zu einem veritablen Schicksals-Drama wurde … auch weil mit Aigul Akhmetshina eine junge Gegenspielerin für die Grigorian gefunden wurde, die aufhorchen ließ.

Im Normalfall könnte an dieser Stelle keine Rezension der jüngsten Premiere im Theater an der Wien erscheinen: Wenn der Intendant des Hauses vor einer Aufführung von Bellinis »Norma« erscheint, um dem Publikum mitzuteilen, die Darstellerin der Titelpartie sei – wie alle Kollegen auch – während der Probenarbeit von einer fiebrigen Erkrankung befallen worden und noch nicht ganz genesen, dann ist der Abend für den kritischen Betrachter erledigt. »Norma« ohne Norma ist wie »Carmen« ohne Carmen. Aber für diesmal war das Rollendebüt von Asmik Grigorian angekündigt. Also war alles anders: Die Sängerin entpuppte sich trotz Indisposition als grandiose Interpretin einer als grenzwertig schwierig geltenden Partie. Und sie mußte den Abend nicht einmal allein tragen: In Aigul Akhmetshina fand sie eine Gegenspielerin, die eine der sattesten Mezzostimmen unserer Zeit hören ließ – und in den Duetten zu beeindruckender Form auflief.
Also doch ein Bericht über „Norma“ und die Tatsache, daß sich der Besuch im Haus an der Wien lohnt, auch wenn wieder einmal keine Rede davon sein kann, daß das angekündigte Werk auf der Bühne auch zu sehen ist. Dem steht die szenische Verzwergung der psychologischen Schicksalsverknotungen durch Vasily Barkhatov entgegen. Aber davon in gebotener Kürze zuletzt.
Zuerst einmal: Der Gesang sorgte an diesem Abend dafür, daß die ersten beiden Silben des Wortes Musiktheater endlich zu ihrem Recht kamen.

 

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