Versuch über Bach

Wasser, Brot und Schreibzeug dazu

Wie muß das gewesen sein in der Leipziger Kirche, wenn die Menschen überrumpelt wurden von einer Musik, die so weit über das Gewohnte hinaus in unbegangene Gefilde vordrang?

Feuilletonistischer Versuch zum 250. Todestag

Renitent” sei er gewesen, so lautete die Anschuldigung.
Also warf man Johann Sebastian Bach ins Gefängnis. Immer wieder ist behauptet worden, er sei der universellste Meister der Musikgeschichte gewesen.

Jedenfalls hat er auch die Tiefen menschlicher Existenz kennengelernt.

„Mit angezeigter Ungnade” hat ihn Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar dann freigegeben. Wahrscheinlich deshalb, weil der widerspenstige Musicus längst von Leopold von Anhalt-Köthen als Hofkapellmeister engagiert war.
Am 10. Dezember war der Geburtstag dieses Fürsten zu feiern, da hatte der neue Komponist anzutreten. Da die Regenten von Weimar und Köthen befreundet waren, mußte Gnade vor Recht ergehen. „Mit angezeigter Ungnade” öffneten sich also für Johann Sebastian Bach am 2. Dezember nach wochenlanger Haft die Kerkertüren.

Musik im Gefängnis

Er war in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen.
Man hatte ihn nicht bei Wasser und Brot darben lassen, sondern ihm zumindest Schreibzeug zur Verfügung gestellt, auf daß er hinter Schloß und Riegel seiner Beschäftigung nachgehen konnte. Die da war: das „Wohltemperierte Klavier” zu schreiben.
Einen Teil davon.

Tatsächlich scheinen einige der Präludien und Fugen aus dem ersten Band dieses „Alten Testaments der Klavierliteratur” (Hans von Bülow) in der Haft entstanden zu sein. Ein eigenartiger Ort der Inspiration für so vielgestaltige, ebenso elegante wie konstruktiv ungemein verdichtete Musik.
Wie auch immer. Die Zeit der verordneten „Muße” war vorbei. Zwischen 2. und 10. Dezember galt es, die Geburtstagskantate für den neuen Dienstgeber fertigzustellen.
Das wiederum war für den schnellen Bach kein Problem.
Er arbeitete jahrzehntelang nach dem Motto „Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger”.

 

DAS SINKOTHEK-ABONNEMENT

ZUM WEITERLESEN, BITTE ANMELDEN