Sibelius Symphonie II

Jean Sibelius Symphonie Nr. 2 D-Dur

»Ein Sündenbekenntnis der Seele«

Sibelius über seine Zweite

  • I. Allegrettoo
  • II. Tempo Andante ma moderato
  • III. Vivacissimo – attacca:
  • IV.Finale. Allegro moderato

Die Zweite ist vielleicht die meistgespielte unter Sibelius‘ Symphonien und jedenfalls jenes Werk der Siebenergruppe. das von der Aufführungstradition am meisten in Richtung romantische Symphonik gebügelt wurde – wohl unter Preisgabe vieler Vorschriften der Partitur, die Sibelius eher als Parteigänger eines neuen, herberen, durchaus persönlichen Stils zeigen. Als Zeuge dafür können wir den Sibelius-Zeitgenossen und -Intimus Georg Schnéevoigt (1872-1947) heranziehen, der anläßlich eines Gastspiels bei Arturo Toscaninis amerikanischem NBC-Orchester eine Aufführung der Zweiten dirigiert hat, die als klare Antithese zu späteren, weichgespülten,

am satten Filmmusik-Klang orientierten Interpretationen gelten darf, etwa Leonard Bernsteins viel gepriesene Live-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern, die bei Deutsche Grammophon erschienen ist und als idealtypisches Beispiel für eine Sibelius-Interpretation im ausgehenden XX. Jahrhundert gelten kann. Die meisten Wiedergaben dieser Musik unter Dirigenten von Rattle bis Jansons klingen ähnlich, erreichen aber selten Bernsteins Dramatik und eminente, üppige Klangschönheit.

DIE REFERENZ

Sibelius‘ Anwalt Schnéevoigt hat die Partitur ein halbes Jahrhundert früher – noch zu Sibelius‘ Lebzeiten – ganz anders gelesen: schärfer geschnitten, von klar trennendem statt impressionistisch verschmelzendem Farb-Auftrag, von jähen Kontrastwirkungen geprägt und in den Steigerung heißblütig vorangetrieben: Mehr als einmal hört man den Dirigenten sogar mitsingen und die Musiker zu äußerster Intensität antreiben. In der akustischen Restaurierung durch Andrew Rose auf dem Label Pristine ist das ein aufschlußreiches – und das Alter des Livemitschnitts vergessen machendes Hörerlebnis, das unser Bild von Jean Sibelius zurechtrücken kann: Das ist Musik eines Zeitgenossen der musikalischen Moderne. Hier herrscht Brisanz, kein wohliger Klangnebel. Die scheinbare Idylle des Symphoniebeginns, die spätere Dirigenten weit ins Werk hineinzutragen versuchen, ist trügerisch, wird in Wahrheit bald unterminiert und es dauert bis ins Finale, daß sie sich ungestört manifestieren kann.

  1. I. Allegretto NBC Orchester - Georg Schnéevoigt
  2. II. Tempo andante, ma rubato NBC Orchester - Georg Schnéevoigt
  3. III. Vivacissimo - IV. Allegro moderato NBC Orchester - Georg Schnéevoigt

Eine exzellente Alternative aus der Stereo-Ära: Pierre Monteux hat als einziges Werk des großen Finnen diese Symphonie im Repertoire gehabt – seine Aufnahme mit London Symphony ist bestechend in ihrer Deutlichkeit und Durchhörbarkeit. Zwar bieten die Musik den nötigen romantischen Überschwang und die Leuchtkraft des Klangs, die nötig sind, um den Stimmungsgehalt der Musik zu treffen, aber sie realisieren das Stimmengeflecht mit in diesem Repertoire ungewohnter analytischer Klarheit. Die Kombination ist bestechend – und ziemlich einmalig in der Aufnahmegeschichte dieser Symphonie.