Zwischentöne

Die feinen Härchen am Pelzkragen der Robe von Maria Callas

An der Mailänder Scala gibt es derzeit ebenso wie in Wien keine Opernaufführungen. Aber im Netz sind beide Häuser präsenter denn je.

Das wird bestimmt auch in den Jahren nach dem Coronastopp eine virtuelle Anlaufstelle für Opernfreunde bleiben: Die Mailänder Scala hat eben eine Vereinbarung mit Google Arts & Culture geschlossen, damit ihre unschätzbar reiche Sammlung an Fotografien für die Welt sichtbar wird.

Für dieses, der ganzen Welt offene, Scala-Museum, abrufbar per Mausklick über die Website des Hauses, hat man mit modernsten Mitteln 259.000 Bilder aus dem Archiv digitalisiert. Sie stehen künftig in höchstmöglicher Auflösung im Internet.

So wird die Geschichte eines der drei oder vier bedeutendsten Opernhäuser der Welt lebendig, das anders als die große Konkurrentin, unsere Staatsoper, immer wieder wichtige Uraufführungen herausgebracht hat.

Zu sehen sind Bühnenbilder, Kostüme, Dokumentationen von legendären Auftritten – etwa vom Konkurrenzkampf zwischen Diven vom Format einer Maria Callas und einer Renata Tebaldi. Außerdem wichtige Manuskripte, die sich im Archiv erhalten haben, beispielsweise das Libretto, das Verdi bei der Komposition seines „Nabucco“ als Vorlage auf dem Schreibtisch vor sich liegen gehabt hat.

So lässt sich nun beispielsweise die Arbeit an einer Opernproduktion mit der großen Callas von der Anprobe mit dem Kostümbildner bis hin zur Archivierung der Roben nach Ende der Stagione studieren. Die hochauflösenden Fotografien ermöglichen Einblicke bis hin zu den einzelnen Härchen am Pelzbesatz.

Google hat für die Abbildungen eine „Art Camera“ mit einer Auflösung von bis zu zwölf Milliarden Pixel verwendet, wie sie für Fotografien von Gemälden verwendet wird.

„Street View“ ermöglicht es Opernkiebitzen überdies, die Handwerker der Scala bei der Arbeit an den Bühnenbildern zu beobachten.

Dominique Meyer, derzeit Intendant der beiden berühmtesten europäischen Opernhäuser, kann zwar weder in Wien noch in Mailand Vorstellungen ankündigen, aber er bringt sowohl die Staatsoper als auch die Scala in Krisenzeiten ihrem Publikum via Internet näher. Während die Scala nun ihre Museumspforten öffnet, schaltet die Streamingplattform www.staatsoperlive.com täglich eine Aufzeichnung aus den vergangenen Jahren frei. Heute, Montag, ist tagsüber noch der „Barbier von Sevilla“ mit Margarita Gritskova und Juan Diego Florez zu sehen, abends gibt es dann Nurejews „Schwanensee“ mit Vladimir Shishov und Olga Esina, morgen „Ariadne auf Naxos“ mit Soile Isokoski, Johan Botha und Daniela Fally unter Christian Thielemann.

Eine kleine Retourkutsche an Wiens Boulevardjournalistik, die zuletzt suggerierte, die jüngste Aufführungsgeschichte der Wiener Oper sei eine Art „Durststrecke“ gewesen . . .