Heinrich Ignaz Franz BIBER von BIBERN
1644 – 1704
Die wahrscheinlich originellste Persönlichkeit des österreichischen Barock. Geboren im böhmischen Wartenberg, wirkt Biber ab 1670 am Hofe des Fürsterzbischofs von Salzburg.
1679 Vizekapellmeister
1684 Kapellmeister und Truchseß
1690 vom Kaiser geadelt.
Biber orientiert sich an der italienischen Instrumentalmusik seiner Zeit und erweitert als Geiger die Spieltechnik für sein Instrument um Doppelgrifftechniken, führt das Spiel in damals ungekannt hohe Lagen. Außerdem kultiviert er die Skordatur (die Verwendung ungewohnter Stimmungen) als Mittel zur Erweiterung der Harmonik.
Besonders virtuos gehandhabt werden die innovativen Praktiken in den sieben Partiten der
Harmonia artificiosa-ariosa,
die 1693 in Nürnberg gedruckt wurden.
Programm-Musik
Bibers Musik steckt voll pittoresker klanglicher Anspielungen auf außermusikalische Eindrücke, Naturlaute, Sprachmelodik, Stimmungsmalerei.
So gibt es eine Serenade à 5 »mit dem Nachtwächterruf« (1673) oder die von Nikolaus Harnoncourt wieder aufgefundene → Battaglia mit handgreiflichen Schilderungen des Kauderwelschs im Heerlager, einer Schlachtenmusik und den armselig von dannen ziehenden verwundeten Kriegern.
Mysteriensonaten
Bibers instrumentales Hauptwerk sind jedenfalls die
16 Violinsonaten zur Verherrlichung von 15 Mysterien aus dem Leben Mariae (um 1675)
Sie gehören in gewisser Weise zur geistlichen Musik Bibers, die in ihren prunkvollsten liturgischen Ausprägungen, den für Festgottesdienste geschaffenen großen Messen, Vespern und Litaneien ihre Höhepunkte erreicht.
Die gewaltige 53-stimmige Missa Salisburgensis zur 1100-Jahr-Feier des Erzbistums Salzburg – man hat sie Autoren wie Orazio Benevoli oder Bibers Vorgänger → Andreas Hofer zugeschrieben – gilt mittlerweile sicher als Werk Bibers.
1682 stellt sie jenseits von Italien das beeindruckendste Beispiel musikalischer barocker Prachtentfaltung dar.
Aufgrund der reduzierten Theater-Praxis im Erzbistum Salzburg ist das Erbe an Opern aus Bibers Werkstatt weniger groß. Neben geistlichen Schuldramen findet sich → Chi la dura la vince (»Arminius«, 1687) als einziges Beispiel einer groß angelegten Biber-Oper, von der auch die Musik erhalten blieb. Außerdem Alessandro in Pietra (1689 – nur das Libretto erhalten) und L’ossequio di Salisburgo (1699).
Biographisches
Der Ruhm Bibers als virtuoser Geiger führte von einer Position als Kammerdiener und Hofmusikant des Fürstbischofs von Olmütz. An dessen Hof in Kremsier pflegte man vor allem die festliche Blasmusik, die zu Zeiten so berühmt war, daß sie zu Gastauftritten an benachbarte Fürstenhöfe ausgeliehen wurde.
In diesem Umfeld galt Biber als einer der exzellentesten Musiker seiner Zeit. Seine Künste als Geigenvirtuose waren bald legendär.
Es scheint daher wahrscheinlich, daß Biber den Verlockungen anderer möglicher Dienstherren erlag, um aus der unangenehmen Doppel-Position zu entkommen. Obwohl der Bischof Biber schätzte, beschäftigte er ihn doch gleichermaßen als Musiker und Lakai.
Daß der ranghöere Fürsterzbischof von Salzburg, der Primas Germaniae sich für den genialen Musiker interessierte, kam also gerade recht. Gegen dessen Avancen konnte der Bischof von Olmütz letztlich wenig ausrichten.
Bibers Flucht
So nutzte der Musiker die Gelegenheit einer Dienstreise zur Flucht. Er war nach Tirol zum Geigenbauer Jakobus Stainer geschickt worden, um Instrumente für die Olmützer Hofkapelle zu besorgen.
Salzburgs Fürsterzbischof Max Gandolph, ein barocker Regent mit Sinn für kulturelle Prachtentfaltung, nahm Biber in seine Obhut. Von 1670 an bis zu seinem Tod war der Komponist in Salzburg tätig. Zunächst noch als Vizekapellmeister seines Vorgesetzten Andreas Hofer.
Dessen Vorrangstellung erklärt wohl auch die viel diskutierte Frage, warum die offenkundige Autorschaft Bibers an der Missa Salisburgensis verschwiegen wurde. Hofer war noch im Amt, als das Werk 1682 zur 1100-Jahr-Feier des Erzbistums Salzburg erstmals erklang. Den strengen hierarchischen Regeln der Barockzeit hätte eine Namensnennung wohl widersprochen…
Aufnahmen
Zur Wiederentdeckung dieses originellen Geists der Barockmusik hat → Nikolaus Harnoncourt mit seinen Forschungsarbeiten für das Repertoire seines Concentus musicus in den frühen Jahren seines Wirkens unschäztbare Leistungen erbracht.