Herheims erster Spielplan

Stefan Herheim hat seinen ersten Spielplan vorgelegt: Der Stadt Wien ist es gelungen, einen der meistdiskutierten Regisseure zu gewinnen, die Intendanz des Theaters an der Wien zu übernehmen. Die Chance, die anstehende Generalrenovierung in den Jahren seit Vertragsunterzeichnung über die Bühne zu bringen, konnte man jedoch nicht nutzen. Also beginnt Herheims Direktionszeit mit Aufführungen im Ersatzquartier, der Halle E des Museumsquartiers.

Doch kann sich der Spielplan, den Herheim erarbeitet hat, sehen lassen. Ausgehend von der Wiener Musiktheatertradition entwickelte er einen vielgestaltigen Programmreigen, der klassische Titel, Raritäten und Novitäten vereint, viele neue Sänger- und Regisseurs-Namen in die Stadt holt und das Wiener Opernleben damit erfrischend bereichert.

Gleich am Beginn der festlichen „Eröffnungswochen“ steht am 3. Oktober die Premiere von Francesca Caccinis „Liberazione“ (Regie: Ilaria Lanzino, Dirigent: Clemens Flick), ein Stück frühester Operngeschichte aus der Feder einer Komposition, die, wie Herheim das frech formuliert, „Mitglied einer der ersten Girlgroups der Musikgeschichte“ war. Der Hausherr selbst inszeniert dann Janaceks „schlaues Füchslein“, das am 15. Oktober mit Mélissa Petit in der Titelpartie unter Giedrė Šlekytė herauskommt.

Antonino Fogliani steht am 16. November bei der Premiere von Rossinis „Diebischer Elster“ am Dirigentenpult, für die Inszenierung sorgt Tobias Kratzer. Am 3. Dezember folgt Vicente Martín y Solers „L’Arbore di Diana“ (Der Baum der Diana), das Werk eines direkten Konkurrenten Wolfgang Amadeus Mozarts im Wien des Jahres 1787. Lorenzo da Ponte hat damals für beide Komponisten die Libretti geschrieben. „Don Giovanni“ ist zur selben Zeit entstanden – und Mozart zitiert eine Melodie von Martín y Soler im Finale seiner Oper! Der „Baum der Diana“ kommt als Koproduktion mit Studenten der Kunstuni Graz und der Musik-Universität Wien unter Ruben Dubrovsky heraus. Veronica Cangemi singt die Diana.

Für die jüngsten Musikfreunde gedacht ist die Premiere von Gian Carlo Menottis „Amahl und die nächtlichen Besucher“, eine Weihnachtsoper, die zuletzt vor vielen Jahrzehnten an der Staatsoper als eine der frühesten Kinderopern-Versuche in der Stadt zu erleben war. Wer damals dabei war, kann nun möglicherweise schon seine Enkelkinder fürs Musiktheater begeistern.

Nikolaus Habjan und seine Puppen realisieren ab 16. Jänner eine Aufführungsserie von Offenbachs „La Perichole“ unter der Leitung von Jordan de Souza mit Anna Lucia Richter in der Titelpartie. Gesungen und gesprochen wird in deutscher Sprache. Am 14. Februar hat die Wiener Erstaufführung von Peter Eötvös’ „Der goldene Drache“ Premiere, inszenier von Jan Eßinger, driigiert von Walter Kobéra mit Musikern des Klangforum und Studenten der Musik-Unis Graz und Wien im Orchestergraben.

Christina Pluhar und ihr Ensemble L’Arpeggiata realisieren Georg Friedrich Händels „Belshazzar“ in der Regie von Marie-Eve Signeyrole mit Levy Sekgapane, Jeanine De Bique und Vivica Genaux in den Hauptpartien (Premiere: 20. Februar.) Also Koproduktion mit dem Teatro Real Madrid folgt am 22. März Webers „Freischütz“, dirigiert von Anbdrés Orozco-Estrada, inszeniert von David Marton. Die Hauptpartien singen Jacquelyn Wagner, Sofia Fomina, Alex Esposito und Tuomas Katajala in den Hauptpartien.

Michael Boder dirigiert die Erstaufführung von Mieczyslaw Weinbergs Dostojewski-Oper „Der Idiot“. In der Inszenierung von Vasily Barkhatov singen Dmitry Golovnin, Natalya Pavlova und Kostas Smoriginas. Ein neuer Versuch mit Alban Bergs unvollendeter Wedekind-Oper „Lulu“ beendet die Premierenserie in einer Koproduktion mit den Wiener Festwochen am 27. Mai 2023: Dirigent Maxime Pascal und Regisseuse Marlene Monteiro Freitas haben sich dafür entschieden, eine „offene Form“ für die Präsentation des von Berg nicht fertiggestellten dritten Akts zu suchen und diese mit Musik aus der vorab komponierten „Lulu-Suite“ zu ergänzen. Vera Lotte Bocker ist die Lulu, Bo Skovhus der Doktor Schön. Bespielt wird neben der Halle E weiterhin die Kammeroper, deren Programmreigen – wiederum in Zusammenarbeit mit den Kunst-Universitäten – im Juni 2023 mit der österreichischen Erstaufführung von Erich Wolfgang Korngolds „Die stumme Serenade“ zu Ende geht, womit Stefan Herheim eine alte Wiener Bringschuld begleicht.

Zahlreiche konzertante Aufführungen -unter anderem Joseph Haydns späte Orpheus-Oper »L’anima del filosofo« – ergänzen das reiche Angebot. Für die diversen Abonnementzyklen – abgesehen vom Premieren-Abo – gibt es einen Frühbucherbonus für alle, die bis 3. Juni ihre Bestellung abgeben.

Info: www.theater-wien.at