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Mahler 2
Symphonie Nr. 2 c-Moll
»Auferstehungssymphonie«
- Allegro maestoso. Mit durchaus ernstem und feierlichem Ausdruck
- Andante comodo. Sehr gemächlich.
- Nie eilen In ruhig fließender Bewegung
- »Urlicht«. Sehr feierlich aber schlicht. Nicht schleppen
- Im Tempo des Scherzos. Wild herausfahrend – Wieder zurückhaltend – Langsam. Misterioso
Mahlers Zweite basiert auf einer ursprünglich einsätzigen Tondichtung namens Totenfeier, die 1888 während Mahlers Zeit als Musikdirektor der Hamburgischen Oper fertig instrumentiert vorlag.
Erst fünf Jahre später griff der Komponist seine symphonischen Pläne wieder auf. Die instrumentalen Binnen-Sätze entstanden 1893, wobei der dritte Satz eine instrumentale und inhaltlich erweiterte Version des Wunderhornlieds Des Antonius von Padua Fischpredigt darstellt. Ein Jahr später lag die gesamte, nun fünfsätzige Symphonie unter Einbindung des bereits etwa gleichzeitig mit der Fischpredigt entstandenen Wunderhorn-Lieds Urlicht in Partitur vor.
Um die »Totenfeier« inhaltlich von den folgenden Sätzen abzusetzen, fordert der Komponist in der endgültigen Partitur nach Verklingen des Kopfsatzes mindesten fünf Minuten Pause, eine Vorschrift, die in der Praxis kaum je eingehalten wird.
Die leichtergewichtigen Mittelsätze kontrastieren zum wild-bewegten, tragischen Geschehen des durch seinen ursprünglichen Titel bereits hinreichend charakterisierten ersten Satzes in denkbar schlichtestem Erzählton: Ein menuettartiges Andante comodo wird von einem gespenstisch flüchtigen Trio unterbrochen und schließt nach dem Dacapo in stiller Beschaulichkeit.
Mit Paukenschlägen fährt das Scherzo drein und schildert die geschäftige Bewegung der zur Predigt des Hl. Antonius heranschwimmenden und sich dann wieder verlierenden Fische, Sombol der vergänglichen fortwährenden Bewegung im menschlichen Leben.
Sehnsucht nach Transzendenz spricht dann aus dem Alt-Solo im → Urlicht, in dem erstmals in Mahlers Symphonik die Singstimme zu Wort kommt.
Ein gigantisches Chorfinale nach einem – von Mahler angereicherten Text von Friedrich G. Klopstock über die → Auferstehung besingt dann die himmlischen Freuden nach dem Jüngsten Gericht, das am Beginn des ausgreifenden fünften Satz zum musikalischen Ereignis wird. Apokalyptische Bläser-Fanfaren rufen die Toten auf, flehentliche Klänge beschreiben die Angst vor dem Kommenden, ein gewaltiger Heerzug setzt sich in Bewegung. Schließlich wird es vollkommen still, auch die letzten Boten irdischen Daseins, die Vogelstimmen verstummen. Im äußersten Pianissimo beginnt der Chor die Auferstehung zu besingen – Sopran- und Alt-Solo mischen sich nach und nach als Botschafter menschlicher Zweifel, Seelenqualen und Glaubenszuversicht hinzu.
- I Concertgebouw Orchester - Otto Klemperer 1951
- II Concertgebouw Orchester - Otto Klemperer 1951
- III Concertgebouw Orchester - Otto Klemperer 1951
- IV Urlicht Kathleen Ferrier, Concertgebouw Orchester - Otto Klemperer 1951
- V Jo Vincent, Kathleen Ferrier, Concertgebouw Orchester - Otto Klemperer 1951
Die Gesangstexte
IV. Satz »Urlicht«
O Röschen rot,
Der Mensch liegt in größter Not,
Der Mensch liegt in größter Pein,
Je lieber möcht‘ ich im Himmel sein.
Da kam ich auf einem breiten Weg,
Da kam ein Engelein und wollt‘ mich abweisen.
Ach nein, ich ließ mich nicht abweisen!
Ich bin von Gott und will wieder zu Gott,
Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,
Wird leuchten mir bis in das ewig selig‘ Leben!
V. Satz
Auferstehn, ja, auferstehn wirst du,
mein Staub, nach kurzer Ruh.
Unsterblich’s Leben
wird, der dich schuf, dir geben!
Alt solo:
O glaube, mein Herz, o glaube:
Es geht dir nichts verloren!
Dein ist, ja dein, was du gesehnt,
Dein, was du geliebt, was du gestritten!
Sopran solo:
O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren!
Hast nicht umsonst gelebt, gelitten!
Chor und Alt:
Was entstanden ist, das muß vergehen!
Was vergangen, auferstehen!
Hör auf zu beben!
Bereite dich zu leben!
Sopran und Alt solo:
O Schmerz! Du Alldurchdringer!
Dir bin ich entrungen.
O Tod! Du Allbezwinger!
Nun bist du bezwungen!
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
In heißem Liebesstreben
Werd ich entschweben
Zum Licht, zu dem kein Aug‘ gedrungen!
Chor:
Mit Flügeln, die ich mir errungen,
Werd ich entschweben!
Sterben werd‘ ich, um zu leben!
Aufersteh’n, ja aufersteh’n wirst du,
Mein Herz, in einem Nu!
Was du geschlagen,
Zu Gott wird es dich tragen!
Mahler 3
Symphonie Nr. 3 d-Moll
- Kräftig. Entschieden
- Tempo di Menuetto. Sehr mäßig
- Comodo. Scherzando
- Sehr langsam. Misterioso
- Lustig im Tempo und keck im Ausdruck
- Adagio
Die Symphonie entstand zwischen 1892 und 1896 und wurde zu Mahlers längstem Werk, obwohl von der ursprünglich siebensätzigen Disposition »nur« sechs Sätze übrigblieben. An siebenter Stelle sollte zunächst das Wunderhorn-Lied Vom himmlichen Leben stehen, das zur Keimzelle der Vierten Symphonie wurde und diese nun als vierter Satz beschließt.
Mahler 3 weiterlesenEthel Smyth
Sie war eine Freundin von Virginia Woolfe, pflegte lesbische Affairen – darunter mit der berüchtigten Suffragette Emmeline Pankhurst – ebenso aber auch Beziehungen zu verheirateten Männern; sie galt überdies als eine der effektivsten Aktivistinnen für die frühe Frauenbewegung – und landete schon auch einmal wegen Aufmüpfigkeit für kurze Zeit im Gefängnis: Ethel Smyth ist von den weiblichen Komponisten der Musikgeschichte gewiß die »auffälligste«.
Ethel Smyth weiterlesenHans Rott
Mahlers Ideengeber
1858 – 1884
Im Wien der Ringstraßen-Ära galten Hugo Wolf und Gustav Mahler, die Gleichaltrigen aus der Provinz (der eine aus der Gegend von Iglau, der andere aus Windischgraz zugereist) mit dem zwei Jahre älteren Hans Rott als die mit Abstand Begabtesten unter den jungen Musikern.
Rott – aus dem gleichen Grund wie Wolf früh aus dem Leben gerissen – wird mit seiner Symphonie in E-Dur, zum Ideengeber: Manche Passage aus den ersten Mahler-Symphonien tönen verdächtig nach Rott, dessen Partitur nach seinem Tod im Besitz des jüngeren Kollegen war.
Der Anspruch, die symphonische Form noch über Brahms – ja, was die Dimensionen betrifft, sogar über Bruckner hinaus zu entwickeln, ist bei Rott grundgelegt.
Der Lehrkörper des Wiener Konservatoriums wollte die Bedeutung dieses Werks freilich nicht erkennen. Als einziger ging Rott bei der Schlußprüfung seines Jahrgangs ohne Auszeichnung ab. Angeblich sollen einige Mitglieder der Kommission laut gelacht haben, als der erste Satz von Rotts Symphonie gespielt wurde.
Bruckners Fürsprache
Nur Anton Bruckner soll daraufhin den Saal unter Protest verlassen haben – mit den Worten
Lachen Sie nicht, meine Herren, von diesem Mann werden Sie noch Großes hören.
Die Prophezeiung ist eingetreten, allerdings bedeutend später als selbst Bruckner damals denken hätte können.
Der »Mörder Brahms«
Ohne Anerkennung – wenn auch mit einem guten Zeugnis in Komposition – verließ Rott das Konservatorium. Johannes Brahms sprach sich gegen eine Aufführung der 1880 vollendeten Symphonie in E-Dur aus.
Der Dirigent Hans Richter, immerhin interessiert an der Partitur, stellte eine philharmonische Premiere aus Zeitgründen zurück.
Inzwischen mußte sich Rott als Organist bei den Wiener Piaristen sein Brot verdienen und bewarb sich um Kapellmeisterstellen. Ein staatliches Stipendium wurde ihm – wiederum auf Grund er Weigerung von Brahms – nicht gewährt.
Als endlich eine Möglichkeit bestand, in Mühlhausen Chorleiter zu werden, zeigten sich auf der Reise die ersten ernsten gesundheitlichen Störungen aufgrund der venerischen Erkrankung. Rott bedrohte einen Mitreisenden im Zug, als der versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden: Brahms habe den Waggon mit Dynamit füllen lassen, um ihn in die Luft zu sprengen . . .
Hans Rott verbrachte den Rest seines kurzen Lebens in der Irrenanstalt, wo er 1884 an Tuberkulose starb. Freunde wie Hugo Wolf bezeichneten Brahms als »Rotts Mörder«.
Posthume Uraufführung
Die Uraufführung der E-Dur-Symphonie, deren Manuskript aus dem Besitz Gustav Mahlers in die Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek wanderte, fand erst 1989 in den USA statt. Seither ist das Werk mit seinen verblüffenden »Vorwegnahmen« von Passagen aus heute viel gespielten Symphonien des Kommilitonen Gustav Mahler mehr als ein Dutzend Male auf CD eingespielt und gilt als – wenn auch in manchen Zügen unausgereiften – Modell für die moderne symphonische Form.
Die Mahler-Forschung vermeidet peinlich die von unbefangenen Hörern ganz unumwunden geäußerte Feststellung, Mahler habe Ideen seines älteren Kollegen übernommen.
Die Anklänge sind jedenfalls erstaunlich:
Mahler Erste ist Jahre nach Rotts Werk entstanden. Anklängen an die E-Dur-Symphonie finden sich auch noch in Mahlers Zweiter Symphonie, ohne daß Mahler als Dirigent etwas für die Verbreitung des Werks seines Studienkollegen getan hätte.
Die tragische Geschichte hat → Ingvar Hellsing Lundqvist in einen Roman verarbeitet, der viele Tatsachen aus Rotts Biographie lebendig werden läßt. (Picus)
Von den Aufnahmen der Symphonie Hans Rotts ist jene unter Leif Segerstam besonders empfehlenswert (BIS).
Das Norrköpping Symphony Orchestra musiziert hier leuchtkräftig und versucht nicht, das Pathos und die oft an der Grenze zur Banalität balancierende Stilistik zu kaschieren, sondern nimmt sie an und spielt sie ungeniert aus. Breite Tempi demonstrieren auch Rotts formsprengende »Raumforderung«.
Eine exzellente, sehr klangschöne Wiedergabe der Symphonie erschien 2022 bei Deutsche Grammophon. Jakob Hrusa erarbeitete die Wiedergabe mit seinen Bamberger Symphonikern und spielte für die CD auch sinnvoll noch den vom Komponisten selbst eliminierten Blumine-Satz aus der Ersten Symphonie Gustav Mahlers ein.
Daß Mahler an den mächtig anschwellenden Kadenzwirkungen im Finalsatz für die entsprechenden Passagen etwa noch in seiner Fünften Maß genommen hat, ist zumindest wahrscheinlich; auch daß die gewaltige Schlußsteigerung seiner Vertonung des Rückert-Lieds Um Mitternacht in Rotts Symphonie-Schluß bereits anklingt, ist für Kenner kaum zu überhören.
Robert Fuchs
1847-1927
Robert Fuchs war in Wien als „Serenaden-Fuchs“ bekannt. Sein wohl beliebtestes Werk ist die Fünfte seiner Orchester-Serenaden, die einst als eine Art Salonmusik für den bürgerlichen Konzertbetrieb galten: leichtgewichtige, deshalb aber keinesfalls künstlerisch minderbemittelte Gegenstücke zu den Symphonien von Brahms und Bruckner.
Robert Fuchs weiterlesenDvořáks Neunte
Symphonie Nr. 9 in e-Moll op. 95
Antonín Dvořáks letzte Symphonie verdankt ihren – übrigens vom Komponisten selbst verliehenen – Untertitel »Aus der Neuen Welt« dem Umstand, daß sie das erste Werk ist, das Dvořák während seines Amerika-Aufenthaltes komponiert hat. Die Symphonie entstand in der Zeit zwischen September 1892 und April 1893. Der Komponist war damals als Direktor des des National Conservatory of Music in New York tätig und leitete dort selbst eine Kompositionsklasse.
Dvořáks Neunte weiterlesenDie Brüder Wieniawski
Der Name Wieniawski hat in Geiger-Kreisen einen guten Klang. Tatsächlich gab es zwei polnische Meister dieses Namens, den Pianisten Jozef und den Violinvirtuosen Henryk Wieniawski. Die beiden waren zu Lebzeiten hoch angesehen.
Die Brüder Wieniawski weiterlesenBruckners Streichquintett
1878/79
- Gemäßigt
- Scherzo. Schnell
- Adagio
- Finale. Lebhaft bewegt
Das Streichquintett ist der einzige Beitrag des reifen Anton Bruckner zum Kapitel Kammermusik. Oft ist auch behauptet worden, das Werk sei in Wahrheit eine verkappte Symphonie – und doch: Nur weil der Komponist seine unverwechselbaren stilistischen Eigenheiten auch bei diesem Werk für fünf Streicher hören läßt, bedeutet das nicht, daß er eine Art Reduktions-Fassung eines klanglich größer angelegten Werks vorgelegt hätte. Die Komposition ist durchaus kammermusikalisch angelegt. Bruckner betrachtete sie vielleicht nach den immensen Anstrengungen, die ihn die Komposition seiner ersten fünf numerierten Symphonien gekostet hatte – die ja in einem großen Zug bis 1878 entstanden waren, als eine Art künstlerisches Intermezzo.
Bruckners Streichquintett weiterlesenIL TROVATORE
CD-TIPP
- Il trovatore Salzburg 1962 Leontyne Price Franco Corelli Ettore Bastianini
- Giulietta Simionato
- Leontyne Price Ettore Bastianini Franco Corelli
- Giu8lietta Simionato Ettore
- Bastianini Franco Corelli Leontyne Price
- Leontyne Price Franco Corelli
- Wr. Philharmoniker - Herbert von Karajan
Troubadour und Wien – heikle Beziehung
Verdis Troubadour, das war im 19. Jahrhundert der Inbegriff der italienischen Oper, viel gespielt und an Popularität nur für einige Zeit von Gounods Faust übertroffen. Heute ist das Werk einer der „Angstgegner“ von Intendanten, weil es schwierig geworden ist, Sänger zu finden, die der heiklen Mixtur aus höchster Expressivität und artifizieller Stimmbeherrschung fähig sind. Spannend zu verfolgen, wie dieses Werk, allen Vorwürfen einer unverständlichen Handlung zum Trotz, dank seiner musikalischen Aussagekraft auch in Wien sogleich zum Publikumsfavoriten wurde – und lange Zeit den Spielplan beherrschte. Dagegen konnte auch ein mächtiger Kritiker wie Eduard Hanslick nichts ausrichten, dessen ästhetische Vorbehalte ja nicht nur, wie die Fama will, Richard Wagners Werke trafen, sondern auch Verdi. Nach der Erstaufführung des Troubadour konstatierte der Kritiker der Neuen Freien Presse zwar das „intensive Talent“ des italienischen Meisters, hielt ihm aber „künstlerische Roheit“ vor. An „dramatischer Energie“ übertreffe Verdi zwar seine Vorgänger Bellini, Donizetti und Rossini, doch sei er ihnen „als Musiker“ unterlegen und neige vor allem dazu, „gute Anfänge“ stets mit „einem trivialen Satz“ abzuschließen. Solche Vorbehalte hatte das Publikum offenbar nie. Jedenfalls stand das Werk bereits kurz nach der Eröffnung des neuen Hauses am Ring auf dem Hofopern-Spielplan und hielt sich dort so gut wie ohne Pause – in deutscher Sprache.
Die Ära Karajan
Im Zuge der Neubewertung der Italianità in der Oper nach der Landnahme Herbert von Karajans änderte sich auch die Sicht auf den Troubadour. Alles begann mit dem Gastspiel einer Tourneeproduktion, die Karajan mit Maria Callas und Giuseppe di Stefano von Mailand aus unternahm. Donizettis Lucia di Lammermoor stand auf dem Programm – und der Triumph dieser legendären Aufführungsserie sicherte dem Dirigenten die endgültige bedingungslose Hingabe des Wiener Publikums; und den Posten des Staatsoperndirektors, nachdem Karl Böhm von Angriffen gegen seine Person entnervt das Handtuch warf.
In der Folge nutzte Karajan seine Doppelposition – er war auch einer der führenden Köpfe an der Mailänder Scala –, um die Aufführungen italienischer Opern in Wien zu revolutionieren. Ab sofort wurde in Originalsprache gesungen, und die Sänger waren mehrheitlich nicht mehr die Spitzen des eigenen Ensembles, sondern illustre Gäste. Überdies arbeitete man mit den Salzburger Festspielen zusammen, bei denen Karajan einen weiteren Tabubruch beging. Er nahm den Troubadour ins Programm. Das kam einem Sakrileg gleich. Salzburg war die Hochburg Mozarts und von Richard Strauss. Man hatte Verdi zwar für Choryphäen wie Arturo Toscanini oder Wilhelm Furtwängler angesetzt, doch stets waren es Werke, die immerhin auf Stücken Shakespeares oder Schillers basierten. Karajan hatte sich mit dem Don Carlos in diese Reihe gestellt.
Nun aber folgte der ganz und gar nicht „literarische“ Troubadour, dessen Libretto seit jeher Anlass zu Kritik gab. Puristen waren empört, doch Karajan lobte die theatralische Schlagkraft des Stoffs und die Unmittelbarkeit, mit der Verdi als Klangpsychologe die Tiefe von Uremotionen lotet. Das Publikum war glücklich, gingen doch Karajans interpretatorischer Impetus und vokale Gestaltungskünste eine ideale Verbindung ein.
Titelheld Franco Corelli eroberte dank blendender Erscheinung und ebensolcher Klangentwicklung alle Herzen, Leontyne Price war eine hinreißende Leonore. Bald sah man die Produktion auch in Wien – in ähnlicher Besetzung. Der Triumph war so durchschlagend, dass Karajan seine Troubadour-Produktion auch als Auftakt seines legendären Comebacks nach 13 Jahren Wien-Abstinenz wählte. Neben Christa Ludwig und Piero Cappuccilli war wieder die Salzburger Leonore, Leontyne Price, dabei, diesmal an der Seite von Luciano Pavarotti, auf den die Wiener nach seinen ersten Erfolgen ebenfalls lange Jahre hatten warten müssen.
Eklat – Placido Domingo als Retter
Beim Trovatore 1978 kam es zu einem Eklat. Zur Vorbereitung der TV-Übertragung setzte man kurzfristig eine Zusatzvorstellung an, bei der überraschte Staatsopern-Abonnenten in den Genuss einer Karajan-Aufführung kamen. Doch gingen sie im dritten Akt des Tenors verlustig: Franco Bonisolli, der Mann mit dem vermutlich sichersten hohen C der jüngeren Operngeschichte, warf unmittelbar vor der „Stretta“ sein Schwert auf die Bühne und verließ dieselbe. Karajan behielt die Nerven, gab den Auftakt, und Wien erlebte die wohl einzige Verdi-Cabaletta, in der nur das Orchester musizierte und der Chor sang, aber die Solostimme ausblieb. Den Manrico sang zwei Tage später anlässlich der Fernsehausstrahlung Placido Domingo . . .
Karajans Troubadour-Produktion blieb dann noch viele Jahre im Repertoire. Wobei sich mehr und mehr herausstellte, dass vor allem die Titelpartie immer schwieriger zu besetzen war – und die philologischen Ansichten von Interpreten und Opernfreunden über die »Stretta« weit auseinandergingen. Tatsächlich steht das hohe C nicht in Verdis Partitur. Doch erachten Verdianer es als unsportlich, wenn Tenöre darauf verzichten. Diese denken ebenso und lassen die Szene lieber einen Halbton nach unten transponieren. Sie singen ein hohes H – und ernten in aller Regel begeisterten Applaus dafür.
Skandal um István Szabó
Erst Anfang der Neunzigerjahre kam es an der Staatsoper endlich zu einer Neuinszenierung, die freilich in einem mittleren Desaster endete. Nicht, weil der damals neue Direktor Ioan Holender keinen strahlenden Manrico finden konnte in der damaligen Tenornotlage. Aber Filmregisseur István Szabó ließ das Werk im Nachkriegs-Wien spielen, erinnerte mit den Dekors an die zerbombte Staatsoper und die Flaktürme. Dergleichen ist hierzulande nie gut angekommen. So wurden Troubadour-Aufführungen rar, was die Direktoren auch der schweren Aufgabe entband, adäquate Interpreten für den Titelhelden zu finden. Ganz zu vernachlässigen ist ein solches Spitzenwerk für ein Haus wie die Staatsoper aber doch nicht. 15 Jahre nach der letzten Vorstellung des Szabó-Missgeschicks stand dann doch wieder Il trovatore auf dem Spielplan, Roberto Alagna war der Manrico, Anna Netrebko seine Leonora, Ludovic Tézier der Graf Luna und Luciana D’Intino die Azucena, ein luxuriöses Quartett. Marco Armiliator dirigierte, Daniele Abbado hat inszeniert.