Wer die Übertragung im Sommer verpaßt hat: BBC 3 hat heute (20.30 Uhr MEZ) die Aufzeichnung des Philharmonischen Konzerts unter der Leitung des 94-jährigen Herbert Blomstedt von den Salzburger Festspielen im Programm. Vor der herb-schönen Vierten Brahms war Arthur Honeggers Dritte Symphonie, die sogenannten »Symphonie liturgique« zu hören, eine direkte Reaktion auf die Gräuel des zweiten Weltkriegs, die nach schweren Konflikten in eine tröstlich-schöne, aber vielleicht auch »jenseitige« E-Dur-Klangoase mündet. Jedenfalls eine der beeindruckendsten Symphonien des XX. Jahrhunderts in einer allseits gelobten Interpretation.
Benjamin Bernheim, Besitzer einer der schönsten Stimmen unserer Zeit, hätte heute sein Wien-Gastspiel an der Staatsoper beginnen sollen Wegen der Pandemie wurden alle Vorstellungen bis 5. jänner abgesagt sollte bis 16. Jänner fünf Mal den Rodolfo in
singen, ihm zur Seite die australische Sopranistin Nicole Car als Mimi und die viel gerühmte Slowakin Slávka Zámečníková, Mitglied des jungen Ensembles der Staatsoper, als Musette. Erste Vostellung der Serie soll num am 6. Jönner sein. Inzwischen Ersatzvornahmen für alle, die daheim bleiben müssen:
Die Wiener Philharmoniker musizieren heute vormittag unter Daniel Barenboim für ihr TV-Millionenpublikum. Sie haben sich wieder ein Programm ausgesucht, das einige der bekanntesten Melodien der Wiener Strauß-Dynastie mit kaum je gespielten Werken mischt. Auch Kenner können also jedenfalls wieder allerhand entdecken.
Das Programm
Josef Strauß Phönix-Marsch, op. 105
Johann Strauß II. Phönix-Schwingen. Walzer, op. 125
Josef Strauß Die Sirene. Polka mazur, op. 248
Josef Hellmesberger (Sohn) Kleiner Anzeiger. Galopp, op. 4
Johann Strauß II. Morgenblätter. Walzer, op. 279
Eduard Strauß Kleine Chronik. Polka schnell, op. 128
Johann Strauß II. Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus“
Johann Strauß II. Champagner-Polka. Musikalischer Scherz, op. 211
Carl Michael Ziehrer Nachtschwärmer. Walzer, op. 466
Johann Strauß II. Persischer Marsch, op. 289
Johann Strauß II. Tausend und eine Nacht. Walzer, op. 346
Eduard Strauß Gruß an Prag. Polka française, op. 144
Die Metropolitan Opera streamt heute Abend Laurent Pellys Inszenierung von Jules Massenets zauberhafter Aschenputtel-Oper Cendrillon in die internationalen Kinosäle. Zu erleben sind Isabel Leonard, Jessica Pratt, Stephanie Blythe, Emily D’Angelo und Laurent Naouri unter der Leitung von Emmanuel Villaume.
Schon frühmorgens umflattert uns die Silvester-»Fledermaus«, allerdings nicht ganz von Johann Strauß; oder beinah gar nicht. Denn ORF III sendet (9.05 Uhr) den legendären »Fledermaus«-Film Géza von Cziffras, bei dem schon die ersten Sekunden des Vorspanns keine Zweifel aufkommen lassen, daß hier keine Operette von anno 1874 zu erleben sein wird, sondern Unterhaltungs-Theater der Fünfzigerjahre, im entsprechend saxophongeschwängerten Tanzorchester-Sound. Freilich: Das ist Unterhaltungskultur eigenen Rechts. Wer vorurteilslos zuschaut und zuhört, wird zugeben müssen, daß die Schauspielerriege ihre Kunst versteht, von Peter Alexander (als Gabriel von Eisenstein) bis Boy Gobert (als Prinz Orlofsky). Ganz zu schweigen vom Frosch des Hans Moser, der alte wienerische Spielkultur zu spätem Film-Leben erweckt. So wurde sie wenigstens filetweise konserviert . . .
Wienerische Tanzmusik zum Jahreswechsel, das pflegt man in halb Europa. Für den Silvester-Nachmittag in Berlin hat sich Kirill Petrenko etwas Besonderes einfallen lassen, ist aber krank geworden. Nun leitet Lahav Shani das etwas abgeänderte Programm, in dem wienerische Dreivierteltakt-Freuden einmal anders serviert werden sollten. Einiges ist geblieben von den Walzerklängen, an die man nicht zuallererst denkt, wenn es um die wienerische Musiziertradition geht, die aber doch eng mit dieser Tradition verflochten sind: Musik von Erich W. Korngold, Fritz Kreisler und Maurice Ravel, dessen Tondichtung »La Valse« tatsächlich die Apotheose eines Wiener Walzers als Tanz auf dem Vulkan darstellt, ursprünglich »Wien« heißen sollte, dann aber wegen des Ersten Weltkriegs nicht nach einer »feindlichen« Stadt benannt werden konnte…
Ausgefallen sind leider die Fragmente aus Richard Srauss‘ Wiener Ballett »Schlagobers«. Wie wir Petrenko kennen, wird er die seltene Begegnung bei Gelegenheit nachholen.
Zwischendrin spielt Janine Jansen jedenfalls Bruchs G-Moll-Konzert. Via Digital Concert Hall kann alle Welt live dabei sein.
Musikfreunde, die dann schon in Feier- und Streaminglaune sind können nach dem Konzert virtuell nach Wien wechseln, wo wie alle Jahre die echte Operetten-»Fledermaus« durch die Staatsoper schwirrt. Heuer feiert Langzeit-Frosch Peter Simonischek ein persönliches Jubiläum. Er spielt die Partie seit zehn Jahren. Bertrand de Billy steht nach längerer Abwesenheit wieder am Dirigentenpult.
Die Staatsoper zeigt die Aufführung der legendären Otto-Schenk-Produktion auf ihrer Streaming-Plattform. So kann man heute live dabei sein. Andreas Schager gibt den Eisenstein an der Seite von Rachel Willis-Sørensen sowie altbekannten und neuen Wiener Ensemble-Mitgliedern, Wolfgang Bankl, Clemens Unterreiner und Vera-Lotte Boecker.
Freunde des Belcea Quartetts könnten heute via BBC-Stream einen Livemitschnitt vom Mozart-Festival in Bath hören, wo die Belceas heuer unter anderem das c-Moll-Streichquartett von Johannes Brahms aufgeführt haben. Der Livemitschnitt wird heute auf BBC um 13 Uhr (englischer Zeit) gesendet. Via Stream ist man auch diesseits des Ärmelkanals dabei (um 14 Uhr MEZ).
Vorab steht Musik von Schostakowitsch und Debussy auf dem Programm. Das Brahms-Quartett kommt also gegen 14.25 an die Reihe.
Einen Livemitschnitt für Connaisseurs bietet der Deutschlandfunk heute ab 20.30 Uhr: David Oistrach war 1955 Solist in einem Konzert der Staatskapelle Berlin unter Franz Konwitschny: auf dem Programm unter anderem Beethovens F-Dur-Romanze und Johannes Brahms‘ Violinkonzert.
James Newby heißt einer der jungen Sänger, die in den vergangenen Monaten aufhorchen ließen. 2016 gewann er den Kathleen Ferrier Preis Hugh Canning lobte in der Times seine Interpretation des Grafen Almaviva in Mozarts Figaro. Die Zeitschrift Gramophone pries die erste CD des englischen Baritons sehr, mit der sich der junge Mann auf heikles Lied-Terrain wagte. Immerhin neben Benjamin Brittten auch Beethoven, Schubert und Mahler!
Newby bewältigt die Aufgabe mit Geschmack, Präzision und einem guten Gespür für dramatische dynamische Nuancierung.
Die BBC widmet der neuen Stimme heute ihr Nachmittagsprogramm auf dem SenderBBC 3 (17 Uhr britische Zeit). Zu hören: Newbys Interpretationen von Robert Schumanns Dichterliebe. (Danach Aufnahmen des jungen Mithras-Trios.)
Der 26-jährige Künstler ist derzeit noch ganz auf Großbritannien fokussiert, absolviert am 25. Jänner ein Konzert in der renommierten Wigmore Hall in London, deren Jugendpreis er 2015 errungen hat – diesmal singt er nichts Geringerem als Schuberts Schöne Müllerin.
Am 21. Mai 2022 feiert dann Barbora Horakovas Neuproduktion von Tschaikowskys Eugen Onegin in Hannover Premiere – mit Newby in der Titelpartie! Die erste große Aufgabe in jenem Haus, dessen Ensemblemitglied der Bariton seit der vorigen Saison ist.
Einen so vielfältigen Überblick über die Schätze, die die kammermusikalische Literatur der Romantik und frühen Moderne bereithält, bekommt man selten in dieser Konzentration: Ö1 sendet heute (19.30 Uhr) den Mitschnitt eines Konzertes des Simply Quartet aus der Berliner Philharmonie, das von Franz Schuberts hoch expressivem Quartettsatz in c-Moll (D 703) über Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 9 in Es-Dur (op. 117) zu Robert Schumanns Streichquartett in A-Dur (op. 41/3). Als Zugabe gibt es dann noch mit der Klarinettistin Vera Karner Johannes Brahms‘ spätes Klarinettenquintett in h-Moll (op. 115). Wer an diesem Abend gespannt lauscht, erfährt in knapp zwei Stunden viel über den Reichtum der subjektiven Aussagekraft der Musik.
Das klingt wie Filmmusik – so lautet der häufigste Vorwurf gegenüber Musik, die zwar im XX. Jahrhundert entstanden ist, aber ohne publikumsfeindliche Dissonanzballungen auskommt. Im Falle des Komponisten Erich Wolfgang Korngold ist es sogar tatsächlich Filmmusik, die da erklingt, wenn das späte Violinkonzert auf dem Programm steht. Nur, daß Korngold nach dem Zweiten Weltkrieg den Spieß umgedreht hat – und zwar schon zum zweiten Mal! Erst einmal war er es – im Verein mit dem ebenfalls aus Wien emigrierten Max Steiner -, der das erfunden hat, was wir heute den Hollywood Sound nennen.
Korngold mußte sich dafür nicht künstlerisch verbiegen, sondern komponierte für den Film wie er zuvor für Konzertsaal und Opernbühne komponiert hatte. Es klingt also nicht Korngolds Musik wie Filmmusik, sondern Filmmusik klingt wie Korngold! Für Jascha Heifetz schrieb der Exil-Österreicher dann nach 1945 sein Violinkonzert und nun – zweite Umdrehung – baute er ein Konzertwerk aus dem Material, das er zuvor tatsächlich für Filme verwendet hatte!
Dennoch wurde das eines der besten Violinkonzerte der Musikgeschichte. Es klingt nicht wie Filmmusik. Es ist Filmmusik! Aber in der Form eines klassischen dreisätzigen Konzerts. Zum Abschluß des Kissinger Sommers spielte Ray Chen das Werk, begleitet von den Bamberger Symphonikern unter Jakub Hrůša. Den Mitschnitt sendet Bayern 4 heute Abend.
Nach der Pause spielten die Bamberger übrigens die gesamte zweite Serie von Antonin DvořáksSlawischen Tänzen. Die hört man selten im Konzert – und das hat in diesem Fall einen besonderen Charme. Die Bamberger Symphoniker, das waren ja nach 1945 exilierte böhmische Musiker, die zuvor das Deutsche Symphonieorchester Prag gebildet hatten. Nun stehen sie unter der Leitung eines tschechischen Dirigenten und musizieren mit ihm Slawische Tänze . . .
An der Wiener Staatsoper fehlt Engelbert Humperdincks traditionelle Weihnachtsoper »Hänsel und Gretel« heuer im Spielplan. Die Volksoper spielt das Werk. Immerhin. Anderswo müssen die Musikfreunde auf ein Liveerlebnis mit der berühmtesten Oper des Jahresregenten – 2021 jährte sich Humperdincks Todestag zum 100. Mal – aus Sicherheitsgründen ganz verzichten. In Dresden etwa wurden »Hänsel und Gretel« wegen der Pandemie aus dem Spielplan verbannt.
Die junge Sopranistin Nikola Hillebrand kommt damit um ihren Auftritt in der Rolle der Gretel im renommierten Haus. Aber man kann die Künstlerin, der Kenner eine große Karriere prophezeien, dennoch in dieser Partie hören: An der Seite von Kate Lindsay (Hänsel) sang Hillebrand Ausschnitte aus dem Werk im Auditorium Grafenegg, begleitet vom Tonkünstler-Orchester. Diesen Beitrag zur besinnlichen Zeit zeigt der Streamingdienst myfidelio dieser Tage.
Nikola Hillebrand wird in den kommenden Tagen aber doch in Dresden singen: Sie ist ab 5. Jänner 2022 die Adele in einer Aufführungs-Serie von Johann Srauß‘ »Fledermaus« in der Semperoper. Die selbe Partie singt sie zwischen 29. Dezember und 1. Jänner en suite schon in Lyon. Es steht ja nicht das gesamte europäische Musikleben still . . .
Aktueller geht es nicht: Ö1 sendet heute (19.30 Uhr) Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium in einem Mitschnitt vom 18. Dezember dieses Jahres, aufgenommen in Barceolona, musiziert von der Capella Reial de Catalunya unter Jordi Savall – der Beitrag zum Weihnachtsfest von einem der bedeutendsten Interpreten unserer Zeit.
Jonas Kaufmanns Weihnacht
Einige Tipps zur Vermeidung der altgewohnten feierlichen Lieder haben Sinkothek-Abonnenten schon mit auf den Weg in die Feiertage bekommen. Aber ganz ohne »Stille Nacht« müssen wir doch nicht auskommen. Dafür sorgt schon Jonas Kaufmann, der in Zeiten des Lockdowns eine CD nach der anderen aufgenommen — und jedenfalls heuer die mit Sicherheit meistverkaufte Weihnachts-CD herausgebracht hat. Dazu wurde selbstverständlich auch ein Video gedreht unter Hinzuziehung von Kinderchören und weiteren Sänger aus verschiedenen Musik-Branchen. Mit einem Tag verspätung erklingen sie also alle, alle, die vertrauten Gesänge – auf ORF III im Hauptabendprogramm.