Steve Reich als Höhlenforscher in Wien
Der Minimal-Music-Star im "Presse"-Gespräch
"The Cave" heißt das große Musiktheater-Projekt, das Steve Reich im Verein mit der Video-Künstlerin Beryl Corot bei den Wiener Festwochen zur Uraufführung bringt: Damit hat zum erstenmal eine wirklich groß angelegte Performance der mittlerweile schon "historisch" gewordenen "Minimal Music" in Wien Premiere.
Steve Reich ist neben Phil Glass und Terry Riley der wohl prominenteste Vertreter dieser eigenwilligen, meist nur wenige simple Floskeln vielfach verschachtelt und in einfachsten Harmonien gegeneinander ausspielenden Komponier-Gattung, die sich gekonnt im schwammigen Bereich zwischen "E" und "U" angesiedelt hat.
Dieser "American Way of Modern Music" fußt, wie Reich das im "Presse"-Gespräch erklärt, zumind...
"Orchestermusiker haben's schwer"
Berg-Quartett-Primarius Pichler über seine Dirigentenlaufbahn
Alexander Pereira hat ihn Ende der achtziger Jahre eingeladen, doch auch einmal das Wiener Kammerorchester zu dirigieren. Nach zwanzig Jahren der ausschließlichen Konzentration auf die Kammermusik wurde der Primgeiger des Alban Berg Quartetts, Günter Pichler, neugierig - seinem Dirigierdebüt folgten alsbald Einladungen nach Japan, nach London. Und mit einem Mal war eine "zweite Karriere" in Sicht.
Pichler will sie konzentriert gestalten, nicht, weil ihm Quartettspiel und Unterrichtspraxis zu wenig Zeit ließen, sondern weil das für ihn in allen musikalischen Fragen selbstverständlich ist: "Lieber wenige Orchester", sagt er, "dafür aber solche, die mich mögen." Getreu Dietrich Fischer-Dieskaus Gru...
"Dirigieren ist die schönste Sache der Welt"
Wiens neuer Opern-"Musikchef", Ulf Schirmer, im Gespräch
Geredet wird über den Nachfolger Claudio Abbados seit dessen Abgang. "Viele Leute glauben, daß ich es längst bin", erzählt er selbst. Jetzt ist es wirklich so weit: Staatsopernchef Ioan Holender hat Ulf Schirmer zu seinem "musikalischen Konsulenten" ernannt. Der 33jährige Deutsche tritt dieses Amt am 1. September, also mit Beginn der nächsten Saison an. Mit seiner Arbeit hat der agile junge Mann freilich längst begonnen. Umstrukturierung, Straffung, Neuordnung - ein Manager würde allerlei fashionable Vokabel für das finden, was derzeit hinter den Kulissen, ganz nach Schirmers Vorstellungen geschieht. Der Außenstehende weiß vom Hörensagen, daß in den Direktionsgängen des Hauses am Ring alle...
Früchte der Freiheit
Der Direktor des Bolschoitheaters erzählt
Vor nicht allzu langer Zeit verabschiedete Rußlands Präsident Jelzin ein Dekret, das dem renommierten Moskauer Bolschoitheater vollständige Autonomie zusichert. "Bei gleichbleibenden staatlichen Subventionen", ergänzt Wladimir Kokonin, der Direktor des Hauses, und schwärmt sichtlich stolz von der dieserart errungenen künstlerischen Freiheit. "Ein für Moskau bis vor kurzem ganz und gar undenkbarer Zustand", lautet sein Kommentar im Gespräch mit der "Presse".
Tatsächlich plant und arbeitet die Direktion des wohl berühmtesten Opernhauses des ehemaligen "Ostblocks" heute unabhängig von jeder staatlichen Einflußnahme. Im Verein mit seinem musikalischen Leiter, Alexander Lazarev - "Er hat das Bolschoi-Orchester wieder auf ein allerer...
Worte und Töne - fingerkuppennah
Peter Härtling über seinen "Schubert" und die Kunst, schriftstellernd die Musik zu lieben
Schubert wandert durch viele meiner Romane durch. Für mich selbst sonderbar." Peter Härtling, Jahrgang 1933, hat dem Kind nun seinen Namen gegeben: "Schubert" heißt sein jüngstes Buch, das zum Thema hat, worüber der in Hessen lebende Chemnitzer seit langen Jahren dichtet.
Musik ist für Härtling immer schon "als Thema vorhanden" gewesen, wie er im Gespräch mit der "Presse", kurz vor seiner selbstverständlich von Schubert-Musik untermalten - Dichterlesung in Wien bekennt. "Einer meiner ersten Romane, ,Niembsch oder Der Stillstand', ein Buch über Nikolaus Lenau und Don Juan, hatte den Untertitel: Eine Suite."
Musikalische Formgebung im großen und im kleinen. Auch der jüng...
Was wollte Gustav Mahler wirklich?
Wie Gilbert Kaplan die Wahrheit ans Licht zu bringen versucht
Gilbert Kaplan hat wieder zugeschlagen. Vielerorts belächelt, freilich auch viel bewundert, zog der schwerreiche New Yorker Börsenmakler vor Jahren durch die Lande, um in aller Welt Mahlers Zweite Symphonie zu dirigieren. Als Amateur im wahrsten Sinne des Wortes wollte er nichts als dieses Werk interpretieren, brachte eine Schallplattenaufnahme mit einem Londoner Orchester heraus und schloß dieser Edition auch eine Ausgabe sämtlicher Mahler-Briefe an, die irgendwie mit dieser "Auferstehungssymphonie" zu tun haben.
Das war aufschlußreich, wenn auch - wie sich herausstellt - nur der Anfang einer Mahler-Aufklärungskampagne des musikfanatischen Millionärs. Jetzt holt er zum zweiten Streich aus und ...
Jetzt singt sie wieder
Gundula Janowitz über ihr Comeback als Lied-Interpretin
Ich übe jeden Tag. Und zwei bis drei Mal im Monat singe ich jetzt wieder", sagt Gundula Janowitz, die große Sopranistin, die vor einigen Jahren beinahe über Nacht beschlossen hat, nicht mehr aufzutreten. In der Zwischenzeit war sie Operndirektorin in Graz, hat aber angesichts ständiger Querelen bald das Handtuch geworfen: "Ich habe", bricht sie gegenüber der "Presse" ihr langes Schweigen, "einfach meine Menschenkenntnis überschätzt".
Selbstmitleid ist der Janowitz fremd. Dazu hat sie sich ihre Karriere mit viel zu bitteren Opfern erkauft. Heute pilgern die Fans zu den raren Janowitz-Auftritten neugierig und dankbar wie kaum je zuvor: Das liegt vielleicht daran, "daß ich mir der Verantwortung heute noch viel mehr...
"Ich bin ein anderer geworden"
Der Komponist Friedrich Cerha spricht über sein Schaffen
Ich bin ein anderer geworden", sagt Friedrich Cerha. Monatelang war er im Spital gelegen, sehr, sehr krank, am Rande des Todes. So radikal hätte er seinen Grundsatz wahrlich nicht in die Tat umsetzen wollen, daß nämlich die stetige Veränderung eine Bedingung für jedes kreative Leben sein müsse. "Die Freude an der Veränderung setzt nämlich voraus, daß Sie unzufrieden mit sich sind. Und das ist wichtig. Es ist bequem, zu bleiben, wie man ist."
Die stetige Veränderung, das "Heranziehen des neuen Menschen" ist Cerhas Leitgedanke: "Sie sehen das an meinen Opernstoffen, am ,Baal', aber auch am ,Rattenfänger'". Vielleicht auch an der Tatsache, daß in Cerhas Werk insgesamt ein enormer Reichtum herrscht, eine Lu...
Lieber komponieren als Mozart dirigieren
Erich Urbanner über die Situation des Musikschaffenden heute
Ich kann nicht, wie manche Kollegen, am Fließband schreiben, um eine Uraufführung nach der anderen herauszubringen, obwohl das vielleicht gar nicht so schwer wäre, weil man dann sozusagen in eine Eurphorie hineinkommt und wirklich am laufenden Band produzieren kann. Ich ziehe eher den steinigen Weg vor." So erklärt sich Erich Urbanner, österreichischer Komponist aus Tirol, der seit Jahren an der Wiener Musikhochschule auch Komponisten-Nachwuchs heranzieht.
Der "steinige Weg", das heißt: akribische Arbeit, wohlüberlegte Schritte, lieber fünf Dinge nicht, das sechste dafür aber ganz akkurat formulieren. Überlegt, mehrfach überdacht, verlief Urbanners Komponistenkarriere von Anfang an. Fürs K...
"Wir können auch im Sommer spielen"
Direktor Ioan Holender über seine langfristigen Opernperspektiven am Ring, Gürtel und an der Wien
Der verständliche Wunsch des Wiener Bürgermeisters, die Staatsoper wenigstens einige Wochen auch im Juli zu bespielen, die aktuelle Frage, für welche Opern und an wievielen Abenden die Staatsoper das Theater an der Wien nützen könnte, die langfristige Umgestaltung des Repertoires der Volksoper - Wiens Opernchef Ioan Holender denkt über einen ganzen Problemkatalog nach; und hat einige bemerkenswerte Lösungen anzubieten.
Im Gespräch mit der "Presse" erläutert er seine Zukunftsvisionen. So könnte es durchaus sein, daß man sich in Hinkunft auf ein modifiziertes Modell der Saisonplanung einigt, um zumindest die ersten beiden Juliwochen in den Spielbetrieb einzubi...