"Unser Problem: Alles ist möglich"
Sir Harrison Birtwistle im Gespräch vor der österreichischen Erstaufführung seiner Oper "Die zweite Mrs. Kong" in Wien - über das Komponieren heute.
Alles ist möglich", lautet im Zeitalter der Postmoderne die Parole. "Eben das ist unser Problem", kontert Sir Harrison Birtwistle, britischer Komponist der Nachkriegsgeneration, der sich über die künstlerische Orientierungslosigkeit am Ende des Jahrtausends nicht erst Gedanken macht, seit er als etablierter Künstler das Komponieren auch unterrichtet.
"Heute ist ja alles käuflich zu erwerben", sinniert er. "Sie können auf CD jede Musik aus jedem Kontinent zu jeder Tages- und Nachtzeit hören. Das verwischt die Konturen. Es gibt ja keinen musikalischen Nationalismus mehr", an dem man sich orientieren, oder den ...
Meditative Italianità aus Südtirol
Hubert Stuppner, Südtirols bekanntester zeitgenössischer Komponist und musikalischer Multifunktionär, der jüngst den Würdigungspreis für Musik des Wiener Unterrichtsministeriums erhielt, im Gespräch.
Ob das alles nicht ein bißchen nach Resignation klinge, frage ich Hubert Stuppner im Verlauf unserer Unterhaltung einmal, nachdem er eloquent über die Unmöglichkeit, heute noch wirklich "Neue Musik" zu komponieren, referiert hatte: "Resignation?", fragt er zurück, und gibt ebenso knapp die Antwort: "Absolut!" Das klingt aus seinem Mund allerdings keineswegs larmoyant, sondern ebenso wie eine nüchterne Bestandsaufnahme wie seine zuvor akribisch ausformulierten "Endzeitberichte" in Sachen Avantgarde.
Stuppner ist ein Künstler, der sich offenkundig präzis Rech...
Theater der »erlebten Musik«
»Narcissus« heißt das jüngste Auftragswerk der Grazer Oper, das beim »steirischen herbst« Anfang Oktober Premiere haben wird: Frucht zweieinhalbjähriger Arbeit Beat Furrers. Ein Gespräch.
14. September 1994
Beat Furrer zählt zu den bekanntesten Komponisten in der seit einigen Jahren erstaunlich belebten Wiener Avantgarde-Szene. Vor zwanzig Jahren ist der nun vierzigjährige Schweizer »eingewandert«, hat also sein halbes Leben in der österreichischen Hauptstadt verbracht, die als jeglicher Modernisierung abhold gilt.
Furrer, ganz Schüler Roman Haubenstock-Ramatis, war und ist gewiß nie bereit, Kompromisse für die Verehrer des reinen C-Dur-Dreiklangs einzugehen. Daß er es dennoch in Wien ausgehalten hat, daß er die Stadt auch als Nährboden begriffen, genütz...
»Ich hab' die Schnauze voll«
Krieg in Salzburg - Festspiel-Chef Gerard Mortier läßt im Gespräch Dampf ab: „Ich werde Claudio Abbados Alleingänge nicht mehr akzeptieren."
In den letzten Wochen mehrten sich die Anzeichen, daß im Salzburger Festspielhaus ein Machtkampf tobt. Claudio Abbado, der ebenso still wie konsequent die Übernahme der ehemals Herbert von Karajan vorbehaltenen absoluten Führungsposition betrieben hat, schien kurz vor dem Ziel. Nach den Osterfestspielen, die er Sir Georg Solti längst abgerungen hat, würde er dank vertraglicher Abmachungen nun offenbar auch den Programmplan des Sommerfestivals unwidersprochen diktieren können.
Nun schießt Gerard Mortier, der die Verträge anders auslegt, zurück. „Ich hab' die Schnauze voll", kommentiert er, über diesbezügliche Meldungen in ...
Freiräume für die Avantgarde
Pierre Boulez leitet zur Festwocheneröffnung erstmals ein „Philharmonisches" in Wien. Im Gespräch philosophierte er über musikalische Grundsatzfragen.
Eigentlich, so erläuterte der Dirigent und Komponist vor Journalisten, wollte er dieses Eröffnungskonzert im Musikverein als Gegenüberstellung von Mahlers Sechster Symphonie mit Werken der Wiener Schule gestalten, die direkt auf Mahler Bezug nehmen: Weberns und Bergs Orchesterstücke. "Das wäre aber für die Blechbläser zu schwierig gewesen. Jetzt spielen wir vor der Mahlersymphonie die frühen Lieder von Berg. Die Orchesterstücke reichen wir in Salzburg nach."
Für die Salzburger Festspiele plant Boulez neben Konzerten auch die einzige Oper, die er während der nächsten Jahre zu dirigieren gedenkt: Schönbergs "Moses...
Der Name hat sich herumgesprochen
Peter Seiffert ist, was Timbre und Schmelz betrifft, eine Ausnahme-Erscheinung unter deutschen Tenören. "Ich habe mich immer gewehrt", meint er im Gespräch, "einer ,vom Dienst' zu sein".
Deutsche Tenöre sind zumeist nicht das, was sich der Opernfreund unter einem Tenor vorstellt. Die Italiener, die Spanier haben da in Sachen Timbre und Schmelz Maßstäbe gesetzt, und nur selten erreicht ein "Germane" ähnliche sinnlich-stimmliche Qualitäten. Ihnen glaubt man viel eher den Bachschen Oratorienton als ein erotisierendes "Bella figlia..."
Hin und wieder aber gibt es Ausnahme-Erscheinungen, die solch scheinbar eherne Gesetze durchbrechen und schon auch Arien aus "Tosca" für Platte aufzunehmen wagen dürfen, ohne sich hernach dafür genieren zu müssen. Peter Seiffe...
Steter Zukunftsglaube
Auf der Suche nach dem offenen Kunstwerk verbringt Roman Haubenstock-Ramati sein Künstlerleben. Allem Dickicht zum Trotz hat er auf strapaziösen Pfaden die Orientierung nicht verloren.
Im Gefolge der Schönberg-Schule hat er, jenseits von dem, was ein erfolgreicher Kollege einmal "serielle Happenings" genannt hat, die Neugier nicht verloren, wie den Klängen, die uns umgeben, neue Gesetze abzulauschen wären.
Haubenstock-Ramatis Musik war nie - auch im zwölftönigen Anfang nicht - in Gefahr, einen formalen Scheinkrieg zu kämpfen, wie etwa Schönberg ihn zuweilen geführt hat, wenn er vorgeblich neuen Techniken alte Suitenund Serenaden-Käppchen überstülpte. Haubenstock war sich vom ersten Moment an bewußt, daß wirklich "neue" Musik aus sich heraus auch neue Formen...
»Laßt uns die drei Opernhäuser«
Götz Friedrich, Intendant der Deutschen Oper Berlin, im Gespräch: „Wir können nur reden, reden, reden, daß man uns die drei Opernhäuser in dieser Stadt läßt."
Was ich schon nicht mehr hören kann ist der Satz: Die Häuser müssen jetzt Profil beweisen. Also: Entweder man hat eins. Oder man findet eins. Wir haben ja unser Profil. Die Komische Oper von Harry Kupfer hat ihr Profil. Und die Staatsoper unter den Linden will und muß eine neue Identität finden. Sie holt auch auf, nicht zuletzt auch durch Budget-Unterstützungen, um es mal gelinde zu sagen."
Götz Friedrich, Chef der "Deutschen Oper" im Westen seit 13 Jahren, weiß wovon er spricht. "In dieser Stadt hat es immer drei Häuser gegeben. Jetzt will man uns weismachen, das sei ein Relikt der Frontstadtzeit. Da...
Marialuise Jaska
Sie tanzt am kommenden Samstag erstmals das Mädchen in Bartóks "Wunderbarem Mandarin" und erzählt im Gespräch über ihre Pläne.
Marialuise Jaska meint, daß die Zeiten, in denen man in Wien nur abendfüllende Klassiker spielen konnte, vorbei seien: "Wir wollen das Publikum, das bei den Tanzfestivals in den Messepalast kommt, auch in die Oper locken."
Gelingen soll das unter anderem mit zwei sehr unterschiedlichen Arbeiten von Uwe Scholz, Jahrgang 1958, hervorgegangen aus John Crankos Stuttgarter Truppe, Chef in Zürich und Leipzig. Von ihm kommen am Samstag ein Ballett nach Schumanns Zweiter Symphonie und - "weniger choreographiert als inszeniert", wie er sagt - der "Mandarin" nach Wien. Die Jaska hat er sich ausdrücklich gewünscht.
Manfred Honeck in Salzburg
Zehn Jahre lang war er Bratschist der Philharmoniker, nun steht er in Salzburg als Dirigent vor seinen ehemaligen Kollegen.
Seit dem Amtsantritt von Alexander Pereira fungiert der junge Vorarlberger als erster Kapellmeister der Zürcher Oper. Während seiner Zeit als Philharmoniker konnte Honeck die größten Dirigenten studieren. "Von Karajan, Kleiber und Bernstein habe ich ungeheuer viel gelernt," bekennt er im Gespräch und gibt sich zuversichtlich, als ehemaliger Kollege viele "Fehler", auf die Musiker allergisch reagieren, nicht zu machen.
"In meinem Leben ist alles auf glückliche Weise immer zur rechten Zeit gekommen. Mein Engagement im Orchester, die Berufung nach Zürich, viele Dirigier-Einladungen." Und jetzt eben die Mozartwoche -"mit Klassik", meint Honeck, ...