Tristan und Hans Sachs

Bei Richard Wagner ist nichts dem Zufall überlassen. Seine Verehrer freuen sich, wenn er sich in den Meistersingern von Nürnberg selbst zitiert und zu Hans Sachs‘ Worten „Mein Kind, von Tristan und Isolde weiß ich ein traurig Lied“ die Anfangstakte des Tristan erklingen. Doch hat dieses Zitat Methode. Denn Hans Sachs, der Held der Meistersinger, hat tatsächlich selbst ein Tristan-Drama (in sieben Akten!) gedichtet – und läßt es mit moralisierenden Worten – und etlichen Bezügen zu klassischen Autoren – enden:

So hat die tragedi ein endt.
Auß der wird offentlich erkendt,
Wie solche unorndliche lieb
Hat so ein starck mechtigen trieb,
Wo sie einnimbt ein junges hertz
Mit bitter angst, senenden schmertz,
Darinn sie also heftig wüt,
Verkert hertz, sin, vernunft und gmüt,
Wird leichtfertig, verwegen gantz,
Schlecht seel, leib, ehr, gut in die schantz,
Acht fürbas weder sitten noch tugent,
Es treff an alter oder jugent,

Wer sich in solche lieb begeit,
Welche ist vol trübseligkeit.
Diogenes nent sie argwönig,
Lieb sey ein süß vergiftes hönig.
Petrarcha thut die lieb nit breissen,
Nent die lieb güldene füßeysen,
Ein kurtze freud und langen schmertz,
Darmit gepeinigt wird das hertz,
Vol seuftzen, wain und jamer kleglich,
Wann es befind in liebe teglich
Eyffer, senen, meiden, abscheiden,
Vil klafferey und heimlich neiden,
Auß dem folgt mancherley unglück,
Eins bringt das ander auff dem rück,
Armut, kranckheit, schandt und schaden,
An leib und seel gottes ungnaden.

Auß dem so laß dich treulich warnen,
O mensch, vor solcher liebe garnen
Und spar dien lieb biß in die eh!
Denn hab ein lieb und keine meh!
Dieselb lieb ist mit Gott und ehren,
Die welt damit fruchtbar zu mehren.
Darzu gibt Gott selb allewegen
Sein gnad, gedeyen und milten segen.
Das stäte lieb und trew aufwachs
Im ehling stand, das wünscht

Hans Sachs.