Die Engelsstimme in den Ohren der Fachjuroren
Die Rezensenten der Zeitschrift „Gramophone“ verliehen der Sopranistin Gundula Janowitz den Sonderpreis für ihr Lebenswerk.
Wie so vieles, begab sich auch dieses Ereignis ausschließlich im Internet. Und das hat in diesem Fall sein Gutes, denn via YouTube kann nun wirklich jedermann dabei sein bei der Verleihung der „Gramophone Awards“ 2021. Vor allem österreichische Musikfreunde freuen sich, dass die Aufzeichnung auf YouTube jederzeit abrufbar ist. Immerhin haben die Rezensenten der Zeitschrift „Gramophone“ Gundula Janowitz den Preis für ihr Lebenswerk zuerkannt – und schon ihre Dankesrede, aufgenommen in Schuberts Sterbezimmer in Wien, sollte man gehört haben, vor allem ab jenem Moment, in dem die Geehrte vom Englischen ins frei gesprochene Deutsche wechselt: Da bedankt sich eine große Künstlerin, bescheiden geblieben und erfüllt von Musik, die spürbar an das glaubt, was sie sagt – allein das ein Labsal in Zeiten wie diesen . . .
James Jolly, „Gramophone“-Chefredakteur, begann seine Laudatio auf Gundula Janowitz mit einer Erinnerung an seine erste Begegnung mit Richard Strauss‘ „Vier letzten Liedern“: Diese Aufnahme, in der die Sopranstimme so unvergleichlich und vollendet schön über den Orchesterklangwundern der Berliner Philharmoniker unter Karajans Leitung schwebt, zählt nicht nur für ihn zu den „Inselplatten“. David Bowie, auf seine Art ja irgendwie wirklich „vom Fach“, bezeichnete sie als eine der 25 liebsten Plattenalben auf seiner persönlichen Hitliste.
In der Online-Dokumentation folgt dann ein kurzer Querschnitt durch das Aufnahme-Erbe der Gundula Janowitz; und es stimmt, was Jolly in seiner Einleitung sichtlich beeindruckt und staunend erwähnt: Diese Sängerin hat in den vier Jahrzehnten ihrer Karriere mit Knappertsbusch und Solti, Klemperer, Bernstein und Kempe, Carlos Kleiber und Kubelik gearbeitet. Sie war überdies Favoritin von Karl Böhm und betrachtete sich selbst als eine Art Ziehtochter Herbert von Karajans, mit dem sie sich in die Regionen der „Walküren“-Sieglinde und (einmal!) sogar der Kaiserin in der „Frau ohne Schatten“ vorwagte.
Vor allem aber blieb das lyrische und lyrisch-dramatische Fach ihre Domäne, und es klingt ganz selbstverständlich, wenn die Sängerin in ihrer Dankesrede Mozart und Schubert als ihre ewigen Hausgötter benennt.
Wie bei wenigen Kolleginnen war bei Gundula Janowitz der Liedgesang stets ebenso wichtig wie die Opernauftritte. So zählen neben zahllosen musiktheatralischen Dokumenten von Händel und Mozart über Weber und Wagner bis zu Strauss, dessen Musik dank ihrer instrumental-ebenmäßigen Stimmführung und dem Goldtimbre unvergleichlich aufblühte, die Lied-Aufnahmen zu den zentralen Leistungen, beginnend mit der epochemachenden Einspielung von Schuberts „Frauenliedern“ bis zur Raritätenpflege mit der stilbildenden Würdigung von Paul Hindemiths „Marienleben“. Fein, dass die Kollegen von „Gramophone“ diesen Preis rechtzeitig vor dem runden Geburtstag der Künstlerin verliehen haben, der 2022 zu feiern sei wird!