Das unverzichtbare Brahms-Set
Igor Levit und Christian Thielemann loten mit den Wiener Philharmonikern in die Tiefen der Klaviermusik von Johannes Brahms. Die Doppel-CD mit den beiden Klavierkonzerten und den späten Solo-Stücken gehört in alle Sammler-Regale.
Solche Neuerscheinungen gibt es nicht oft. Freilich: Diese hat sich angekündigt. Die Live-Aufführungen der Brahms-Konzerte mit Igor Levit und den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann waren allenthalben Sensationserfolge; und Levits Interpretationen der manchmal kargen, oft sperrigen, hie und da wunderbar melancholisch-verträumten späten Klavierstücke des Komponisten haben die Hörer auch bei den Salzburger Festspielen gefesselt.
Und das Wiederhören via CD verstärkt den suggestiven Eindruck noch: Man sitzt gebannt und lauscht einem Klavierspiel, das sich jeglicher virtuose Geste zugunsten struktureller Klarheit, zugunsten stimmiger Balance zwischen Expression und analytischer Durchdringung entschlägt. Wilhelm Kempff hat so Brahms gespielt – wenn er auch zu ganz anderen Klang-Ergebnissen gelangte. Seither wohl niemand.
Levit läßt sich auch von den wenigen berühmten Nummern der späten Zyklen, allen voran nicht vom A-Dur-Intermezzo oder dem zauberischen Es-Dur-Wiegenlied dazu verleiten, die übrigen, introvertierteren Stücke freundlich »aufzulichten« – eher deckt er in den freundlicheren Lichtungen dieses undurchdringlichen Musik-Waldes allerlei Dornen und Verschlingungen auf. Ein Wunschkonzert ist das nicht, eher schon eine Konzentrations- und Meditationsübung für den Hörer, die allerdings reiche Früchte trägt.