Pianist zu entdecken: Das Erbe Sergio Fiorentinos

Ein Pianist, beinah völlig vergessen, den Kollegen wie Benedetti-Michelangeli oder Horowitz geschätzt haben – Sergio Friorentino ist dank zweier CD-Editionen, der umfangreichere soeben erschienen ist – für unsere Tage neu zu entdecken: Transzendente Virtuosität im Dienste analytischer Klarheit.

»Il solo altro pianista«, meinte Arturo Benedetti-Michelangeli, »der einzige andere Pianist«, das wollte etwas bedeuten in den Fünfzigerjahren des XX. Jahrhunderts. Benedetti hatte die Jury des Wettbewerbs von Monza 1947 präsidiert, den der Zwanzigjährige Fiorentino gewann. Aus Neapel gebürtig und als Wunderkind bereits früh ans Konservatorium geschickt, war er in Italien schon eine Teenager-Legende. Der Wettbewerbssieg brachte den Durchbruch. 1948 spielte Fiorentino in Salzburg, nicht bei den, aber während der sommerlichen Festspiele, als Student der Meisterklasse von Carlo Zecchi gab er Chopins H-Moll-Sonate. Aufmerksame Radiohörer entdeckten den jungen Pianisten als Interpreten von Raritäten von Bartók, Strawinsky oder Martinu, aber auch von Rachmaninows »Corelli-Variationen«.
Einen weiteren Wettbewerbssieg konnte Fiorentino in Genf erringen. 1953 holte man für ein Solo-Recital in die New Yorker Carnegie Hall. Und eine amerikanische Rundfunkübertragung machte den zweiten ikonischen Pianisten jener Generation neugierig:

Unlängst hörte ich einen jungen Pianisten namens Fiorentino spielen. Kennen Sie den?

Vladimir Horowitz

Atemberaubende technische Meisteschaft

Wie Benedetti-Michelangeli hatte natürlich auch der russische Kollege Horowitz sofort die eminenten Fähigkeiten des jungen Mannes erkannt, dessen technische Meisterschaft tatsächlich bis heute verblüffend wirkt, nicht zuletzt, weil sie vollständig im Dienst der analytischen Durchdringung des Notentextes steht. Jegliche Show, jeglicher Tasten-Zirkus war Fiorentino fremd.

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