Archiv der Kategorie: Nachruf

René Clemencic ist tot

Tönende Weltgeschichte
Nachruf. Der Komponist, Interpret und Ensemble-Leiter aus Wien starb 94-jährig. Er hinterlässt als Sammler, Forscher und musikalischer Schatzgräber ein reiches Erbe an Schriften und Aufnahmen, die tief in die Urgründe unserer Kultur loten.
Manchmal schien es, als wäre man aus Versehen in eine Demonstration jugendlicher Revoluzzer geraten. Dabei waren es René Clemencic und seine Getreuen, die im Brahmssaal des Musikvereins die Musik mittelalterlicher Vaganten und Spielleute zu neuem Leben erweckten. Was René Clemencic bei seinen unermüdlichen Recherchen in den Archiven fand, verwandelte er stets in lebendigste Kunst. So ...

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Walter Barylli

Die Inkarnation des Wiener Geigers

Der langjährige philharmonische Konzertmeister starb 100-jährig.
10. Februar 2022
Er war der Inbegriff des wienerischen Musikers, durch und durch in der Geigentradition seiner Stadt aufgewachsen und schon in jüngsten Jahren Mitglied der Philharmoniker. Mit 17 schaffte es Walter Smykal, der bald den Namen Barylli führte, das Probespiel – aus durchaus traurigem Anlass, denn mit dem sogenannten Anschluss Österreichs hatten jüdische Mitglieder das Orchester verlassen müssen. Doch Baryillis Können war außergewöhnlich. So avancierte er rasch zum Konzertmeister, eine Position, die er für mehr als drei Jahrzehnte...

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Hans Neuenfels

Regisseur Hans Neuenfels ist 80-jährig gestorben. Er verstand es, sein Publikum zu reizen, machte es oft aber auch glücklich.
Neu definierte Theater-Schwerkraft
Er war das Enfant terrible der deutschen Theaterszene und sorgte immer wieder für Aufruhr. Zuletzt galt er aber eher als Grand-Père und jedenfalls als nicht mehr ganz so terrible. Hie und da konnte man ihn ja früher schon beinahe lieb gewonnen haben. Ehrlich! Das muss auch der größte Skeptiker zugeben. Einfach war es natürlich nicht mit Hans Neuenfels, der aus Krefeld stammte, aber im wienerischen Theatermyzel aufgewachsen war. Sogar seine treue Begleiterin auf der Bühne und im wirkli...

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Strehlers Bühnenmagier

NACHRUF
Zum Tod von Ezio Frigerio, der allein für die Mailänder Scala 32 Bühnenbilder entworfen hat und 91jährig gestorben ist.
Es liegt dreieinhalb Jahrzehnte zurück, aber, wenn ich ganz persönlich werden darf, die Empfindung ist für mich nach wie vor präsent, wie wenige Theatererlebnisse: Als sich der Vorhang über dem zweiten Bild in Giorgio Strehlers Mailänder Don Giovanni-Inszenierung öffnete, vergaß ich aufs Zuhören; obwohl Riccardo Muti dirigierte und eine sündteure Sängerbesetzung auf der Bühne stand. Dieses Sevilla im Gegenlicht raubte den Zuschauern den Atem.

Der Traum von einer Opernszenerie stammte von Ezio Frigerio, einem der mei...

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William Cochran

Der amerikanische Heldentenor, der einst in Wien eine "Lohengrin"-Premiere rettete, starb 78-jährig.
Hektische Stunden im Betriebsbüro der Wiener Staatsoper im Februar 1975. Die Neuinszenierung von Wagners "Lohengrin" durch Joachim Herz, deren Premiere das Haus-Debüt des Dirigenten Zubin Mehta sein sollte, war minutiös vorbereitet worden - und am Tag der Generalprobe erkrankte der Titelheld, James King. Als Retter in der Not erschien William Cochran, Mitglied des Ensembles der Frankfurter Oper, viel beschäftigt auch an der Bayerischen Staatsoper. Man hatte den amerikanischen Tenor in Wien schon des öfteren als Erik im "Fliegenden Holländer" g...

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Niksa Bareza

Der langjährige Chefdirigent der Grazer Oper ist 85jährig gestorben.
18. Jänner 2022
Der kroatische Dirigent Niksa Bareza war in den Achtziger- und Neunzigerjahren eine der prägenden Gestalten des österreichischen Musiklebens. Als Musikdirektor der Grazer Oper setzte er Maßstäbe - sogar mit einer Neuproduktion von Wagners "Ring des Nibelungen", die vom ORF-Fernsehen dokumentiert wurde. Das war vermutlich der Höhepunkt in der Karriere des Künstlers, der zunächst in seiner Heimat als Musikchef am koratischen Nationaltheater Agram reüssiert und von dort aus an Häuser wie das Moskauer Bolschoi-Theater oder die Zürcher Oper kam.

In Wien war Barez...

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Maria Ewing

Im Alter von 71 Jahren ist Maria Ewing gestorben. Die Amerikanerin machte Mitte der Siebzigerjahre eine Blitzkarriere und war quasi über Nacht an einigen der bedeutendsten Häusern zu erleben. Ihr Bühnentemperament sicherte ihr in einer Zeit, da Publikum und Regisseure mehr und mehr auch auf die optische Präsenz der Darsteller achteten, sogelich höchste Aufmerksamkeit. Bei Ewing, Tochter einer Holländerin und eines Afro-Amerikaners, war es stets die blutvolle Darstellung der Charaktere, die Zuschauer und Kritiker überzeugte. Daß sie auch mit ebenso charakteristischer Stimme und guter Stimmbeherrschung sang, nahm man befriedigt zur Kenntnis.

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Herbert Vogg

Hintergründiger Humor für die Neue Musik
Zum Tod des legendären Wiener Musikwissenschaftlers, Verlegers und Opern-Librettisten Herbert Vogg.
Sein spitzbübisches Lächeln fehlte im Wiener Musikleben seit längerer Zeit. Herbert Vogg, nie um eine hintergründige Bemerkung verlegen und stets auf der Lauer, ob sein Gegenüber den Hintersinn bemerken würde, war in seinem letzten Lebensjahr krank und mehr und mehr daran gehindert, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Den Posten des Regisseurs der hinter den Kulissen waltet, hatte er zuvor meisterlich ausgefüllt. Als Leiter des Wiener Musikverlags Doblinger war Herbert Vogg entscheidend am Ausbau der Rei...

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Gertraud Jesserer

Die Kraft der Zartheit
Die große und subtile Wiener Charakterdarstellerin starb kurz vor ihrem 78. Geburtstag bei einem Wohnungsbrand.

Sie war eine der populärsten Schauspielerinnen Österreichs, ein Star schon zu Schwarz-Weiß-Zeiten des ORF als Gerda in der legendären Fernsehfamilie Leitner. Das waren jene Zeiten, in denen man via TV ganz selbstverständlich das Beste aus unseren Theatern holte, weil man sich dort noch darauf verstand, wirklich herzhaft Komödie zu spielen. In diese wienerische Theaterlandschaft war Gertraud Jesserer zwar nicht sprichwörtlich hineingeboren worden, aber der Theaterbazillus hatte sie schon als Jugendliche so seh...

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Gerhard Crepaz

Der Kultur-Animator
Zum Tod von Gerhard Crepaz, einem der weitblickendsten Veranstalter dieses Landes, der Hall in Tirol zum Kultur-Hotspot machte.
Seine Stimme war aufgeschlossenen Musikfreunden vertraut. Nicht wenige von ihnen verdanken dem ruhig, aber offenbar höchst engagierten Radio-Moderator Gerhard Crepaz entscheidende Anregungen zur Erweiterung ihres Horizonts. Man wandelte an seiner Hand durchs Dickicht der Avantgarde-Stile, und an den unscheinbarsten Stellen ließ er uns dann die Orchideen entdecken. Schöner konnte das Motto einer Sendereihe, die da hieß „Musik hören – Musik verstehen“ nicht in Radio-Realität verwandelt werden.
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