Anders als das unmittelbare Vorgänger-Werk
Saul, war
Israel in Ägypten kein spontaner Erfolg für Händel. Die Hörer staunten zwar über die eindrucksvollen Chöre, warteten aber vergeblich auf die opernhaften Solo-Szenen, die noch in
Saul so großen theaterpsychologischen Effekt gemacht hatte. Zudem erwies sich der Chor anläßlich der Uraufführung im April 1739 als unzureichend vorbereitet. Womit der Mißerfolg besiegelt war. Der Komponist brachte sogleich eine Neufassung des Oratoriums heraus und annoncierte es als
gekürzt und vermischt mit Liedern.
Die Kürzung betraf vor allem den gesamten ersten Teil der ursprünglich dreiteiligen Anlage, die Lamentationen auf den Tod Josephs. Die
Lieder, waren einige Arien, die der Charakterisierung der Figuren dienten.
Doch auch in der Neufassung war
Israel in Ägypten nie wirklich erfolgreich. Erst die groß besetzten Wiedergaben durch riesige Laienchöre machten das Werk im viktorianischen England zum beliebtesten Händel-Oratorium nach dem
Messias.
In der zweiten Fassung besteht
Isarael in Ägypten aus den Teilen
Exodus und
Der Gesang Moses'.
Von den Klagegesängen auf Joseph, die ursprünglich Teil I bildeten - und die Händel großteils aus der Trauerkantate auf Königin Caroline (die Gattin König Georgs II., 1737) entlehnt hatte, blieb lediglich die expressive Introduktion, die nun am Beginn des Werks steht.
Im Abschnitt
Exodus mit seiner bedrückenden Schilderung des Elends unter pharaonischer Knechtschaft, beeindruckt vor allem die Passage, die das Entsetzen der Israeliten über die Verwandlung des Wasser aus dem Nil in Blut beschreibt - und der Kontrast zur folgenden Szene, in der geradezu amüsant die hüpfender Frösche und surrenden Insekten musikalisch nachgezeichnet werden, die ersten Plagen, die Ägypten heimsuchen, ehe Hagel und Feuerstürme das Land verheeren und in Finsternis tauchen.
Moses führt sein Volk daraufhin
like sheep (»wie die Schafe«) durch das Rote Meer: Gott der Herr teilt die Fluten, läßt sie dann aber über den folgenden Ägyptern zusammenschlagen. Ein feierlicher Chor zum Lob Gottes und seines treuen Knechts Moses beschließt Teil I des Oratoriums.
Der zweite Teil,
Der Gesang des Moses, ist eines jener Werke Händels, die in unfaßbar kurzer Zeit entstanden. Elf Tage brauchte der Komponist für die Niederschrift der dieser strahlenden Hymne auf die Rettung
Israels - für Händel war diese Musik wohl auch eine Art Dankgebet für seine Genesung von jenem Schlaganfall, der ihn im Jahr zuvor zeitweise gelähmt hatte. Hier wird die ursprüngliche Anlage des GEsamtwerks als großangelegtes Chor-Epos wieder sichtbar. Es sind vor allem Duette (eines für zwei Soprane, eines für zwei Bässe), die gliedernd als solistische Nummern eingefügt werden. Der bewegenden Beschwörung des Schicksals eines Volkes im Exil (
The people shall hear) folgt als krönender Abschluß ein Lobgesang hellster Freude:
The Lord shall reign for ever and ever.