Esther
1. Fassung 1718, 2. Fassung 1732
Dies war der erste Versuch mit der Form des Oratoriums, die Händel auf englischem Boden anstellte. Noch war er vor allem ein gesuchter Opernkomponist. Doch im Auftrag des Earl of Chandos gab man 1718 auf dessen Gütern eine halb szenische, halb konzertante Aufführung, zu der Händel die Musik liefert - wie immer in Zeitnot und unter Einbeziehung von etlichen Nummern aus seiner Passionsmusik nach Brockes, weshalb manches nicht recht auf die Texte zu passen schien. Doch nutzte Händel die Gelegenheit, in den dramatischen Passagen des Esther-Textes durch neu komponierte Musik sein dramatisches Geschick und machte die eigenwillige Mixtur aus klassischer einglischer Masque und italienischem Oratorium zu einem eminenten Erfolg.Esther sollte in Händels Leben noch eine eminente Rolle spielen. Mit dem Mißerfolg seiner letzten großen Londoner Opern, 1732, galt es, das Publikum für Neues zu interessieren. Eine Wiederaufführung der Esther in neuer Bearbeitung führte an seinem 47. Geburtstag, 1732, die Trendwende herbei: Esther war ein derartiger Erfolg beschieden, daß mit dieser Wiederaufführung eines 14 Jahre alten Stücks eine jahrhundertelange englische Tradition begründet wurde: Händel hatte das Oratorium »erfunden« - schon wenige Wochen nach Esther folgte mit Deborah das zweite - wiederum auf Musik der Brockes-Passion basierende - große Werk der Gattung.
Ein Siegeszug begann.
Aufnahmen
Harry Christopher hat das Werk mit seinem Ensemble Sixteen in der Gestalt der Uraufführungsversion von 1718 aufgenommen, unter Einbeziehung eines Oboen-Konzerts als Zwischenaktsmusik, allerdings mit einem gegenüber dem Uraufführungs-Ensemble doch stark vergrößerten Aufgebot an Instrumentalisten. Lynda Russell, Nancy Argenta, Michael Chance, Mark Padmore, Tom Randle und Michael George sind die Solisten.John Butt hat mit einem vokal nicht ganz so agilen Ensemble, angeführt von Susan Hamilton und Robin Blaze, die Ensemble-Größe der Händel-Zeit genau rekonstruiert. Seine Aufnahme von 2012 klingt daher reduzierter, karger - und bezieht sich auf die erste Bearbeitung der Partitur, die Händel selbst zwei Jahre nach der Urafführung hergestellt hat - was sich allerdings für den Hörer kaum bemerkbar macht. Die Unterschiede sind marginal.