
Auch und gerade bei diesem Werk Jules Massenets haben sich die Opernfreunde daran gewöhnt, daß die Musik mit dem dicken Pinselstrich eines Puccini gemalt wird. Tatsächlich entstammt sie einer anderen Epoche und war über die Jahrzehnte hin bei den Kräften der Pariser Opéra Comique stilistisch am besten aufgehoben. Noch im Bewußtsein der großen Spieltradition ging man 1952 ins Plattenstudio, um den »Werther« im Geiste des Hauses aufzunehmen. Die Namen der Interpreten kennt man kaum noch; doch ihre schlanke Stimmführung, getragen von der Poesie eines transparenten, nur in den entscheidenden Momenten kraftvoll geballten Orchesterklangs unter Georges Sebastian verrät noch viel vom Stilgefühl der Belle Époque.