Klarinetten-Trios

Decca 2022

Bei Beethoven fängt der musikalische Spaß erst richtig an.

Drei Wiener Musiker haben die Lockdowns der Corona-Pandemie genützt, um das Repertoire an Klarinettentrios zu durchforsten. Sieben CDs sind bei Decca erschienen

Kundige Kammermusikfreunde kann man mit der Frage nach einem Klarinetten-Trio nicht aufs Glatteis führen. Sie kennen vermutlich sogar die Opuszahl 114, die zu Johannes Brahms‘ Spätwerk gehört. Aber selbst geeichte Kenner geraten ins Stocken, wenn sie weitere Stücke für Klarinette, Violoncello und Klavier nennen sollten. Beethovens „Gassenhauertrio“ ist 1797 für dieselbe Kombination entstanden.
Aber sonst?

Mehr als sieben Stunden Musik haben Daniel Ottensamer, Stephan Koncz und Christoph Traxler nun in einer CD-Box vorgelegt, aparte Frucht zweier Lockdowns der Corona-Jahre. Die drei Musiker musizieren seit langem miteinander – Koncz und Ottensamer, beide aus Wiener Künstlerfamilien, kennen einander seit ihrer Kindheit. Und das hört man. Ganz abgesehen vom breiten Repertoirespektrum, das diese Anthologie abdeckt, gehören die Aufnahmen zu den feinsten Kammermusik-Neuerscheinungen des vergangenen Jahres. Wie man Pointen, deren hier viele zu setzen waren, einander zuspielt, wie man eines Sinnes im klassischen und romantischen Repertoire Atem holt, das haben die drei offenbar mit der Muttermilch eingesogen – und bei vielen gemeinsamen Live-Auftritten zur Freude des Publikum hören lassen.

Kluge Dramaturgie

Vielleicht liegt es auch daran, dass man beim Hören der höchst unterschiedlichen Werke, die hier in klugen dramaturgischen Einheiten zu einzelnen CD-Programmen gefügt wurden, kaum je auf die Idee kommt, hier wären Meisterwerke mit Stücken geringerer Aussagekraft kombiniert worden, nur weil sie zufällig vom selben Ensemble ausgeführt werden können. Dass die Edition ausgerechnet mit Beethovens launigem Trio eröffnet wird, erzählt schon viel darüber, wie überzeugt die Musiker selbst von ihren Entdeckungen gewesen sind.
Was nachkommt, ist kaum je schwächer. Nur anders, ganz anders zum Teil. Gewiss, den beiden Beethoven-Werken (auch ein Arrangement des berühmten Septetts ist zu hören) musste mit Arvo Pärt wirklich ein Gegenpol entgegengesetzt werden, der sich freilich als fantasievolle Auseinandersetzung mit einem Mozart-Fragment entpuppt.
Im Übrigen lauscht man fasziniert, was sich an bemerkenswerten Stücken in England und Russland, aber auch in Skandinavien gefunden hat. Charmant, dass bei den französischen Beiträgen der fesselndste von einer Dame, Louise Farrenc stammt, amüsant, dass sogar in Wien um 1900 zwei Herren dem schwer egalisierbaren Brahms-Vorbild nacheiferten: Alexander von Zemlinsky gelang ein exzellentes Stück, seinen Schüler Arnold Schönberg hingegen verließ schon nach 20 Takten der Mut . . .
So kann man diese CD-Sammlung zu musikhistorischen Studien nutzen und muss sogar bei unsern Zeitgenossen nicht verzagen. Zwischen Rota und Rihm, Widmann und Cerha lässt sich allerhand Ansprechendes ausmachen.