Die Suite im Barock

DIE SÄTZE DER BAROCK-SUITE

und ihre Charaktereigenschaften
beschrieben in Johann Matthesons
Der vollkommene Capellmeister 

1739

ALLEMANDE

Die Allemanda, als eine aufrichtige Teutsche Erfindung, [gehet] vor der Courante, so wie diese vor der Sarabanda und Gigue her, welche Folge der Melodien man mit einem Nahme Suite nennt. Die Allemande nun ist eine gebrochene, ernsthaffte und wol ausgearbeitete Harmonie, welche das Bild eines zufriedenen oder genügten Gemüths trägt, das sich an guter Ordnung und Ruhe ergebet. 

COURANTE

Die Leidenschaft oder Gemüthes Bewegung, welche in einer Courante vorgetragen werden soll, ist die süße Hoffnung. Den es findet sich etwas herzhafftes, was verlangendes und auch was erfreuliches in dieser Melodie: lauter Stücke, daraus die Hoffnung zusammengefüget wird.

SARBANDE

So hat dieselbe keine andre Leidenschaft auszudrucken, als die Ehrfurcht [. . .]; daß sie keine lauffende Noten zuläßt, weil die Grandezza solche verabscheuet, und ihre Ernsthafftigkeit behauptet.

MENUETT

Es hat [. . .] keinen andern Affect, als eine mäßige Lustigkeit. Wenn die Melodie eines Menuetts nur sechzehn Tact lang ist, (denn kürzer kan sie nicht seyn), so wird sie wenigstens einige Commata, ein Semicolon, ein Paar Cola, und ein Paar Puncte in ihrem Begriff aufzuweisen haben. Das sollte mancher schwerlich dencken; und ist doch wahr.

BOURRÉE

Eine Melodie, die mehr fließendes, glattes, gleißendes und aneinander hängendes hat, als die Gavotte, ist die Bourrée. [. . .] Doch muss ich hier sagen, dass ihr eigentliches Abzeichen auf der Zufriedenheit, und einem gefälligen Wesen beruhe, dabey gleichsam etwas unbekümmertes oder gelassenes, ein wenig nachläßiges, gemächliches und doch nicht unangenehmes vermacht ist.

GAVOTTE

Ihr Affect ist wirklich eine rechte jauchzende Freude. Ihre Zeitmaaße ist zwar gerader Art; aber kein Vierviertel Tact; sondern ein solcher, der aus zween halben Schlägen bestehet; ob er sich gleich in Viertel, ja gar in Achtel theilen läßt. Ich wollte wünschen, daß dieser Unterschied ein wenig besser in Acht genommen würde, und daß man nicht alles so überhaupt eine schlechte Mensur nennen mögte: wie geschiehet. Das hüpffende Wesen ist ein rechtes Eigenthum dieser Gavotten; keineswegs das lauffende. 

GIGUE

Die welschen Gige endlich, welche nicht zum Tanzen, sondern zum Geigen (wovon auch ihre Benennung herrühren mag) gebraucht werden, zwingen sich gleichsam zur äußersten Schnelligkeit oder Flüchtigkeit; doch merhrentheils auf eine fließende und keine ungestüme Art: etwa wie der glattfortschießende Strom-Pfeil eines Bachs.