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Parsifal
Wie Wagner zu »Parsifal« kam
Wie so oft bei Richard Wagner stimmen Historie und autobiographischer Bericht nicht überein. Wagner erzählte einst bildhaft von einem Erweckungserlebnis am milden Karfreitag des Jahres 1856, als ihm wie in einer Erleuchtung sein Parsifal-Drama vor Augen stand, das er dann in einem genialen Wurf sogleich umfassend skizzierte. Ein schöpferisches Ur-Erlebnis, das später in der Musik des berühmten Karfreitagszaubers seine künstlerische Erfüllung finden sollte.
Nichts davon sei wahr, gestand der Dichter-Komponist später seiner Cosima, die Geschichte sei »eigentlich an den Haaren herbeigezogen«. Es sei gar kein Karfreitag gewesen, »nur eine hübsche Stimmung in der Natur, von welcher ich mir sagte: So müßte es sein am Karfreitag.«
Tatsächlich ist der Parsifal, wie manch anderes Wagnersches Musikdrama, in einem Jahrzehnte umspannenden, langsamen Reifeprozeß entstanden, in dessen Spätphase erst der endgültige Text-Entwurf entstand, und ganz zuletzt die nun als Faksimile vorliegende Partiturreinschrift.
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Parsifal in Wagners Worten
Im August 1865 verfaßte Richard Wagner innerhalb weniger Tage ein komplettes Szenarium eines Musiktheater-Projekts, das zu seinem Bühnenweihfestspiel »Parsifal« werden sollte. Noch ist die Schreibweise der Namen anders, aber in großen Zügen bildet sich bereits der Gang des Dramas heraus.
Parzival
Richard Wagner (27. – 30. August 1865)
Anfortas, der Hüter des Grals, siecht an einer unheilbaren Speerwunde, die er in einem geheimnißvollen Liebesabentheuer empfangen. Titurel, der ursprüngliche Gewinner des Grales, sein Vater, hat in höchstem Alter dem Sohne sein Amt, somit die Herrschaft über die Gralsburg – Monsalvat – übergeben. Er muß dem Amte vorstehen, trotzdem er sich durch den begangenen Fehltritt dessen unwürdig fühlt, bis ein Würdigerer erscheint, es ihm abzunehmen. Wer wird dieser Würdigere sein? Woher wird er kommen? Woran wird man ihn erkennen? –
Der Gral ist die krystallene Trinkschale, aus welcher einst der Heiland, beim letzten Abendmahl, trank und seinen Jüngern zu trinken reichte: Joseph von Arimathia fing in ihr das Blut auf, welches aus der Speerwunde des Erlösers am Kreuze herabfloß. Sie ward als heiligstes Heiligthum lange Zeit der sündigen Weit geheimnißvoll entrückt. Als in rauhester, feindseligster Zeit endlich unter der Bedrängniß durch die Ungläubigen die heilige Noth des Christenthums am Höchsten stieg, trieb die Sehnsucht, das wundervoll stärkende Heiligthum, von dem alte Kunde vorhanden war, gottbegeisterte, von heiligem Liebesverlangen ergriffene Helden, zum Aufsuchen des Gefäßes, in welchem das Blut des Heilands (sangue réale – woraus: San Greal – Sanct Gral – der heilige Gral entstand) lebendig und göttlich belebend sich der heilsbedürftigen Menschheit erhalten hatte.
Titurel und seinen Treuen ist das Heiligthum wunbar entdeckt und in Pflege übergeben worden. Er schaarte um sich die heilige Ritterschaft zum Dienst des Grales, baute die Burg Monsalvat, in wildem, unnahbar entlegenen Gebirgswald, die Niemandem aufzufinden war, als wer zur Pflege des Grales sich würdig erwies. Seine Wunderkraft bekundete das Heiligthum zunächst dadurch, daß es seine Hüter jeder irdischen Sorge überhob, indem es für Speise und Trank der Gemeinde sorgte. Durch geheimnißvolle Schriftzeichen, welche beim Erglühen des Krystalls an dessen Oberfläche sich zeigten, und nur dem würdigen Hüter der Ritterschaft verständlich waren, meldet der Gral die härtesten Bedrängnisse Unschuldiger in der Welt, und ertheilt seine Weisungen an diejenigen der Ritter, welche zu ihrem Schutze entsendet werden sollen. Die Ausgesandten begabt er mit göttlicher Kraft, so daß sie überall siegen. Den Tod bannt er von seinen Geweihten: wer das göttliche Gefäß erblickt, kann nicht sterben. Nur aber, wer vor den Verlockungen der Sinnenlust sich bewahrt, erhält sich die Kraft des Segens des Grales: nur dem Keuschen offenbart sich die beseligende Macht des Heiligthumes. –
Jenseits der Gebirgshöhe, in dessen heilig nächtiger Waldung Monsalvat – nur dem Geweihten zugänglich – liegt, dort wo sich anmuthige Thalwindungen dem Süden und dessen lachenden Ländern zuziehen, liegt eine andere ebenso heimliche als unheimliche Burg. Nur auf zauberhaften Wegen wird auch sie aufgefunden; der Fromme vermeidet, ihr zu nahen; wer ihr aber naht, kann der bangen Sehnsucht nicht wehren, mit der es ihn nach den glänzenden Zinnen verlockt, welche aus einer nie gesehenen Pracht der wun- derbarsten Blumenbaumwaldungen hervorragen, und von wo zauberisch süßer Vogelgesang herdringt, berauschende Wohlgerüche sich über den Umkreis ergießen. – Dieß ist Klingsor's Zauberschloß.
Dunkle Sagen gehen über den Zauberer. Niemand sah ihn: man kennt ihn nur an seiner Macht. Diese Macht ist: Zauberei. Das Schloß ist sein Werk: durch ein Wunder ist es entstanden, mitten in einer früher öden Gegend, in welcher zuvor nur die Hütte eines Einsiedlers gestanden. Wo jetzt Alles auf das Üppigste und Berauschendste wie an einem ewigen Frühsommerabende blüht und webt, war einst – in nackter Wüste – nur das einsame Hüttchen zu sehen. Wer ist Klingsor? Dunkle unfaßliche Mären, sonst weiß man nichts von ihm. Vielleicht kennt ihn der alte Titurel?
Doch durch ihn ist nichts zu erfahren: im höchsten Greisenalter erstumpft, ist er nur noch durch die Wundermacht des Grales unter den Lebendigen. Es giebt aber einen alten Waffenknecht Titurels, Gurnemans, der jetzt noch Anfortas treulich dient: der müßte etwas wissen: auch giebt er manchmal zu verstehen, daß er etwas von Klingsor wüßte; aber man bringt nicht viel von ihm heraus: hat er kaum etwas Unglaublich-Seltsames berichten zu wollen den Anschein genommen, so schweigt er wieder, lächelnd, als ob man von so etwas nicht sprechen dürfte. Vielleicht hat es ihm einst Titurel verboten. Man vermuthet, Klingsor sei derselbe, der einst als Einsiedler fromm jene jetzt so veränderte Gegend bewohnte: – es heißt, er habe sich selbst verstümmelt, um die sinnliche Sehnsucht in sich zu ertödten, welche zu bekämpfen durch Gebet und Buße ihm nie vollständig gelungen sei. Von der Gralsritterschaft, der er sich anschließen wollen, sei er durch Titurel zurückgewiesen worden, und zwar aus dem Grunde, daß die Entsagung und Keuschheit aus innerster Seele fließen, nicht aber durch Verstümmelung erzwungen sein müsse.
Niemand weiß hiervon Genaues. Nur ist gewiß, daß seit Anfortas' Zeiten man plötzlich von jenem Zauberschlosse gehört hat, und daß die Gralsritter häufig gewarnt wurden, nicht in die Schlingen zu gerathen, die von jener Gegend aus nach ihrer Reinheit ausgeworfen würden. Jenes Schloß birgt in Wahrheit die schönsten Frauen der Welt und aller Zeiten, die dort durch Zauber unter Klingsor's Bann gehalten, und zum Verderben der Männer, namentlich der Gralsritter, von ihm mit aller Macht der Verführung ausgestattet wurden. Man meint, es seien Teufelinnen. Mehrere Gralsritter sind von ihren Fahrten nicht heimgekehrt; man fürchtet, sie seien in Klingsor's Macht gefallen. Gewiß ist leider, daß Anfortas selbst, als er den seiner Ritterschaft drohenden Zauber zu bekämpfen ausgezogen war, in die Schlingen der Verführung fiel, von einem seltsamen, wunderschönen Weibe abseits gelockt, und dort tückisch von Bewaffneten überfallen wurde, die ihn binden und zu Klingsor führen sollten: mit Mühe habe er sich gewehrt, und, zur Flucht gewendet, jenen Speerstich in die Seite erhalten, an dem er nun siecht, und von dem ihn nichts zu heilen vermag.
Die Ritterschaft, die ganze Gralsgemeinde ist nun eifrigst um die Heilung ihres Hüters bemüht. Nach allen Gegenden ziehen Pilgerfahrten aus, um die rechte Arzenei, den gnadenvollen Balsam aufzusuchen; aus den fernsten Zonen kehren sie zurück: welches Heilmittel auch gewonnen ward, keines will die Wunde heilen. Täglich bricht sie neu auf: unsäglich sind die Qualen des Verwundten: nichts verwag sie zu lindern. – Nicht aber die Schmerzen der Wunde sind es, die Anfortas Seele umnachten: sein Leiden ist tiefer. Er ist der Erlesene, der das Wundergefäß zu pflegen hat: er und kein Anderer hat den heiligen Zauber zu üben, der die ganze Ritterschaft erquickt, stärkt und leitet, während nur Er einzig zu leiden hat, zu leiden um des schrecklichsten Selbstvorwurfes Willen, sein Gelübde verrathen zu haben. Er, der Unwürdigste aller, muß täglich – zu seiner furchtbaren Strafe, das heilige Gefäß berühren: auf sein Gebet muß der göttliche Inhalt der Schale in leuchtendem Purpur fließen, auf sein Fürwort sich der nährende Segen den geweihten Rittern erschließen. Ja, ihn selbst, den rettungslos Leidenden, erfüllt des Grales Wundermacht täglich mit neuer Lebenswärme: dünkt ihm der Tod sein einziger Erlöser, so verdammt ihn nun der Segen des Grales, ewig zu leben? Möchte er sich, um den Tod zu gewinnen, der Wonne, den Gral zu schauen, enthalten: wie um seines Gelübdes willen er muß, zwingt ihn auch die inbrünstige Sehnsucht der Seele dazu, von Neuem sich in diesen segenvollen Anblick zu verlieren, von Neuem den goldenen Purpur leuchten zu sehen, immer wieder die Gluth dieses göttlichen Glanzes in sein Innerstes dringen zu lassen, beseligend – und zermalmend. Denn, ach! jetzt, wenn das himmlische Blut des Erlösers segenvoll in sein eigenes Herz sich ergießt, wie muß vor der göttlichen Berührung da sein eigenes frevelhaftes Blut sich flüchten! Das sündenvolle drängt sich verzweiflungsvoll scheu aus dem Herzen, sprengt die Wunde von Neuem und ergießt sich in die Welt der Sünde, – dort – durch dieselbe Wunde, wie sie einst der Erlöser am Kreuze empfing, durch die er sein Blut ergoß aus mitleidender Liebe für die jammervolle, sündige Menschheit, und wo ihm, dem sündigen Hüter des göttlichen Erlösungsbalsam's, das heiße Sündenblut unversiegbar entströmt, zur ewigen Mahnung an seinen Frevel! – Da nahen die Ritter, die Stunde schlägt, er muß den Zauber üben: sie jammern und klagen um seine Wunde, suchen eifrigst ihm zu helfen, schaffen Heilmittel und Balsam herbei, und ahnen nicht, wo seine Wunde blutet, und wo er unheilbar ist. – So hat der Elende endlich durch brünstig Gebet den Gral um ein Zeichen gefragt, ob er Erlösung hoffen dürfe, und wer ihn zu erlösen berufen sein könne? Das Zeichen hat erglänzt: er hat die Räthselworte gelesen: »mitleidend leidvoll wissend ein Thor wird dich erlösen«! – Wer kann der sein, der nur »durch Mitleiden leidet, und ohne zu wissen weiser ist als andere?« – O, der Ersehnte! Wenn er lebt, möge er die Wege zu dem Heiligthume finden: der Qual ein Ende, der Wunde die Narbe, dem Herzen die Ruhe; wann bringst du sie, »mitleidend leidvoll wissender Thor«? –
Alles versuchen die Treuen, die Schmerzen des geliebten Herren zu mildern: Am Morgen tragen sie ihn in einer Sänfte nach dem heiligen See im Walde herab, dort sich zu baden, an dem edlen Quelle zu trinken. Da scheint er in der lieblichsten Frische ein wenig aufzuleben: Boten kommen mit neuen Heilmitteln, die fern aufgefunden: ach, keines wird helfen.
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Tannhäuser
Richard WagnerTannhäuser und der Sängerkrieg auf WartburgRomantische Oper in drei AktenUraufführung: 19. Oktober 1845, Dresden
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die Weltluft mich mit immer eisigerer Kälte anwehte.
Doch als man i...
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