Brahms: Symphonien

Der Symphoniker Brahms

Den Tritt des „Riesen Beethoven“ im Nacken, hat Brahms lang gezögert, sich dem symphonischen Genre zuzuwenden. An seiner Ersten hat Brahms daher jahrelang gearbeitet. Als der Bann gebrochen war, folgten freilich drei weitere, höchst unterschiedliche Beiträge zur romantischen Geschichte der Symphonie – alle vier sind aus dem Repertoire nicht mehr wegzudenken und markieren neben den Symphonien Anton Bruckners den Höhepunkt des Genres im späten XIX. Jahrhundert.

Symphonie Nr. 1
c-Moll, op. 68 (1862 – 1877)

Wüßte man nicht, wie sehr sich Brahms mit der Komposition der c-Moll-Symphonie gequält hat, man könnte denken, sie sei das Produkt einer knappen eruptiven Phase des Inspiration. Alles scheint aus der gewaltigen Drohgebärde des Symphoniebeginns herauszuwachsen und kämpferisch – nach dem Muster von Beethovens Fünfter – einem sieghaften C-Dur-Finale zuzustreben.

SPÄTERE KORREKTUREN

Doch der Schein trügt: Die Introduktion mit ihren unerbittlich pulsierenden Paukenschlägen hat Brahms nachträglich dem Allegroteil des ersten Satzes vorangestellt.

Und auch der wunderbar entrückte, lyrische langsame Satz fand nur mit Mühen seine heute bekannte, ruhig fließende Form. Bei der Uraufführung waren die Formteile noch anders „montiert“.

(Günter Neuhold und Charles Mackerras haben das in verdienstvollen Einspielungen der rekonstruierten ursprünglichen Version dokumentiert.)

Mackerras – Scottish Chamber Orchestra

Brahms I

Fritz Busch

Karl Böhm

  1. I. Un poco sostenuto - Allegro Berliner Philharmoniker – Karl Böhm
  2. II. Andante sostenuto Berliner Philharmoniker – Karl Böhm
  3. III. Un poco allegretto e grazioso Berliner Philharmoniker – Karl Böhm
  4. IV.Adagio - Piu andante - Allegro non troppo, ma con brio Berliner Philharmoniker – Karl Böhm

Noch einige Anmerkungen zu op. 68

Symphonie Nr. 2, D-Dur, op. 73 (1877)

Die D-Dur-Symphonie folgte dann sozusagen unmittelbar auf die späte Geburt der Ersten, Frucht eines schönen Sommerfrische-Aufenthalts in Pörtschach am Wörthersee. Die erste Mitteilung an den Verleger Simrock über die Vollendung des Werks ist noch pure Fopperei:

Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten.
Ich habe noch nie so was Trauriges, Molliges geschrieben: die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen.

Tatsächlich gilt die Zweite als die Positive, um ein Brahms-Wort zu verwenden: die »aufgeräumteste« der vier Symphonien, wenn auch melancholische Untertöne nicht fehlen. Nicht nur im H-Dur-Adagio, sondern gleich nach dem sanft wiegenden D-Dur-Beginn des Werks, wenn Posaunen und Pauken im Pianissimo untergründiges Bedrohungspotenzial ahnen lassen, das sich in diesem Werk dann aber nur in wenigen Momenten zeigen wird . . .

Skeptische Zeitgenossen In der ersten Notiz nach der Uraufführung der Zweiten Symphonie hieß es in der Neuen freien Presse: »Das Werk fand mit Ausnahme des zweiten Satzes eine sehr warme Aufnahme.« Die »Ausnahme« ließ Brahms-Apologet Eduard Hanslick tags darauf nicht mehr gelten und setzte im selben Blatt nach:

Selten hat die Freude des Publicums an einer neuen Tondichtung so aufrichtig und warm gesprochen.

Mochte die Erste Symphonie noch ein »Werk für Kenner« gewesen sein, die Zweite nun

scheint wie die Sonne erwärmend auf Kenner und Laien, sie gehört allen, die sich nach guter Musik sehnen.

Brahms II Furtwängler, Wr. Philharmoniker (1945)

  1. Brahms II Wr. Philharmoniker - Wilhelm Furtwängler
  2. 2. Adagio non troppo
  3. 3. Allegretto grazioso
  4. Finale. Allegro con spirito

Brahms II Thomas Beecham 1956

  1. Brahms II Thomas Beecham BBC 1956 1.
  2. 2
  3. 3
  4. 4

Leopold Stokowski, Chicago 1958

  1. Brahms Symphonie Nr. 2 Leopold Stokowski Debütkonzert Chicago 1958
  2. 2. Leopold Stokowski Chicago Symphony
  3. 3. Leopold Stokowski Chicago Symphony
  4. 4. Finale Leopold Stokowski Chicago Symphony

Hans Knappertsbusch (live 1959)

  1. Allegro non troppo Staatskapelle Dresden – Hans Knappertsbusch (1959)
  2. 2 Staatskapelle Dresden – Hans Knappertsbusch (1959)
  3. 3 Staatskapelle Dresden – Hans Knappertsbusch (1959)
  4. Finale Staatskapelle Dresden – Hans Knappertsbusch (1959)

Symphonie Nr. 3, F-Dur, op. 90 (1883)

Die Dritte ist die am seltensten gespielte der Brahms-Symphonien, nicht zuletzt, weil sie einem stillen, verklärten Finale zustrebt. Doch gibt sich das Werk über weite Strecken kämpferisch und zerklüftet – schon die dramatischen Entwicklungen im Kopfsatz sind von aufwühlender Wirkung. Wenn auch wenige Dirigenten die ausdrückliche Vorschrift: »con brio« wirklich ernst nehmen (Dimtiri Mitropoulos, Bruno Walter und in jüngster Zeit Christian Thielemann sind die mutigsten).
Die Grundtonart F-Dur scheint vom ersten Moment an heftig in Frage gestellt, schon im zweiten der einleitenden Bläserakkorde sorgt die Mollterz für harmonische Spannung – das Finale beginnt denn auch in f-Moll als explosives Gemisch aus dunkel bedrohlichen Klangwellen und niederschmetternden Fortissimoschlägen des gesamten Orchesters (am bedrohlichsten bei Bruno Walter in New York, 1953); erst gegen Schluß zu verzieht sich das Gewitter vollständig, um einem der ungewöhnlichsten aller romantischen Symphonie-Ausklänge zuzustreben.

Die F-Dur-Symphonie fand bei ihrer Wiener Uraufführung 1883 eine freundlich, aber durchaus zwiespältig kommentierte Aufnahme.Nicht alle teilten den Enthusiasmus der Freunde des Komponisten: Theodor Helm befand nach der von Hans Richter dirigierten philharmonischen Uraufführung, die gern gebrauchten Vergleiche mit Beethoven seien doch allzu hoch gegriffen: Ließe man die „höchst unnötigen Parallelen zur Seite“, dann könnte Brahms‘ Musik freilich durchaus reüssieren. Am selben Vormittag erklang übrigens Antonín Dvořáks Violinkonzert erstmals in Wien. Der von Brahms geförderte böhmische Meister fand sich im Kreuzfeuer der zeittypischen Deutschtümelei: Die »etwas zu prononciert slavisierende Composition wurde-abgelehnt«,heißt es, während dem »in jeder Richtung ganz außerordentlichen Vortrag« des Geigers Franz Ondricek »umso rauschender applaudirt« wurde.

Anmerkungen zur Symphonie Nr. 3

Brahms III Bruno Walter

  1. Symphonie Nr. 1 c-Moll I. Bruno Walter
  2. II
  3. III
  4. IV
  5. Symphonie Nr. 2 D-Dur
  6. II
  7. III
  8. IV
  9. 3. Symphonie F-Dur Bruno Walter – Columbia Symphony Orchestra
  10. Bruno Walter – Columbia Symphony Orchestra
  11. Bruno Walter – Columbia Symphony Orchestra
  12. Bruno Walter – Columbia Symphony Orchestra
  13. 4. Symphonie I. Bruno Walter
  14. II
  15. III
  16. IV

Symphonie Nr. 4, e-Moll, op. 98 (1888)

Herb und unversöhnlich gibt sich dann die Vierte und letzte Symphonie, in Mürzzuschlag entstanden wo, wie Brahms schrieb „die Kirschen nicht süß“ werden. Hier ist kein versöhnlicher Dur-Schluß zu erwarten.
Das quirlig-kraftstrotzende C-Dur-Scherzo hat Brahms nach längeren Überlegungen als Intermezzo eingeschoben.

Das Finale, eine Passacaglia über ein (von Brahms leicht verändertes) Thema aus Bachs Kantate Nach Dir, Herr, verlanget mich (BWV 150) hat mit seinem langsamen Mittelteil zwar einen entrückten Ruhepol, strebt aber dann unerbittlich dem Abgrund zu.
Nur wenige Dirigenten verstehen das ausdrücklich vorgeschriebene, raschere Tempo der letzten Takte so rigoros wie Otto Klemperer in seiner Aufnahme mit dem Philharmonia Orchestra.

Brahms IV Klemperer

  1. Allegro non troppo Philharmonia Orchestra – Otto Klemperer (1957)
  2. Andante moderato Philharmonia Orchestra – Otto Klemperer (1957)
  3. Allegro giocoso Philharmonia Orchestra – Otto Klemperer (1957)
  4. Allegro appassionato Philharmonia Orchestra – Otto Klemperer (1957)

Brahms IV Furtwängler

  1. 4. Symphonie e-Moll op. 98 Berliner Philharmoniker – Wilhelm Furtwängler
  2. Berliner Philharmoniker – Wilhelm Furtwängler
  3. Berliner Philharmoniker – Wilhelm Furtwängler
  4. 4. Finale Berliner Philharmoniker – Wilhelm Furtwängler (Oktober 1948)


Randbemerkungen:

Hatte die Dritte Symphonie noch – im letzten Moment – zu einem versöhnlichen Abschluß gefunden, verweigert die Vierte und letzte der Brahms-Symphonien das Happy End. Vom ersten Ton an herrscht in diesem Werk marmorne Strenge, gesteigert noch durch die Tatsache, daß der Finalsatz nicht auf klassische Formen, sondern auf die barocke Passacaglia zurückgreift – und getreu dem Vorbild der »Chaconne« am Ende von Bachs d-Moll-Violinpartita nur im Mittelteil eine beruhigende, nach Dur gewendete Passage zuläßt.

Die im Laufe der Jahre immer weiter verfeinerte Kunst, aus wenigen, knappen Motiv-Elementen unterschiedliche Ausdruckswerte zu gewinnen, erreicht in der Vierten einen Gipfel. Wie schon im Finale der Dritten Symphonie gelingt es – etwa im zweiten Satz – gegensätzliche, einander scheinbar widersprechende Aussagen aus demselben Vokabular zu schöpfen.

Die heftige Fortissimopassage am Höhepunkt der dramatischen Entwicklung des Andante moderato besteht aus derselben Intervallfolge wie die tröstliche lyrische Gegenstrophe:

Zum Sehen und Hören

Sehens und hörenswert, wie der große Brahms-Interpret Bruno Walter dem nicht gerade brillanten Orchester von Vancouver in liebevoll-geduldiger Probenarbeit die Stimmungswelt der Zweiten Symphonie nahezubringen versucht.

Brahms-Zyklen

Bruno Walter, New York, live

  1. Brahms I Bruno Walter NY live
  2. Brahms II Bruno Walter New York live
  3. Brahms III Bruno Walter New York live 1.
  4. 2
  5. 3.
  6. 4
  7. Brahms IV Bruno Walter NY live 1
  8. 2
  9. 3 Allegro giocoso
  10. 4 Allegro energico e passionato

Arturo Toscanini, NBC 1952

  1. 1. Symphonie c-Moll NBC Arturo Toscanini
  2. 2. Symphonie D-Dur NBC Arturo Toscanini
  3. 3. Symphonie F-Dur NBC Arturo Toscanini
  4. 4. Symphonie e-Moll op. 98 NBC Arturo Toscanini

Otto Klemperer (1957)

Hans Rosbaud (SWR)

  1. Brahms Symphonie Nr. 1 Hans Rosbaud (SWR)
  2. Hans Rosbaud (SWR)
  3. Hans Rosbaud (SWR)
  4. Hans Rosbaud (SWR)
  5. Symphonie Nr. 2 D-Dur Hans Rosbaud (SWR)
  6. Hans Rosbaud (SWR)
  7. Hans Rosbaud (SWR)
  8. Hans Rosbaud (SWR)
  9. Symphonie Nr. 3 F-Dur Hans Rosbaud (SWR)
  10. Hans Rosbaud (SWR)
  11. Hans Rosbaud (SWR)
  12. Hans Rosbaud (SWR)
  13. Symphonie Nr. 4 e-Moll Hans Rosbaud (SWR)
  14. Hans Rosbaud (SWR)
  15. Hans Rosbaud (SWR)
  16. Hans Rosbaud (SWR)

Herbert von Karajans Wiener Brahms-Aufnahmen für Decca (1958/59)

  1. Brahms: 1. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  2. Brahms: 1. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  3. Brahms: 1. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  4. Brahms: 1. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  5. Brahms: 3. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  6. Brahms: 3. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  7. Brahms: 3. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  8. Brahms: 3. Symphonie Karajan Wr. Phil.
  9. Tragische Ouvertüre Karajan Wr. Phil.