Bachs Violinsonaten

Sonaten für Violine und Cembalo

Die Sonaten für Violine und Cembalo, die Johann Sebastian Bach hinterlassen hat, lassen sich in zwei Gruppen teilen. Die Sonaten in G-Dur, e-moll und c-moll (BWV1021, 1023 und 1024) gehören jener Form der Solosonate an, bei der einer führenden Stimme ein bezifferter Baß beigegeben ist, den der begleitende Cembalist oder Organist »auszusetzen« hatte.

Dagegen stellen die sechst Sonaten, die im Bachwerkeverzeichnis mit den Nummern 1014 bis 1019 bezeichnet sind, in Wahrheit keine Violinsonaten, sondern Triosonaten dar. Hier ist die »Klavier-«Stimme ausgeschrieben und bringt eine selbständige zweite führende Stimme ein, während der Baß in der Praxis oft von einem Cello verstärkt wurde. Diese Triosonaten legen im Lauf der Entwicklung mehr und mehr Gewicht auf die Klavierstimme und führen zu jener Form der Violinsonate, die wir von der Klassik her kennen – sie war zunächst (und bis zum späten Beethoven!) eine Sonate » für Klavier mit Begleitung der Violine«, wie auf den Titelblättern der Druckausgaben festgehalten.

Sonaten mit Basso continuo

  • Nr. 1  h-Moll    BWV 1014
    • Adagio
    • Allegro
    • Andante
    • Allegro

  • Nr 2  A Dur    BWV 1015
    • Dolce
    • Allegro
    • Andante un poco
    • Presto

  • No 3  E Dur    BWV 1016
    • Adagio
    • Allegro
    • Adagio ma non tanto
    • Allegro

  • Nr 4  c-Moll    BWV1017
    • Largo
    • Allegro
    • Adagio
    • Allegro

  • Nr 5  f-Moll    BWV1018
    • Largo
    • Allegro
    • Adagio
    • Vivace

  • Nr 6  G Dur    BWV 1019
    • Allegro
    • Largo
    • Allegro
    • Adagio
    • Allegro

In Bachs Jugend genoß die Sonate für Violine mit Begleitung eines Basso continuo höchstes Ansehen. Mit solchen Werken präsentierten sich virtuose Geiger, um ihre Kunst zu demonstrieren. Nicht selten enthalten sie ein Feuerwerk an Doppel- und Tripelgriffen und setzen die Kunst der Präsentation vor jene der Komposition.

Bach bedient sich in seinen einschlägigen Werken zwar hie und da virtuoser Spieltechniken, doch eifert er inhatlich eher den diesbezüglich zurückhaltenderen Werken Arcangelo Corellis nach, die das Schwergewicht auf kunstvolle Erfindungs- und Verarbeitungsgabe legen.

Immerhin beginnen die Sonaten in e-moll und c-moll (BW V1023 und 1024) noch mit rasanten Toccata-Sätzen. Doch in der Folge herrscht klare musikalische Architektonik und kontrapunktisches Raffinement – wobei die c-Moll-Sonate von manchen Kennern eher dem Komponisten Pisendel als Bach zugeordnet wird. Auch bei der F-Dur-Sonate (BWV 1021) scheint die Autorschaft unsicher.

Die Sonaten BWV 1014-1019

Gewißheit haben wir im Fall der sechs Sonaten, die eher dem Triosonaten-Duktus zuzuordnen sind. 1725 schrieb Bach die Werke als

Sei Sounate à cembalo Certato e Violino Solo, col Bassoper Viola da Gamba accompagnato se piace

selbst ins Reine. Vielleicht gehen manche von ihnen auf Kompositionen für ein Tasteninstrument zurück, sicher wurden sie vom Komponisten 1725 als gemeinsam zu veröffentlichende Serie zusammengefaßt. Wie srkupulös sich der Komponist um die architektonische Geschlossenheit des Opus kümmerte, zeigt die Entstehungsgeschichte der sechsten und letzten Sonate, die in drei verschiedenen Fassungen vorliegt.

Während die Sonaten 1 bis 5 alle viersätzig sind, wobei einem virtuos improvisatorischen Auftakt drei Sätze nach dem Schema schnell-langsam-schnell folgen, bestand die G-Dur-Sonate ursprünglich aus sechs Sätzen, enthiel ungewöhnlicherweise auch einen Satz, der nur vom Cembalo musiziert wird und endet mit der Wiederholung des Eingangs-Allegros. In Fassung II entfällt das Cembalo-Solo und wird durch eine transkribierte Arie aus der Kantate BWV 120 ersetzt. In Fassung III steht ein neues Cembalosolo im Zentrum, die Arie entfällt. Der erste Satz wird nun nicht mehr wiederholt. Somit aus dem sechs- ein symmetrisches fünfsätziges Gebilde mit dem Cembalosolo im Zentrum.