Gegründet im Jahr 1918 in Budapest, wurde das – später in London beheimatete – Léner (oder Lehner-)Quartett zu einem der berühmteste Kammermusik-Ensembles der frühen Schallplatten-Geschichte. In Schallack-Zeiten nahm das Ensemble ab 1923 mehr als 200 Schellack-Platten auf, darunter von besonderer musikhistorischer Bedeutung: Die erste Gesamtaufnahme der Streichquartette Ludwig van Beethovens.
Das Aufkommen der Langspielplatte bereitete dem Mythos Léner-Quartett ein Ende. Erst Anfang der Neunzigerjahre erschienen in Japan eine CD-Umschnitte früher Aufnahmen, die aber bald wieder aus den Katalogen verscwanden.
Kritische Stimmen führten das auf den von diesem Ensemble gepflegten, noch aus der romantischen Spieltradition kommenden »Tonfall« zurück, der Anfang des XXI. Jahrhunderts für viele Musikfreunde freilich schon wieder als aufschlußreiche Quelle wahrgenommen wird. Schließlich war es diese Spieltradition, aus der die musikalische Moderne ihre ästhetischen Kenntnisse schöpfte – und sei es auch, um gegen sie zu opponieren.
Jedenfalls dokumentieren die »Léners« den Stand der kammermusikalischen Interpretationskunst jener Ära, in der die großen Streichquartette der Moderne von Bartók über Berg bis Schönberg komponiert wurden. Das allein sichert den Tondokumenten Interesse: Der satte Klang, der hier für Beethoven oder – und gewiß mit allem Recht – etwa für Brahms oder Dvořák gepflegt wird, gehört in jene Epoche; und die Tatsache, daß die beiden genannten Meister noch kein Vierteljahrhundert tot waren, als das Léner-Quartett ihre Musik aufführte, sollte beachtet werden …
Der Beethovenzyklus
Der Beethoven-Zyklus des Léner-Quartetts ist mittlerweile in exzellenten Digital-Umschnitten bei Pristine Classics greifbar (CD und Streaming).
Primgeiger Jenö Léner war in späteren Jahren eine der prägenden Figuren der internationalen Kammermusik-Szene. Als Sekundgeiger war er Teil jenes von Rudolf Kolisch angeführten Ensembles, das im Beisein des Komponisten die Uraufführung von Béla Bartóks Sechstem Streichquartett im amerikanischen Exil erarbeitete. Jenö Léner war dann auch als Berater anwesend, als das neu formierte Juilliard Quartet seine erste Gesamtaufnahme der Bartók-Quarette erarbeitete, die bald Kultstatus erlangen sollte.