Die bittere Komödie

Richard Strauss‘ »Schweigsame Frau«, eine neue CD in Luxusbesetzung und ein Wermutstropfen.

Der Bayerische Rundfunk zelebriert seinen 75. Geburtstag und öffnet die Archive: Zum Vorschein kommen dabei auch musikalische Kostbarkeiten, zum Beispiel die Studioproduktion von Ausschnitten aus Richard Strauss‘ Komödie »Die schweigsame Frau« in Luxusbesetzung aus dem Jahr 1960.

Die Besetzung liest sich wie das Who is Who der damaligen deutschsprachigen Opernszene, Hans Hotter ist der Sir Morosus, Fritz Wunderlich sein Neffe, Hermann Prey der schlaue Barbier und Ingeborg Hallstein die kleine Timidia, die sich in einen fürchterlichen Drachen verwandelt, sobald der alte Sir sie geehelicht hat – bekannt aus Donizettis »Don Pasquale« – und wer nun sagt, das sei ihm bekannt, denn in ähnlicher Besetzung seit die Oper ja ein Jahr zuvor bei den Salzburger Festspielen mitgeschnitten worden, der sollte dennoch die CD-Neuerscheinung nicht verachten: Der Rundfunkmitschnitt aus dem Salzburger Festspielhaus ist durch Bühnengeräusche ebenso beeinträchtigt wie durch die alte Aufnahmetechnik und den Zustand der Bandkopie, von der die Deutsche Grammophon den CD-Umschnitt herstellen mußte.

Also: Der Münchner Querschnitt läßt die Edelbesetzung – wenn auch nicht unter der Leitung des Uraufführungsdirigenten Karl Böhm, sondern unter Heinz Wallberg – in exzellenter Qualität hören und macht, wie sich das für einen Querschnitt gehört, Lust auf die ganze Oper: Der Bayerische Rundfunk hat damals ja auch eine TV-Produktion hergestellt, die auf der soeben publizierten Studioaufnahme basiert.

Fernsehproduktion des BR aus dem Jahr 1960

Und hier zögert der Strauss-Freund, denn in Wahrheit kann er sich nun nicht einmal auf den Salzburger Mitschnitt zurückziehen und eine Gesamtaufnahme der »Schweigsamen Frau« genießen, wenn auch unter etwas reduzierten akustischen Bedingungen – denn, und jetzt kommt das große Aber, Karl Böhm hat zwar seinerzeit in Dresden die Uraufführung der Oper herausgebracht – in Bedrängnis, weil der Librettist, Stefan Zweig, Deutschland damals längst verlassen hatte müssen und die NS-Behörden zwar die Premiere zugelassen, aber das Stück nach wenigen Reprisen verboten haben.

Anläßlich der Wiederaufführung in Salzburg, zehn Jahre nach des Komponisten Tod, hat Böhm aber so viele Kürzungen in der Partitur vorgenommen, daß mit einigem Recht auch diese »Gesamtaufnahme« als großer Querschnitt bezeichnet werden könnte.

Die einzige Gelegenheit, die »Schweigsame« in voller Länge zu hören, bietet die Studioproduktion unter Marek Janowski (EMI), allerdings in einer Sängerbesetzung, die mit dem Salzburger und Münchner Luxus von 1959/60 nicht annähernd mithalten kann.

Bleibt also bei aller Freude über die neue CD, die Straussianer gehört haben sollten, der Wermutstropfen: Wir warten weiterhin auf eine ganze »Schweigsame Frau« in einer Besetzung, die mit der Spielfreude und den Stimmqualitäten von einst mithalten könnte – die Quadratur des Opernkreises.

Das wäre doch einmal eine Aufgabe für Festspiele…

MEHR ÜBER WERK UND AUFNAHMEN