Arcangelo Corelli

(1653-1713)

Die Erfindung der Sonate

Arcangelo Corelli darf als die prägende Gestalt der barocken Instrumentalmusik gelten. Seinem Beispiel folgten in Italien und später in Deutschland sämtliche bedeutenden Komponisten. Von Vivaldi bis Bach finden wir die Weiterentwicklungen der Corellischen Sonaten- und Konzertform.

Die Sonate

Für die barocke Sonate sind zwei Modelle auszumachen:

  • Die Sonata da camera (Kammersonate) und die
  • Sonata da chiesa (Kirchensonate).

Für die Kirchensonate gibt der kultivierte englische Musikliebhaber und Purcell-Vertraute Roger North schon um 1700 eine anschaulich Definition:

  • Eine solche Sonate beginnt in der Regel mit einem „Grave“, in dem sich der Komponist in majestätischer Klangvielfalt übt.
  • Darauf folgt ein rascher Satz, meist fugiert, „wie eine angeregte Debatte“, in der die Argumente „wie Wellen über dem Wasser“ ineinander fließen.
  • An dritter Stelle steht ein „Adagio“, das „all affaires aside“ legt und zur Kontemplation einlädt, „als ob einer in Schlaf versinke“.
  • Danach freilich geht es um die verschiedenen Möglichkeiten menschlicher Unterhaltung, um Tänze schwungvollsten Charakters, etwa eine Gigue, in der die Menschen „freudvoll tanzen“ – „and so good night“ . . .

In simpleren Worten, eine typische „Kirchensonate“ folgt dem Schema:

  • Langsam (Grave)
  • – schnell (fugiert)
  • langsam (Adagio)
  • schnell (tänzerisch)

Die (ältere Ausprägung) einer Kammersonate jedoch ist eine Form der Tanz-Suite, ein von einer „Sonate“ oder einem „Präludium“ eingeleitete Folge von seriösen (Allemande, Courante, Sarabande) und ausgelassenen (Gigue) Tänzen.

In den Sonatensammlungen von Arcangelo Corelli sind diese Formen idealtypisch ausgeprägt.
Kirchensonaten (Op. 1 und Op. 3) sowie die Kammersonaten in den Sammlungen Opus 2 und Opus 4 fanden weiteste Verbreitung und galten als vorbildlich für die folgende Komponisten-Generation.

Corellis erstaunliche Persönlichkeit

Die Person Arcangelo Corelli hat viele Zeitgenossen erstaunt.
Händel, der ihn als musikalisches Vorbild bewunderte, berichtet von seiner nahezu krankhaften Sparsamkeit. Obwohl weltberühmt, kleidete sich Corelli armselig und ging lieber zu Fuß als daß er sich je eine Kutsche geleistet hätte.
Er starb als reicher Mann! Seine Lebenszeit verbrachte er nach Studienreisen, von denen wenig dokumentiert ist – ein angeblicher Aufenthalt in Paris und die angebliche Eifersucht Jean Baptiste Lullys gehört vermutlich in den Bereich der Legende – ab seinem 20. Lebensjahr in Rom.
Dort stand er im Dienst der potentesten Mäzenin der Zeit, der Königin Christina von Schweden, die im Exil lebte. Kardinal Ottoboni machte ihn zu seinem Musikdirektor. Über Jahre leitete Corelli die wöchentlichen Konzerte in Ottobonis „Cancelleria“.

Corelli mußte nicht viel komponieren, um zur Leitfigur der barocken Instrumentalmusik zu werden. Sein Oeuvrekatalog ist vergleichsweise schmal, doch sind die gedruckten Werk sämtlich bedeutend, virtuos im Zuschnitt und fanden über ganz Europa so rasch Verbreitung wie der Ruhm des Violinvirtuosen Corelli, zu dem Studenten aus aller Welt pilgerten. Die Werke verbreiteten sich in Abschriften und Drucken über den Kontinent und galten als maßstabsetzend. Corelli wurde in der Musikgeschichte der erste Meister, dessen Musik über die Jahrhunderte nie vergessen wurde, sondern konsequent gepflegt wurde. Der Erfolg lag wohl auch in Corellis enormem Qualitätsbewusstsein begründet, das ihn oft pver Jahre hin skrupulös an seinen Werken feilen ließ. So berichtet etwa sein Schüler Georg Muffat, der so etwas wie das Missing Link zwischen dem italienischen und französischen Barockstil darstellt, dass manche der posthum 1714 als Opus 6 gedruckten, stilbildenden Concerti grossi op. 6 bereits Jahrzehnte früher komponiert worden waren. Corelli ließ sie übrigens, wann immer es möglich war, von möglichst groß besetzen Streichorchestern aufführen — eine Tatsache, die von der sogenannten „historisch informierten Aufführungspraxis“ 300 Jahre später weitgehend ignoriert wird.