Frédéric (Fryderyk) CHOPIN

1810 - 1849

Pole oder Franzose?

Im Zweifelsfall beides.

Fryderyk Franciszek Chopin kommt am 1. März 1810 als Sohn eines Franzosen und einer Polin in der Nähe von Warschau zur Welt.

1817

Seit seinem sechsten Lebensjahr erhält er Klavierunterricht.
Mit 7 komponiert er sein erstes Werk, eine Polonaise.

24. Februar 1818

Im Jahr darauf debütiert er im Palais des Fürsten Radziwil in Warschau - mit einem Klavierkonzert von Gyrowetz.

Kompositionsunterricht erhält er schon ein Jahr vor seinem Eintritt ins Lyzeum, an dem sein Vater, der auf eine grüdliche Allgemeinbildung für seinen Sohn drängt, Französisch unterrichtet.

1829

Im Jahr seines ersten Aufenthalts in Wien komponiert Chopin sein (in der offiziellen Zählung zweites) → Klavierkonzert in f-Moll und ein Klaviertrio.

1830

In Warschau spielt Chopin erstmals seine beiden Klavierkonzerte.

Wien und die Welt


Chopin übersiedelt während der furchtbaren Konflikte um die Vorherrschaft in Polen im November 1830 nach Wien, wo er nicht mehr so freundlich aufgenommen wird wie zuletzt.
Im Sommer 1831 geht er auf Konzertreise. Sie führt ihn über Deutschland nach Frankreich.
Robert Schumann schreibt einen begeisterten Artikel über Chopin in der Leipziger «Allgemeinen Musikalischen Zeitung».

Im Leipzig erfährt er von der Niederschlagung des Aufstands in Polen und von der Kapitulation Warschaus.

Etüden op. 10

Unter dem Eindruck der politischen Vorgänge komponiert Chopin die c-Moll-Etüde aus seinem Op. 10, die sogenannte Revolutionsetüde.


Paris

In Paris trifft Chopin auf die führenden Musiker jener Zeit, Berlioz, Rossini und Franz Liszt.

Stunden bei Kalkbrenner

Die kultivierte Pariser Gesellschaft wird sofort auf den jungen Polen aufmerksam. Auch Kalkbrenner hört ihn spielen, ein damals hoch geschätziger Klaviervirtuose, der auch Chopin ein Begriff ist und den er als Autorität anerkennt. Kalkbrenner urteilte ausgewogen über Chopins Spiel und meinte: Er spiele sehr gut, solange er inspiriert sei, ohne Inspiration aber höchst mittelmäßig. Er bot an, Chopin zu unterrichten.
Der war ein wenig skeptisch:
Man glaubt, er wolle mir seine Lektionen aufdrängen, um mich später einmal seinen Schüler nennen zu können.
Dennoch nahm er dann einige Stunden. Schon im Vorfeld meinte Felix Mendelssohn-Bartholdy zu ihm:
Sie werden bei ihm nichts lernen. Sie spielen ja besser!
Nach ein paar Wochen der gemeinsamen Arbeit trennte man sich, doch die Freundschaft zwischen Kalkbrenner und Chopin blieb bestehen. Chopin widmete dem älteren Kollegen sein E-Moll-Klavierkonzert und spielte anläßlich seines von Ignaz Pleyel organisierten ersten öffentlichen Auftritts in Paris am 26. Februar 1832 Werke aus Kalkbrenners Feder, aber auch sein eigenes F-Moll-Konzert und die Variationen op. 2. Das Publikum und der Rezensent der »Revue Musicale« reagierten begeistert.

Nach diesem Debütkonzert wird er zum Liebling der Pariser Gesellschaft und zum gefragten Klavierlehrer.
An einen Freund schreibt er enthusiasmiert:
Paris erfüllt alle Wünsche, hier kannst du lachen, weinen, alles tun, was du willst - niemand sieht auf dich . . .

Mazurken op. 9 und op. 15


Mit Liszt «vierhändig»

Am 2. April 1833 kommt es zum Gipfeltreffen der Klaviervirtuosen: Franz Liszt und Frédéric Chopin konzertieren gemeinsam.

1834

Konzertreisen mit Ferdinand Hiller und Felix Mendelssohn-Bartholdy

1835/36

Unglückliche Liebe zu Maria Wodzinska, einer 17jährigen Adeligen, deren Eltern einer Verlobung zustimmen, für den Fall, daß der reisende Künstler seinen Lebensstil radikal ändert.
Zum Abschied überreichte Chopin dem verehrten Mädchen seinen Walzer in As-Dur, den sie den »Abschiedswalzer« nannte und zwei Albumblätter, auf einem notierte er den Beginn seiner Es-Dur-Nocturne, auf dem andern die Worte: »Seien Sie glücklich.«

Polonaisen op. 26

Nocturnes op. 27


Auf der Rückreise besucht Chopin Mendelssohn und das Ehepaar Schumann, zurück in Paris erfährt er vom frühen Tod Bellinis und erleidet einen Zusammenbruch.

Einen Monat später, im Moment tiefster Depression und Überlegungen, nach Amerika zu gehen, führt Fürst Radziwil den Komponisten und Pianisten im Salon des Barons Rothschild ein. Dort begegnet er der damals 32-jährigen George Sand. Die rauchende Femme fatale in Männerkleidern wird die Liebe seines Lebens, wenn auch die erste Reaktion Verstörung verrät:
Was für eine unsympathische Frau sie doch ist! Ist sie denn wirklich eine Frau? Ich möchte es fast bezweifeln.

Doch stellt sich bald Faszination ein, spätestens anläßlich einer Begegnung im Salon des Maler-Freundes Delacroix.
1837

Die Beziehung zu Maria Wodzinska zerbricht endgültig. Auf ein Bündel von Briefen Marias notiert Chopin:

Mein Unglück

Sonate Nr. 2


Wenig später entsteht der berühmte Trauermarsch, aus dem zwei Jahre später die Zweite Klaviersonate hervorgehen wird - auf dem Landgut von George Sand, die den Komponisten aus seiner Krise zu holen versteht.
In Mallorca notiert der Komponist:
Hier bin ich nun in Palma, unter Palmen, Zedern, Aloen, Orangen-, Zitronen- und Granatbäumen. Der Himmel ist türkisfarben, das Meer wie Lapislazuli, die Berge wie Smaragde. Und die Luft wie im Himmel. Sonne den ganzen Tag. Alle kleiden sich wie im Sommer ... nachts hört man überall Gitarren und Gesang, stundenlang. Die Stadt, wie alles hier, sieht nach Afrika aus. Mit einem Wort - ein herrliches Leben.

Etüden op. 25


An der Seite von George Sand

Mit seinem «Lebensmenschen», George Sand, lebt Chopin, mehr und mehr von Krankheit gezeichnet, abwechselnd in Mallorca, Barcelona und auf einem Landsitz in Nohant. In Mallorca beäugte man das Paar kritisch. Die beiden besuchten keinen Gottesdienst, George Sand rauchte Pfeife und lief in Männerhosen umher - am Ende waren sie Muselmanen?

1838

Mazurken op. 33


1839
Chopin beschäftigt sich intensiv mit der Musik Johann Sebastian Bachs, dessen Ersten Band des Wohltemperierten Klaviers er auswendig beherrscht und an dessen Musik er seine satztechnische Meisterschaft schult: Romantische Gefühlswelten sollen auf meisterhafte Beherrschung der Form treffen.

Préludes op. 28


Die Préludes entstanden in Mallorca und gehören in ihrer Vielschichtigkeit und Dichte zu Chopins bedeutendsten Kompositionen. Franz Liszt, der meinte, George Sand hätte Chopin das Leben zurückgegeben, wußte die Préludeszu würdigen:
Augenscheinlich in einem Wurf entstanden, haben sie den leichten, beflügelten Schritt genialer Werke.

Polonaisen op. 40


Impromptu II


1840
Über Chopins Klavierstil und insbesondere sein Rubato-Spiel schreibt sein Schüler Mikuli:
Im Tempohalten war Chopin unerbittlich, und es wird manchen überraschen zu erfahren, daß das Metronom bei ihm nicht vom Claviere kam. Selbst bei seinem so viel verleumdeten Tempo rubato spielte immer eine, die begleitende, Hand streng gemessen fort, während die andere, singende, entweder unentschlossen zögernd, oder aber wie in leidenschaftlicher Rede mit einer gewissen ungeduldigen Heftigkeit früher einfallend und bewegter, die Wahrheit des musikalischen Ausdrucks von allen rhythmischen Fesseln frei machte.
Damit steht Chopins Pianistik deutlich in der Nachfolge Mozarts, der seine viel bewunderte Rubatotechnik ähnlich beschrieben hat.

Walzer op. 42


Heinrich Heine schwärmt über den Komponisten:
Ja, dem Chopin muß man Genie zusprechen, in der vollen Bedeutung des Worts; er ist nicht bloß Virtuose, er ist auch Poet, er kann uns die Poesie, die in seiner Seele lebt, zur Anschauung bringen, er ist Tondichter, und nichts gleicht dem Genuß, den er uns verschafft, wenn er am Klavier sitzt und improvisiert. Er ist alsdann weder Pole, noch Franzose, noch Deutscher, er verrät dann einen weit höheren Ursprung, man merkt alsdann, er stammt aus dem Lande Mozarts, Raffaels, Goethes, sein wahres Vaterland ist das Traumland der Poesie.
1841

Polonaise op. 44

Im April 1841 konzertiert Chopin nach langer Pause wieder einmal öffentlich. Franz Liszt betätigt sich als Kritiker und berichtet in der »Gazette Musicale«:
Am vergangenen Montag sah man die Konzerträume des Hauses Pleyel ungewöhnlich prächtig beleuchtet. Die Treppe war mit Teppichen und Blumen geschmückt. Unaufhörlich fuhren Equipagen vor, denen die schönsten Frauen, die elegantesten jungen Männer, die berühmtesten Künstler, die reichsten Finanziers, der vornehmste Adel entstiegen ...«Der, den man zu hören, zu bewundern, zu beklatschen kam, ...«war nicht nur ein Virtuose, ein berühmter Künstler, sondern das alles und noch mehr als das - es war Chopin ...

Ballade III


Fantaisie op. 49


1842
Im Februar kommt es bei Pleyel zum lange geplanten Konzertabend dreier Stars: Pauline Viardot-Garcia, Chopin und der Cellist Franchomme geben sich die Ehre. Ganz Paris ist dabei. Franchomme wird zum Nachfolger Julian Fontantas, der als Pianist in den USA sein Glück sucht, in der Rolle von Chopins Sekretär und Kopist. Chopin schlittert in eine seelische Krise nach einigen Todesfällen unter polnischen Freunden. George Sand sorgt nicht nur für ein reges Gesellschaftsleben, sondern sichert Chopin auch Ruhe zum Arbeiten. Die Beziehung leidet aber zusehends. Angesichts der Zwistigkeiten zwischen den Kindern George Sands ergreift Chopin immer wieder die Partei der Tochter, die ihrem Stiefvater schöne Augen macht, nicht zuletzt in Oppositionshaltung zu ihrer Mutter.

Mazurken op. 50


Impromptu III


1843
In Nohant schart George Sand an der Seite Chopins Größen der Geisteswelt und der Kunst um sich. Kontakt ergibt sich auf diese Weise unter anderem zu Franz Liszt, die Eugene Delacroix oder zu Pauline Viardot.

Ballade IV


Scherzo IV


Polonaise op. 53


1844
Die Beziehung zu George Sand scheint mehr und mehr belastet. Sand geriert sich wie eine Diva und wird gegenüber ihrem Lebenspartner immer herrschsüchtiger. Währenddessen wird Chopin mehr und mehr von seinem Lungenleiden gezeichnet, das er vom Vater - der 1844 gestorben ist - geerbt hat.

Berceuse op. 57


Sonate III


1845

Mazurken op. 59

George Sand arbeitet an ihrem Roman Lucrezia Floriani, der im Sommer 1846 in Fortsetzungen im Courier Français erscheint. Wie immer, beschrieb die Autorin das Leben von Menschen aus ihrem Bekanntenkreis unter Pseudonymen. Diesmal aber wußte die Welt: Sie beschrieb den Zerfall ihrer Liebe zu Frédéric Chopin, den sie Karol nannte, einen
schmalen, kränklichen Prinzen, der»die Erde nicht sieht, nur den Himmel«.
Die Titelhedlin Lucrezia, »eine Witwe mit vielen Liebhabern«, sechs Jahre älter als ihr Freund, das war unverkennbar sie selbst. Die Leser liebten die Figur des Karol in ihrer »Opferrolle«. Heinrich Heine befand, George Sand hätte mit ihrem - zweifellos gut geschriebenen - »Machwerk« Chopin beleidigt.
1846

Barcarolle


Polonaise-Fantaisie


Nocturnes op. 62


Cellosonate



Die Beziehung zerbricht

Über der Heirat von George Sands Tochter Solange, deren Partei Chopin einnimmt, zerbricht die Beziehung 1847. Solanges Ehemann entpuppt sich nach kurzer Zeit, wie von Chopin vorhergesagt, als gewalttätig.
Nach einem heftigen Disput mit George Sands Sohn verläßt Chopin Nohant, um nie wiederzukehren.
Den Abschiedsbrief, den George an Frédéric schreibt, findet Freund Delacroix abscheulich.

Walzer op. 64

Gegen Ende des Jahres fühlt sich Chopin zu schwach zum Komponieren. Es entstehen keine neuen Werke mehr.
1848
Am 16. Februar 1848, unmittelbar vor Ausbruch der Revolution gibt Chopin sein letztes öffentliches Konzert in Paris. Im Vorfeld schreibt er:
Vor kurzem kamen die Freunde zu mir und meinten, ich möge ein Konzert geben, soll mich um nichts kümmern müssen, soll nur ans Klavier gehen und spielen. Seit einer Woche sind die Karten ausverkauft. Das Publikum läßt sich für ein zweites Konzert vormerken (ich denke gar nicht daran!). Der Hof hat vierzig Billetts verlangt ... ich muß heute wenigstens zur Beruhigung meines Gewissens üben, mir scheint nämlich, ich spiele schlechter als je zuvor ... Pleyel macht Witze über meine Dummheit, und wird, um mich zum Konzert zu motivieren, die Treppe mit Blumen schmücken lassen.
Ein zweites Konzert kam schon deshalb nicht zustande weil »der Hof« König Karls X., der noch 40 Eintrittskarten für Chopins Recital geordert hatte, acht Tage später bereits von den Revolutionären in die Flucht geschlagen wurde.

Zur Freude der sozialistisch gesinnten George Sand wurde die Zweite Republik ausgerufen. Chopin sah das mit gemischten Gefühlen und schrieb am 3. März an George Sands Tochter Solange:
Viel mehr Freude als die Geburt der Republik hat mir, wie Sie sich wohl denken können, die Geburt Ihres Töchterchens bereitet
Für seine Heimat Polen sieht Chopin in der aufkeimenden revolutionären Stimmung in Europa für kurze Zeit eine Chance auf Wiederauferstehung, eine Hoffnung, die sich rasch als trügerisch erweisen wird.
Nach einer letzten Begegnung mit George Sand bricht Chopin zu einer Konzertreise nach England und Schottland auf.
1849
Nach seiner Rückkehr muß er aus gesundheitlichen Gründen seine Unterrichtstätigkeit beenden. An die Familie schreibt er im Juni 1849 einen erschütterten Brief über seine Lage:
Meine Geliebten!
Wenn Ihr es könnt, dann kommt. Ich bin krank und kein Arzt wird mir helfen. Wenn euch Geld fehlt, dann borgt es; wenn es mir besser geht, werde ich leicht Geld verdienen und es dem zurückgeben, der es euch geliehen hat, aber jetzt sitze ich zu sehr auf dem Trockenen, um euch etwas senden zu können.


Am 17. Oktober 1849 stirbt Frédéric Chopin in seiner neuen Wohnung an der Place Vendome. An der Trauerfeier in der «Madeleine» am 30. Oktober nehmen 3000 Menschen teil. Neben Mozarts Requiem erklingt Chopins Trauermarsch aus der b-Moll-Sonate in einer Orchesterversion.


↑DA CAPO