Klaviersonate b-Moll
Frédéric CHOPIN
Grave – Doppio movimento
Scherzo
Marche funèbre: Lento
Finale: Presto
Scherzo
Marche funèbre: Lento
Finale: Presto
Sonate Nr. 2
Es entbehrt nicht einer gewissen Logik, daß die Welt von den drei zu »Sonaten« erklärten Werken Chopins nur zwei zur Kenntnis genommen hat. Die Sonate op. 4 ist ein früher Versuch im »deutschen« mehrsätzigen Genre, während die b-Moll-Sonate bereits das Werk eines reifen Meisters ist, der sich der Sonatenform aus einer Perspektive nähert, die ihn bereits als Meister ausweist, der es sich leisten kann, ungewöhnliche Lösungen für das Formproblem zu suchen.Der diesbezüglich auch beinah lebenslang ringende Robert Schumann brachte es auf den Punkt, indem er meinte, daß Chopin hier
vier seiner tollsten Kinder zusammengekoppelt.Was sich wie ein leiser Vorwurf liest basiert insofern auf wahrer Grundlage, als der berühmteste Satz der Sonate, der später auch als Einzelstück populäre Trauermarsch tatsächlich früher entstanden war als die drei anderen Sätze, die Chopin 1839 quasi um diesen Trauermarsch herum arrangierte.
In der Zwischenzeit ist die anfängliche Kritik an dem vermeintlich »unzusammenhängenden« Werk der Erkenntnis gewichen, daß über die vier Sätze hin unterirdische Verbindungslinien bestünden - was vielleicht des öfteren auch ein wenig analytisch überstrapaziert wurde. Daß die Sonate in sich geschlossen wirken kann, haben große Interpreten mittlerweile aber jedenfalls bewiesen.
Mit den ersten beiden Sätzen bestätigt Chopin das klassische Prinzip als gelehriger Schüler seiner großen Vorgänger: Einem regelrechten Sonatensatz folgt ein Scherzo mit Trio, zu dem der ebenfalls dreiteilig gebaute Trauermarsch ein Gegenstück bildet. Kein Zweifel besteht daran, daß Chopin mit dem Finalsatz eine einzigartige Tondichtung gelang, die auf den vorangehenden Trauermarsch mit einer regelrechten Schauervision reagiert, die aus der Sonate doch wieder ein höchst subjektives musikalisches Werk macht, die den Komponisten als Zeitgenossen von Berlioz und Liszt und deren programmatischen Stücken verortet: In der unablässigen Unisono-Bewegung beider Hände scheint wirklich der Sturm unerbittlich über die Gräber zu fegen.