Frédéric (Fryderyk) CHOPIN

Klavierkonzert f-Moll

Maestoso
Larghetto
Allegro vivace

Entstehung

Man wird ohne Wissen um die historischen Fakten nicht zur Seele von Chopins Musik vordringen. Das in der offiziellen Zählung zweite, tatsächlich aber erste Klavierkonzert des Meisters entstand im Umfeld der furchtbaren Kämpfe um die Vorherrschaft in Polen. Am 7. Februar 1830 spielte Chopin sein f-Moll-Klavierkonzert das erste Mal in einem Warschauer Salon. Die Aufführung, von einem ganz kleinen Ensemble begleitet, eriegnete sich knapp bevor Polen einen ravolutionären Aufstand gegen das 15 Jahre zuvor beim Wiener Kongreß etablierte russische Regime anzettelte, der zu blutigen Kämpfen führen sollte. Die brodelnd aufrüherische Atmosphäre in Warschau mußte wohl auf die düsteren Klängen des ersten Satzes von Chopins Konzert abfärben. Kurz nach der Uraufführung war Chopin auf der Flucht vor den dramatischen Ereignissen. In Wien erfuhr er, welches Ausmaß die Revolte und ihre brutale Niederschlagung durch die Russen angenommen hatte. Eine Rückkehr war unmöglich geworden. Aus Wien ging der Komponist nach Paris, wo aus dem begabten Virtuosen Fryderyk der weltberühmte Meister Frédéric Chopin werden sollte.

Symphonik? Kammermusik?

Das f-Moll-Konzert erschien 1836, also nach dem später komponierten Konzert in e-Moll, bei Breitkopf in Druck - und zwar in mehreren Versionen: Wie schon bei der Uraufführung konnte das Klavier von einem Kammerensemble begleitet werden; oder auch vom großen Orchester, je nach Aufführungsort. Zu Chopins Zeiten erklang diese Musik mit Sicherheit öfter in der Fassung für Klavier, zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabaß als in der Orchesterversion.

Wie intim Chopin selbst eine Aufführung wie jene in Warschau wirken ließ, verrät eine Zeitungsnotiz, die nach der Uraufführung erschien:
Die Ausführung entsprach völlig dem Geist der Komposition. Bei der Überwindung der größten manuellen Schwierigkeiten, bei den glänzendsten Passagen, beim Gesang der einprägsamsten Melodien versuchte der Pianist niemals, auf Kosten des Gesamteindrucks zu brillieren; seine Bescheidenheit verbarg ihn stets, wie erforderlich, hinter der mehr oder weniger großen Pracht der Harmonie. Es scheint, dass sein Spiel dem Publikum mitteilte: das bin nicht ich, das ist die Musik! … Für einen Polen ist es auch angenehm, bei der Entwicklung eines so schönen Talents, vielleicht Genies, daran zu denken, dass sich sowohl in der Komposition wie in der Interpretation der Nationalcharakter zeigt. Ein solches Spiel weckte eine völlig natürliche allgemeine Begeisterung, und auf einigen Gesichtern auch eine Verwunderung. Sie rührte bestimmt von dem Empfinden her, dass man auch ohne jene monoton wiederholten, eintönig dahinfließenden, ewig gleichen Melodien, ohne diese nervtötenden Orchesterschläge und ohne diese lärmenden Schlussmomente heutiger Werke den Hörer in Bann schlagen kann.

zum Werk

Chopin war 19 Jahre alt, als er das Werk niederschrieb. Zu jener zeit hörte er Beethovens Schüler Ferdinand Ries in Warschau mit dessen c-Moll-Klavierkonzert, aber auch mit den weniger symphonisch aufrauschenden als brillant-virtuosen Konzerten von Dussek und Hummel. Sie dienten Chopin eher als Vorbild als der »unerreichbare« Beethoven.

So trägt denn auch der Kopfsatz des f-Moll-Konzerts, trotz aller fühlbaren inneren Erregung und Hochspannung großteils lyrischen Charakter. Mag das Hauptthema noch kraftvollen zuschnitts sein, kommt mit dem Eintritt des Soloklaviers, das zunächst das poetische As-Dur-Seitenthema vorstellt, eine Intimität ins Spiel, die in der Folge den Tonfall des Dialogs bestimmt.

Voll Sanftheit ist auch das zentrale Larghetto, in dem Chopin eine Liebeserklärung an die Sängerin Konstancja Gladkowska in Form einer veritablen Instrumental-Arie formuliert. Die junge Sopranistin hatte Chopin im April 1829 mit Werken von Händel und Haydn im Konservatorium gehört. Er wagte es aber nicht, ihr seine Liebe zu offenbaren. Einem Freund vertraute er an:
Ich habe, vielleicht zu meinem Unglück, mein weibliches Ideal schon gefunden, der ich treu diene, obwohl ich schon seit einem halben Jahr nicht mit ihr gesprochen habe. Ich träume von ihr und habe zu ihrem Gedenken das Adagio in meinem Konzert geschrieben. Davon weiß niemand außer dir.
Die bohrenden Zweifel in Chopins Seele mögen ihm den verdüstert-rezitativischen as-Moll-Mittelteil diktiert haben.

Das Finale aber tanzt zu polnischen Tanzrhythmen. „Im Grunde", schreibt Chopin-Biograph Zielinski, sei dieser Satz »eine konzertante Stilisierung eines Mazurek. Zwar erinnern die ersten ruhigen Phrasen des Themas (f-Moll) eher an einen Kujawiak, doch der energiegeladene Einsatz des Orchesters danach exponiert ganz entschieden Mazurek-Rhythmen.«.



↑DA CAPO