Wer gibt in Wien die Richtung in Sachen Oper vor?
Die Spielpläne der drei Wiener Opernhäuser für die kommende Saison liegen nun vor. Diesmal hat man besonders gespannt darauf gewartet.
Sowohl in der Volksoper als auch im Theater an der Wien brechen neue Zeiten an. So war man gespannt auf die ersten Spielpläne der künftigen Intendanten. Wobei die Richtung im Falle des künftigen Prinzipals an der Wien, Stefan Herheim, kaum falsch sein kann. Der international berühmte Regisseur steht für fantasievolle, innovative optische Konzepte. Diese stehen dem „dritten“ Haus, das experimentellen Spielformen offen stehen sollte, wohl an. Dass gar nicht „an der Wien“ gespielt wird, weil renoviert werden muss, tut nichts zur Sache. Wien signalisiert, dass es weiß, was ringsum in der Welt in Sachen Oper diskutiert wird.
Die Stadt sollte allerdings auch ihrer großen Spieltradition gerecht werden, die auf den Grundfesten des Ensembletheaters errichtet wurde. Dafür müssten die beiden Bundestheater einstehen und gemeinsam ein möglichst breites Repertoirespektrum spielbereit halten. Das war stets eines der Asse im Ärmel der Welthauptstadt der Musik, dass unsere Gäste hier ein bunteres, vielgestaltigeres Opernleben vorfanden als irgendwo anders.
Die Ensembles der beiden Häuser garantierten, dass die wienerische Spieltradition von Wagner und Richard Strauss bis zu Spieloper und Operette stimmig fortgeführt wurde. Im Haus am Ring konnten die Gastspiele der berühmtesten Sänger-Stars diesem reichen Opernleben immer wieder glanzvolle Lichter aufsetzen.
Diese Star-Gastspiele sind im Übrigen das, worauf man sich nach wie vor freuen kann. Nennen Sie Ihren Favoritennamen, er findet sich mit ziemlicher Sicherheit 2022/23 wieder.
Was die Reichhaltigkeit des Repertoires anlangt, sind die Zeiten hingegen mager geworden. Nicht zuletzt die Reduktionspolitik Robert Meyers am Gürtel hat dazu entscheidend beigetragen. Dass seine Nachfolgerin zumindest eine klassische Spieloper neu inszenieren lässt, mag ein Signal in die richtige Richtung sein. An der Verarmung des Gesamtangebots ändert es nichts. Die Volksoper spielt viel zu wenige Stücke und müsste schleunigst ein Ensemble wieder aufbauen, das imstande ist, eine breitere Repertoirepalette stimmig zu servieren.
Ob das geplant ist, ob es gelingen kann, steht in den Sternen. Es wäre die Aufgabe der Bundestheater-Holding und der Kulturpolitik, das zu kontrollieren und zu lenken – und zwar auch im Hinblick auf die Zukunft der Staatsoper. Die Frage, für welche Neuproduktionen man das Steuergeld verwendet, stellt sich dringend.
Bis dato hat Direktor Bogdan Roscic fast ausschließlich zentrale Stücke des Repertoires durch (teils nur für Wien) neue Produktionen ersetzt, die in fast allen Fällen Verschlechterungen darstellen – Verschlechterungen, wohlgemerkt, für Opernfreunde, die Stücke gern mit deren Libretto identifizieren möchten. Das ist auch eine pädagogische Frage. Staatlich subventionierte Opernhäuser sollen ja auch jungen Interessenten ermöglichen, die Meisterwerke des Genres kennen und lieben zu lernen.
Was zuletzt von der „Entführung aus dem Serail“ über den „Barbier von Sevilla“ bis zu „Tristan und Isolde“ oder „Wozzeck“ zu erleben war, entfernt sich aber nicht nur in den Augen jener Musikfreunde, die nach Premieren (und mittlerweile sogar bei Generalproben) ihrem Unmut Luft machen, weit von diesem Ideal. Geht man davon aus, dass es künftig an der Wien ein Haus fürs experimentelle Musiktheater gibt, dann muss man schon sagen dürfen, dass es wenig bringt, wenn Jonas Kaufmann an der Staatsoper den Parsifal singt, man drum herum aber nicht erkennen kann, welches Stück gerade gespielt wird. Und nur auf Letzteres hat man eine jahrzehntelange Garantie, denn Kaufmann singt weiterhin nicht oft in Wien. Und „Parsifal“ kann man nicht alle zwei Jahre neu inszenieren . . .