Friedrich Gulda zum Gedenken


Sein glückliches Publikum hat Friedrich Gulda unglücklich gemacht


Erinnerungen an einen bedeutenden österreichischen Musiker, der vor 25 Jahren von uns ging. Sein multikultureller Ansatz kam vielleicht zu früh

Es war an Mozarts Geburtstag. Einer der größten Wiener Musiker sei im 70. Lebensjahr dahingegangen, hieß es. Wenige Monate zuvor hatte er in zynischem Aktionismus seinen Tod verkünden lassen, um wenig später eine „Auferstehungs-Party“ zu feiern. Aber diesmal war es wahr: Friedrich Gulda war tot.

Abgekapselt von seinem treuen Publikum hatte er sich schon zuvor, monatelang zog er sich in sein Haus am Attersee zurück, machte Privat-Aufnahmen von Mozart-Sonaten. Am Klavier, am Clavichord, an einem elektronischen Instrument. Hätte er ein Mozart-Konzert in Wien avisiert, der Musikverein wäre innerhalb weniger Stunden ausverkauft gewesen. Aber mit diesem „bürgerlichen Musikbetrieb“ wollte Gulda nichts mehr zu tun haben.
Viel zu sehr war er gekränkt von der Ablehnung – oder zumindest der Gleichgültigkeit, die man seinen eigenen Kompositionen entgegengebracht hat.
Abgesehen vom „Cellokonzert“, dessen Uraufführung mit Heinrich Schiff im Konzerthaus zu einer Sensation wurde, nahm man Guldas Werke zwar meist freundlich auf – mit der missliebig-schrägtönenden Avantgarde wollte er ja auch nichts zu tun haben. Doch die Ausflüge in Jazz-Regionen wirkten in den klassischen Konzertsälen ja meist doch nur wie ein Vorprogramm zu dem, was man eigentlich von Gulda hören wollte: Beethoven, Bach oder Schubert.
Das Misstrauen des Künstlers gegenüber jenen Menschen, die ihm nach Klavierabenden zujubelten, kulminierte einst an jenem Kärntner-Festspielabend, an dem er Ausschnitte aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ spielen sollte, aber mit dem Ehepaar Fuchs auf dem Podium erschien, um „freie Musik“ zu machen; teils auf selbstgebauten Instrumenten, die alles andere als wohltemperiert tönten. Es dauerte mehr als zwei Stunden. Aber als ein großer Teil der festlich gekleideten Hörerschaft das Weite gesucht hatte, setzte sich Gulda doch noch an den Flügel – Bach..
Und das war dann wieder so, dass man ihm nicht böse sein konnte. Niemand hat so glasklar, so spielerisch, dann wieder schwärmerisch-schön, aber völlig unverkitscht Klavier gespielt. Und die Bässe! Egal ob im Forte oder im Pianissimo: Gulda konnte tiefe Töne aus dem Bösendorfer zaubern, die wie dunkel-profunde Glockenklänge das darüber liegende Stimmengewebe trugen, schweben ließen.
Alle Ehren, denen ein Interpret teilhaftig werden kann, wollte man ihm zukommen lassen. Den Beethoven-Ring, den er verdient hatte wie kein anderer, den gab er zurück denn er war sich sicher: Es lief alles falsch, auch in der Musik-Ausbildung.
Wenn er aber sein Arrangement von Susannas „Rosenarie“ aus dem „Figaro“ spielte, dann war das Mozartglück vollkommen: Da war sie, die reine Melodie. Sänger hätten lernen können, was echter Belcanto ist und eine natürlich geatmete Phrase.
Dafür haben wir ihn alle geliebt. Da durfte er sich auch sicher sein. Und das macht ihn unglücklich.