Franz Schubert
1797 - 1828
Gustav Klimt: »Schubert« (1945 verbrannt)
»
Himmelpfortgrund« hieß der kleine Bezirk in der Vorstadt, wo Franz Schubert am 1797 zur Welt gekommen ist. Der Vater, Franz Theodor, war der Sohn eines Bauern und Ortsrichters aus Neudorf bei Mährisch-Schönberg (Nordmähren) und unterrichtete in der Grundschule »auf dem Himmelpfortgrund«. Franz, eines von fünf Kindern der Familie, die das Säuglingsalter überlebten, besaß offenkundig musikalisches Talent, spielte nach Anleitung durch den Vater bald gut Violine und verfügte außerdem über eine hübsche Stimme, die er im Kirchenchor hören ließ.
Wenn ich ihm was neues beibringen wollte, hat er es schon gewußt. Folglich habe ich ihm eigentlich keinen Unterricht gegeben, sondern mich mit ihm bloß unterhalten, und ihn stillschweigend angestaunt.
Also antwortet der Vater auf eine Annonce, die Freistellen für Chorknaben in
kaiserlichen Hofkapelle ankündigte. Die Aufnahmsprüfung besteht der Zwölfjährige bravourös. Immerhin hatte er beim Organisten der Liechtenthaler Kirche schon Orgelunterricht gehabt und auch die Anfangsgründe der Harmonielehre und des Kontrapunkts erlernt.
Also darf Franz Schubert ab 1808 das Internat des »Stadtkonvikts« am Platz der alten Universität (heute Ignaz Seipel Platz) besuchen. Das Dasein der Zöglinge der Piaristen ist freilich alles andere als fröhlich. Die fesche Uniform mit der goldenen Borte kann kaum darüber hinwegtäuschen, daß die Unterrichtsstunden kein Ende nehmen wollen und die Verpflegung keineswegs üppig genannt werden kann. Darüber klagt der Bub in einem Brief an den Bruder Ferdinand, dem ersten schriftlichen Dokument, das uns von seiner Hand erhalten geblieben ist.
Immerhin kümmert sich aber Hofkapellmeister Antonio Salieri persönlich um die musikalische Erziehung der Kinder. Diesem Lehrmeister, bei dem ja auch Beethoven noch als berühmter Komponist Unterricht in Sachen Vokalkomposition genommen hat, bleibt Schubert noch nach seiner Entlassung aus dem Konvikt treu.
Wichtig für die Entwicklung des Komponisten ist wohl das Spiel im Orchester des Internats. Der junge Jus-Student Joseph Spaun, der später in den Adelsstand erhoben werden und Schuberts enger Freund bleiben wird, leitet das Ensemble und man spielt unter der Leitung des Musiklehrers Ruczicka - aber bald auch schon unter Schuberts Führung (!) - vor allem klassische Symphonien. Sogar die ersten beiden Symphonien Ludwig van Beethovens lernt Schubert auf diese Weise neben Stücken von Haydn und Mozart kennen.
Die Aufführungen im Kärntnertor-Theater und im Theater an der Wien lassen Schuberts Opernleidenschaft wachsen. Als er mit einsetzendem Stimmbruch das Konvikt verlassen muß, steht sein Entschluß fest: Komponist will er werden. Doch zunächst gilt es Geld zu verdienen. Nach Abschluß der Schulbildung in der Normalhauptschule in der Annagasse unterrichtet Franz Schubert als Assistent seines Vaters die Kinder der ersten Klasse. In jener Zeit entsteht die Erste Symphonie, deren Uraufführung die ehemaligen Kollegen im Konvikt 1813 musizieren. Außerdem beginnt der ehrgeizige junge Komponist mit der Arbeit an einer Oper, Des Teufels Lustschloß, nach einem Text August von Kotzebues, deren Partitur der kritische Salieri wohlwollend, aber mit Einwänden beurteilt: Der Zögling möge eine Umarbeitung vornehmen, rät der Meister - Schubert gehorcht. Aber auch die Zweitfassung des Stücks wird er nie zur Aufführung bringen können.
Dafür feiert er einen eminenten Erfolg mit seiner ersten Vertonung des Ordinarium missae: Die Messe in F-Dur bringt ihm bei Wiener Kennern hohes Ansehen und sichert seinen folgenden Werken einige Aufmerksamkeit.
1814
In diesem Jahr entstehen neben dem Schuldienst immerhin vier Streichquartette für den häuslichen Gebrauch in der Familie. Von diesen Werken ist das vierte (in B-Dur, D 112) das gehaltvollste. Außerdem entsteht kontinuierlich Vokalmusik, etliche langatmig-düstere Balladen, vor allem aber am 19. Oktober 1814 das erste Meisterlied: Gretchen am Spinnrade.
Der Freundeskreis weitet sich aus. Johann Mayrhofer kommt hinzu, ein Dichter, dessen Werke für den Komponisten wichtig werden. Auch Franz von Schober wird von Spaun mit Schubert bekannt gemacht. Der durchaus wohlhabende Schober wird es sein, der Schubert bald dazu drängt, seine Lehrtätigkeit aufzugeben und sich ausschließlich seinem Schaffen zu widmen.
1815
Doch hemmt der Unterricht Schuberts Schaffensfreude nicht. 1815 entstehen 145 Lieder, darunter vor allem Rastlose Liebe (19. Mai) und Das Heidenröslein (19. August), die Symphonien Nr. 2 (B-Dur) und Nr. 3 (D-Dur), ein Quartett und zwei Klaviersonaten, die Messe in G-Dur, die in sechs März-Tagen geschrieben ist, sowie die Messe in B-Dur (im November).
Außerdem vier Bühnenwerke:
Der vierjährige Posten (Mai) Fernando (Juli) Claudine von Villa Bella (nach Goethe, und fragmentarisch überliefert), sowie Die Freunde von Salamanca
Wobei Schubert hinter das letzte dieser Werke tatsächlich am Silvesterabend den Schlußstrich setzt.
Spektakulär in jeder Hinsicht ist Schuberts Vertonung von Goethes Erlkönig. Bei seiner Aufführung im Freundekreis im Oktober 1815 löst sie euphorische Begeisterung aus. Die Ballade wurde in Abschriften bald in ganz Wien verbreitet und gesungen.
Angestachelt durch diesen Erfolg, sandte Spaun im Frühjahr 1816 einige Lied-Abschriften an Goethe, der sich für die Vertonungen seiner Gedichte durch den jungen Wiener aber gar nicht beeindrucken ließ und die Manuskripte kommentarlos zurückschickte.
1816
1816 entstehen in einem Zug die drei Sonat(in)en für Klavier und Violine, dann das Streichquartett in E-Dur (D 353)
und die Symphonie Nr. 4 in c-Moll, die Schubert selbst seine »Tragische« nennt, was dem Werk nicht zum Nachteil gereicht: Sie wird von den Jugendsymphonien die bekannteste.
Im Juni 1816 entsteht Schuberts erstes Auftragswerk, die Kantate Prometheus (D 451), die im Garten des Widmungsträgers, Professor Watterroth, uraufgeführt wird.
Die Fünfte Symphonie in B-Dur bildet Ende 1816 den gelösten Gegenpol zur düsteren Vierten und huldigt unverhohlen dem Geist Mozarts.
Die wichtigsten Liede dieses Jahres sind Der Wanderer (D 493) und die Gesänge des Harfners aus Goethes »Wilhelm Meister« (D 479-481).
1817
1817 genießt Schubert seinen »einjährigen Urlaub« vom Schuldienst, erweist sich in den Monaten, die er in der Wohnung des Freundes Schober verbringt, kompositorisch aber als äußerst unstet. Sieben Klaviersonaten beginnt er - offenbar auf der Suche nach der großen Form - zu komponieren. Nur vier davon kann er vollenden, die Sonate in a-Moll (D 537, im März), die
Sonaten in e-Moll (D 566) und Es-Dur (D 568, beide im Juni) sowie die Sonate in H-Dur (D 575 im August).
Mit der Sechsten Symphonie in C-Dur schließt er den Zyklus seiner Jugendsymphonien ab, freilich nicht bewußt - in der Folge entstehen Fragmente, darunter so gewichtige wie die Unvollendete, aber nur ein Werk, die »Große C-Dur-Symphonie« wird er danach noch abschließen.
Bewußt reflektiert Schubert in jener Zeit den von Beethoven so mißmutig kritisierten »Rossini-Rummel«, der in Wien während der italienischen Stagione im Kärntnertortheater ausbricht. In kurzer Folge entstehen zwei Ouvertüren im italienischen Stil. Außerdem bringt auch das Finale der Sechsten Symphonie ungeschminkt Rossini-Töne ins Spiel.
1818
Aus der Depression, die Schubert nach dem Abschied aus der Wohngemeinschaft mit Schober und der Wiederaufnahme des Schuldienstes befallen hatte, reißt ihn 1818 eine Einladung des Fürsten Esterházy in dessen Sommerresidenz im ungarischen Zseliz, wo Schubert die Töchter des Fürsten unterrichten soll - eine dank des Charmes der Prinzessinnen und des nicht gerade herausfordernden Zeitaufwands höchst angenehme Beschäftigung.
Jetzt lebe ich einmal, Gott sey Dank, es war Zeit, sonst wär' noch ein verdorbener Musikant aus mir geworden
schreibt er nach Wien. Für das gemeinsame Musizieren im fürstlichen Schloß entstehen unter anderem die Klaviersonate in B-Dur (D 617), diverse kleinere Klavier-Duos und die Polonaisen (D 599), denen sich noch eine wiederum unvollendete Sonate in f-Moll (D 625) hinzugesellt.
Zurück in Wien, zieht es Schubert vor, nicht wieder in den väterlichen Haushalt (in dem seine Stiefmutter das Regiment führt), sondern in die Wohnung Mayrhofers zu ziehen, was seine Schaffenskraft offenkundig anspornt: Ab September komponiert er an der Oper Die Zwillingsbrüder. Die Anregung dazu verdankt er dem Tenor Vogl, der bald sein wichtigster Lied-Interpret und Promotor wurde - und sich durch einen Einfluß bei den Wiener Theater-Impresarii auch für Schubert Erfolg versprach - mit einer Ausnahme vergeblich, wie sich herausstellen sollte.
1819
In Steyr hab ich mich und werd' mich noch sehr gut unterhalten. Die Gegend ist himmlisch, auch bey Linz ist es sehr schön,
so heißt es in einem Brief an Mayrhofer im Sommer 1819. Schubert schreibt bei bester Laune für den Kaufmann Paumgartner in Steyr sein Forellenquintett, benannt nach dem Variationssatz über das längst berühmte Lied, der im Zentrum der lichten, geradezu fröhlichen fünfsätzigen Komposition steht.
In Wien entstehen in diesem Jahr vor allem der Beginn der erst später als Missa solemnis herausgebrachten Messe in As-Dur und das Fragment des Oratoriums Lazarus, eine zukunftsweisende, grandiose Komposition, deren Kühnheiten Schubert wohl zögerlich werden lassen: Das Stück bleibt Fragment; eines der faszinierendsten seines Werk-Katalogs.
Während der Arbeit wird Schubert von Metternichs Geheimpolizei einmal für kurze Zeit inhaftiert: Man fand ihn im Kreise des Studenten Johann Senn, der im Zuge der Studenten-Verfolgungen nach der Ermordung des Dichters Kotzebue verdächtig geworden war.
Schubert kommt aber bald wieder frei.
1820
1820 bringt endlich die ersehnte erste Theater-Premiere Schuberts. Vogl ist es gelungen, zumindest Die Zwillingsbrüder durchzusetzen: Die Doppelrolle gestaltet er bei der Produktion im Kärtnertortheater selbst. Die Rezensionen sind durchaus wohlwollend - aber aus Schubert wird kein berühmter Theaterkomponist. Immerhin beschert ihm der Erfolg den Auftrag, in kurzer Frist die Bühnenmusik zu Die Zauberharfe
zu schreiben, die im Theater an der Wien herauskommt.
Im Herbst dieses Jahres entstehen noch so bedeutende Vokalwerke wie die Uhland-Vertonung Frühlingsglaube und der Gesang der Geister über den Wassern, außerdem - ebenfalls ein bemerkenswerter Vorbote des Reifestils - der erste Satz eines Streichquartetts in c-Moll, der auch der einzige bleibt, den Schubert zu Ende komponiert. Vom folgenden Andante gibt es nur einige wenige Takte in As-Dur - das Fragment wird als Quartettsatz zu einem bedeutenden Stück des Streichquartett-Repertoires.
1821
Endlich erscheinen Schubert-Lieder im Druck. Einige Konzerte des Tenors Vogl finden das Interesse der Wiener Gesellschaft und Cappi & Diabelli publizieren als »Opus 1« Gretchen am Spinnrade. Danach folgen der Erlkönig und weitere Lieder wie Der Wanderer, Das Heidenröslein oder Der Tod und das Mädchen als op. 2 bis op. 7.
Schubert komponiert daraufhin eine ganze Reihe neuer Lieder, macht sich aber erst im Herbst an ein neues, großes Werk, die Oper Alfonso und Estrella. In dieser Zeit stößt auch der Maler Moritz von Schwind zum Schubert-Kreis, der seinen Freund viel später anläßlich der Ausstattung des neuen Opernhauses an der Ringstraße im später sogenannten Schwind-Foyer als Opernmeister unter Größen wie Mozart verewigen wird, obwohl in diesem Opern-Tempel kaum je eine Schubert-Opern gezeigt werden sollte.
1822
1822 entstehen gewichtige Werke, die Schubert auf einer neuen Ebene künstlerischer Reife sehen: Neben der einsätzigen, aber vier Sonatensätze kühn übergreifenden Wanderer-Fantasie, in deren Zentrum eine Paraphrase des Liedes Der Wanderer steht, komponiert Schubert die beiden Sätze seiner Symphonie in h-Moll, die er aber mitten in der Ausarbeitung des Scherzos liegen läßt. Robert Schumann wird das Manuskript später bei Schubert Freund Anselm Hüttenbrenner finden, das Werk wird als Unvollendete in die Geschichte eingehen und stellt neben der einzigen ausgearbeiteten viersätzigen Großen C-Dur-Symphonie von 1824 den Beweis für das zukunftsweisende Potential des Symphonikers Schubert dar.
Mit der Unvollendeten und ihrem Gehalt wird gern die zur selben Zeit niedergeschriebene → Erzählung Mein Traum in Zusammenhang gebracht, ein Stück angewandter »Traumdeutung« mit starken Bezügen zu Schuberts Verhältnis zum eigenen Vater und erotischen Konnotationen aus der Zeit der Kindheit.Auch die → Frage, ob diese h-Moll-Symphonie nicht weiter gediehen war, als wir heute zu glauben geneigt sind, wurde und wird heftig diskutiert.
1823
Drei Bühnenwerke wurden komponiert Schubert 1823, Im April vollendet er den Einakter Die Verschworenen, ein Singspiel nach einem Text Ignaz
Franz Castellis, dessen Titel auf Grund der geltenden Zensurbestimmungen in Der häusliche Krieg geändert werden muß, im September ist die heroische Oper Fierrabras nach einem Libretto Joseph Kupelwiesers, dem Bruder des
Malers) fertiggestellt - sie gilt späteren Generationen als musikalische reichste Schubert-Oper, erklingt freilich erst lang nach seinem Tod, wird aber immerhin im XX. Jahrhundert auch auf die Bühne der Wiener Staatsoper finden.
Im Dezember entsteht in großer Eile die Schauspielmusik zu Rosamunde von Helmina von Chézy, die im Theater an der Wien am 20. Dezember uraufgeführt, dann aber nur ein einziges Mal nachgespielt wird.
Die Musikwelt kennt aus Schuberts Werkkatalog des Jahres 1823 an groß angelegten Werken freilich eher den Zyklus Die schöne Müllerin und die erste der großen Klaviersonaten, jene in a-Moll (D 784).
1824
Die große symphonische Form versucht Schubert nun über die Kammermusik und die Klaviermusik zu erobern. Die a-Moll-Sonate hatte den Anfang gemacht. Nun folgen das Oktett, die C-Dur-Sonate für Klavier zu vier Händen und vor allem das Streichquartett in d-Moll, mit dem zentralen Variationssatz über das Lied »Der Tod und das Mädchen«. Außerdem die lichtere, doch tiefe Sonate für Arpeggione und Klavier, die in einem Arrangement für Violoncello Berühmtheit erlangen wird.
Die Forschung wird später herausfinden, daß auch die Große C-Dur-Symphonie, die von der Musikwelt ursprünglich in Schuberts letztes Lebensjahr datiert wurde, in dieser Zeit entstanden ist - vermutlich ist sie identisch mit einer angeblich verschollenen Gmundner-Gasteiner-Symphonie, von der in der Schubert-Literatur wiederholt die Rede ist.
1825
Die Reise nach Gmunden und Gastein fand 1825 statt. Bei dieser Gelegenheit entstehen die Klaviersonate in D-Dur (D 850), die 1826 unter der Opuszahl 53 in Druck gehen wird, sowie Lieder vom Format des Ganymed und An Schwager Kronos.
1826
Die Hoffnungen, sich im Wiener Musikleben auch offiziell etablieren zu können, schwinden. Eine Bewerbung um das Amt des Vizekapellmeisters der kaiserlichen Hofkapelle scheitert, und die Skizzen zu einer großen Oper namens Der Graf von Gleichen kommen über das Entwurfstadium nicht hinaus - der Komponist hat seine Theater-Ambitionen mit dem Mißerfolg der Rosamunde ad acta gelegt. Dabei gibt es im März 1826 erstmals ein Signal aus dem Ausland: In Leipzig wird die als Opus 42 gedruckte Klaviersonate in a-Moll äußerst wohlwollend rezensiert. In Wien veranstaltet man immerhin die eine oder andere Veranstaltung mit Schubertscher Musik unter dem später inflationär verwendeten Titel Schubertiade. Der Komponist ist in jener Zeit aber meist melancholischer Stimmung und nimmt an diesen illustren Privat-Konzerten oft nicht einmal teil.
1827
Im Februar 1827 aber singt er einige seiner neuesten Schöpfungen selbst im Freundeskreis: Mit den Worten
Komm heute zu Schober, ich werde Euch einen Kranz schauerlicher Lieder vorsingen ..., sie haben mich mehr angegriffen, als dies je bei andern Liedern der Fall war
soll er Freund Spaun eingeladen haben - es handelte sich um die ersten zwölf Lieder des Zyklus Winterreise, die Schubert vertont, ehe er noch die Fortsetzung der Geschichte kennt. Als er die weiteren Gedichte Wilhelm Müllers aus der Reihe entdeckt, schließt er den Liederkreis zu jener Einheit, den die Nachwelt als Inbegriff eines »Liederzyklus« betrachten wird.
An später Kammer- und Klaviermusik entstehen Ende 1827 noch de Fantasie für Violine und Klavier in C-Dur (D934) und die zweite Serie der Impromptus. Das Klaviertrio in Es-Dur, dessen Drucklegung Schubert im folgenden Jahr noch erleben wird, erklingt in einer öffentlichen Aufführung durch ein Ensemble um Ludwig van Beethovens Lieblingsgeiger Ignaz Schuppanzigh.
1828
Die Reihe der tiefgründigen Spätwerke Schuberts hebt an mit dem Streichquartett in G-Dur, dessen erster Satz am 26. März beim einzigen reinen Schubert-Konzert erklingt, das zu Lebzeiten des Komponisten je stattgefunden hat. Es folgen die Fantasie für Klavier zu vier Händen in f-Moll, das Allegro in a-Moll, das unter dem ganz und gar nicht authentischen Titel »Lebensstürme« gedruckt wird, geradezu schmerzverzerrte Lieder nach Gedichten von Heine, die verlegerisch bald unter dem Titel Schwanengesang mit anderen Werken zu einem apokryphen Liederzyklus vereint werden, sowie die Trias der formal ausgreifenden, inhaltlich so unterschiedlichen → Klaviersonaten in c-Moll, A-Dur und B-Dur. Sowie nicht zuletzt das bewegende Streichquintett in C-Dur, der wirkliche Schwanengesang des Komponisten, der am 19. November 1828 gegen drei Uhr nachmittags stirbt - vermutlich am damals in Wien grassierenden Typhus.
Die oft behauptete Mittellosigkeit des Komponisten zum Zeitpunkt seines Todes ist ein Märchen. Der Nachlaß Schuberts an Wäsche und sonstigen Habseligkeiten wurde höher bewertet als der Beethovens, ein Jahr zuvor. Freilich hat der Komponist - zumindest offziell - kein Bargeld hinterlassen. Doch konnten Studien nachweisen, daß sich seine Einkünfte in den letzten drei Lebensjahren auf durchschnittlich 1500 Gulden jährlich beliefen; das ist mehr als das Gehalt des kaiserlichen Vize-Hofkapellmeisters Joseph Eybler und jedenfalls deutlich mehr als das Gehalt von 500 Gulden, das Schubert erhalten hätte, wenn er den Posten des Musikdirektors in Laibach bekommen hätte, um den er sich auf Anraten Salieris 1816 beworben hatte...
Kein Komponistenschicksal ist von der Nachwelt so gnadenlos zur Biedermeier-Idylle verkitscht worden wie das seine: → Die Dreimäderlhaus-Katastrophe und ihre schwer zu tilgenden Nachwirkungen. Eine → unglückliche Liebe verband Schubert, in dem die Nachwelt vor allem den Meister der "kleinen Form" sah, mit der großen Oper.
Auch geniale Zeitgenossen hatten ihre liebe Not, die Größe Schuberts gleich anzuerkennen. So hat Johann Wolfgang von Goehte zunächst kein Hehl daraus gemacht, daß er mit Schuberts Vertonung seines Erlkönig nichts anfangen konnte. Mit seinen → Liederzyklen erwies sich Schubert als Architekt großer formaler Einheiten - wenn auch oft ohne Absicht. Eine Reihe wie die Winterreise war zunächst gar nicht als Zyklus gedacht. Für die Zeitgenossen war auch → der Symphoniker Schubert ein quasi unbeschriebenes Blatt.
Erst eine → Privat-Aufführung nach Schuberts Tod hat Goethe bekehrt.
Seine ersten Werke auf diesem Sektor scheinen noch den Vorbildern Haydn und Mozart nachzueifern. Daß es aus Schuberts Feder auch den gewaltigen Torso der Unvollendeten gab und die Große C-Dur-Symphonie, konnte niemand ahnen. Die letzte der vollendeten Symphonien Schuberts wurde zwar vermutlich einmal in seinem Beisein durchgespielt, doch an eine öffentliche Aufführung des bahnbrechenden Werks war nicht zu denken.
Fasziniert war die Nachwelt von den diversen Versuchen Schubert mit der symphonischen Form, die → als Skizzen erhalten geblieben sind.
Der Ehrgeiz, der Schubert zur »großen Form« trieb zeitigte Werke, die in seinen Augen als Probeläufe zu symphonischen Plänen zu werten waren - nicht zuletzt eine Reihe von → Klaviersonaten, die - wie die h-Moll-Symphonie zum Teil unvollendet blieben und als gewaltige Fragmente die kühnen Projekte des Komponisten ahnen lassen.