Schubert, der Lied-Meister, hat auch die pianistische Kleinform als einer der Ersten veredelt. Sein kurzes Leben lang träumt er aber davon, sich »den Weg zur großen Symphonie« zu bahnen und suchte ihn über die Kammermusik zu finden. Die Beethovensche Symphonie als übergeordnete Einheit von vier voneinander getrennten Sätzen war sein erklärtes Ziel.
Seit der Eroica, so hat der Wiener Feuilletonist Hans Weigel einmal verschmitzt zusammengefaßt, mußte ja jeder Komponist, der eine Symphonie komponieren wollte, immer eine ganz bestimmte Symphonie komponieren. Einfach nur Nummer 49 auf Nummer 48 folgen zu lassen, war nicht mehr möglich.
Lernen im Orchester
Als Zögling des Stadt-Konvikts musizierte Schubert mit seinem Kommilitonen Haydn und Mozart, aber auch die ersten beiden Beethoven-Symphonien und erfuhr auf diese Weise alles über die klassische Formgebung -- sozusagen inmitten des Orchesterklangs. Er war noch ein Teenager, als er seine ersten Symphonien schrieb, die natürlich auch bei seinen Kommilitonen auf Interesse stießen.
Die Erste Symphonie in D-Dur ist das selbstbewußte Werk eines jungen Mannes am Ende der Schulzeit.
schrieb Schubert am 28. Oktober 1813 an den Schluß der Partitur seines symphonischen Erstlings - einige frühere Versuche in der Form der Symphonie und der Ouvertüre waren über skizzenhaft-fragmentarisches Stadium nicht hinausgekommen. Die einstigen Schulkollegen führten die die D-Dur-Symphonie, die schon mit ihrer gravitätischen langsamen Einleitung den hohen Anspruch anmeldet, nach Schuberts Ausscheiden aus dem Konvikt tatsächlich auf.
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Riccardo Muti stellte eines Tages - während der Arbeit an der Gesamtaufnahme des Zyklus - Schuberts Erste ans Ende eines philharmonischen Abonnementprogramms in Wien. Dort, wo sonst große Brahms-, Tschaikowsky- und Bruckner-Symphonien oder Tondichtungen von Richard Strauss zu hören sind, erklang mit einem Mal eine »kleine« Schubert-Symphonie. Und es stellte sich heraus: Aufmerksam musiziert, ist dieses Werk gehaltvoll genug, um diese Position zu verdienen.
Von den raren Gesamtaufnahmen der Reihe ist jene von Lorin Maazel mit dem Bayerischern Rundfunkorchester neben der Berliner Einspielung Karl Böhms die empfehlenswerteste. Anders als Muti findet Maazel in dieser späten Periode seines Lebens auch zur Unvollendete und zur Großen C-Dur-Symphonie den rechten Zugang, vor allem aber gibt er den frühen Werken das Gewicht, das sie verdienen. Verspielt-experimentelle Zugänge bieten die zahlreichen Aufnahmen auf Original-Instrumenten zur genüge, hier vernimmt man Schuberts Ambitionen zur »großen« Form, ohne die der Eindruck unvollkommen bleiben muß. Zumal die bayerischen Musiker unter Maazel mit äußerster Delikatesse und Akkuratesse aufspielen - allein die feine Herausarbeietung der subtilen motivischen Varianten im langsamen Satz und der rhythmischen Finessen im Scherzo lohnen die Hör-Begegnung mit dieser Aufnahme.
Die Zweite Symphonie in B-Dur »lautet«, um ein Diktum von Brahms abzuwandeln, »schon anders«.
Die Form bleibt noch klassisch - der Tonfall orientiert sich eher an Beethoven als an Haydn oder Mozart, um sich eigene musikalische Territorien zu erobern. Schon die Eleganz, mit der die knappe, aber gewichtige Introduktion sich vom einleitenden Forte in ein geheimnisvolles Pianissimo zurücknimmt, um den Boden für das in wachsender Erregung hervorbrechende Allegro vivace aufzubreiten, verrät den eigenständigen Meister. Nicht minder die kühnen modulatorischen Bewegungen vor dem Eintritt des Seitenthemas.
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Den rechten Tonfall für dieses Werk hat Karl Böhm gefunden, der die Zweite unter den frühen Schubert-Symphonien am meisten geliebt und immer wieder aufgeführt hat. Vielleicht kommt ein Livemitschnitt der letzten Aufführung mit den Wiener Philharmoniker - bei den Salzburger Festspielen Ende der Siebzigerjahre - noch einmal in den Handel. Bis dahin kann man mit der Aufnahme, die für die Symphoninen-Gesamteinspielung in Berlin entstand, wunderbar das Auslangen finden.
Mit der → Dritten (1815) gelang ihm eine besonders freundlich getönte D-Dur-Symphonie.
Den federleichten Ton dieses Werks hat Carlos Kleiber mit den Wiener Philharmonikern erreicht wie kein anderer. Daß die Vortragsbezeichnung des zweiten Satzes Allegretto lautet, nutzt er zum Beweis, daß es in diesem Werk einfach keinen »langsamen Satz« gibt. Doch bleibt dem rasanten Grundtempo dieser Interpretation zum Trotz das Stimmengewebe durchwegs duftig und transparent. Die Musik schwebt. Ein interpretatorischer Grenzgang, gewiß, aber ein unterhaltsamer!
»Tragische« Ambitionen
Mit der Vierten in c-Moll nahm Schubert 1816 in das viersätzige Formmuster etliche subjektive Ausdruckselemente auf.
Adagio molto - Allegro vivace. Andante
Menuetto. Allegro vivace Finale. Allegro
Die Tragische hat Schubert diese Symphonie nachträglich selbst betitelt - und damit sich selbst den Weg als Symphoniker gewiesen; er wollte also »ganz bestimmte« Symphonien schreiben und suchte in der Folge nach neuen formalen Möglichkeiten, sein Ausdrucksbedürfnis zu befriedigen.
Daß Schubert hier höher hinaus wollte und nicht einfach eine weitere, kammermusikalisch besetzte Sinfonia zu komponieren gedachte, beweist nicht nur die Titelgebung. Was die Interpretation dieser Musik anlangt, ist vorsicht vor Mode-Tendenzen geboten. Das mittlerweile allenthalben geübte Originalklang-Gezirpe wird dem Gehalt dieser Symphonie keineswegs gerecht, wenn es auch möglicherweise die ärmlichen Klang-Welten der Schubert-Zeit abbildet, in der solche Stücke, wenn überhaupt, von Ensembles in einer Größe aufgeführt wurden, die dem Gehalt der Musik nicht gerecht werden konnten.
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Otto Klemperer hat - als einer der wenigen bedeutenden Dirigenten, die sich überhaupt früher Schubert-Symphonien angenommen haben, mit dem Concertgebouw Orchester in Amsterdam eine leidenschaftlich durchglühte Wiedergabe gewagt, die scharf geschliffen, dramatisch und ungemein prägnant artikulierend, Schubert als Beethoven-Jünger hörbar macht - bei durchwegs zügigen, drängenden, impulsiven Tempi. Auch im Andante macht Klemperer die theatralischen Ambitionen Schuberts auf mitreißende Weise hörbar. Nie wieder egalisiert - und in einem durchaus akzeptabel restaurierten Digital-Umschnitt greifbar.
Nach der c-Moll-Symphonie kommt der oft als geradezu »mozartisch« apostrophierten Fünften (B-Dur), die im Herbst desselben Jahres wie die Vierte entstand, der Rang eines luftigen Intermezzos zu, dessen tiefgründige Momente freilich nicht »überspielt« werden dürfen.
Allegro. Andante con moto Menuetto. Allegro molto Finale. Allegro vivace
Hier zieht der Komponist noch einmal die Summe aus all seinen - durch eigene Versuche gekräftigten - Erfahrungen mit der klassischen Form. Es gelingt ihm eine Art tönendes Arkadien zu schaffen, großteils frei von subjektivistischem Ausdrucksstreben, wie es in der Tragischen angeklungen war. Immerhin im Menuett des dritten Satzes klingt ganz deutlich Mozarts große G-Moll-Symphonie (KV 550) an, von der Spaun uns überliefert, daß sie Schubert besonders am Herzen gelegen sei:
Von der Sinfonie in g-Moll von Mozart sagte er oft zu mir, daß sie ihn erschüttere, ohne dass er eigentlich wisse warum.
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Erich Kleiber hat mit dem Kölner Rundfunk-Symphonieorchester eine exzellente Interpretation des Werks realisiert, leichtfüßig, aber gehaltvoll, feinsinnigst artikuliert und beweglich in allen Stimmen. Das pure Hörvergnügen, dem Alter der Aufnahme zum Trotz.
Ganz ohne tiefgehende Zwischentöne muß aber auch diese Symphonie nicht auskommen, wie schön im Andante-Satz unter Bruno Walters Leitung zu hören ist: Mit Arturo Toscaninis NBC-Orchestra hat Walter in der Saison 1939/40 eine hinreißend lebhafte Interpretation erarbeitet, die aber im Mittelteil des zweiten Satzes auch bemerkenswert melancholische Farben aufträgt.
Die im Winter 1817/18 komponierte Sechste ging dann als »Kleine C-Dur-Symphonie« in die Annalen ein.
Das Werk war mehr eine Bewältigung des damaligen Rossini-Rummels, wie Beethoven die Opera-Buffa-Begeisterung der Wiener grollend nannte, als eine ehrgeizige kompositorische Landnahme im Bereich der großen Symphonik. Die stand für Schubert noch aus. Die Sechste ist ein »Intermezzo«, wenn auch durchaus von ehrgeizigem Umfang; und im übrigen die vorlezte Symphonie, die der Komponist vollenden konnte . . .
Die »kleine« C-Dur-Symphonie entstand im November 1817 nur wenige Monate nach der Fünften in einer unglaublich fruchtbaren Periode des 19jährigen Komponisten. Die Symphonie scheint für Schubert das Hauptprojet in diesem Monat gewesen zu sein, während rundum noch etliche Lieder, die beiden Scherzi für Klavier und die beiden Ouvertüren »im italienischen Stil« (D 590/591) entstanden. Die Nachbarschaft der Ouvertüren ist von Belang, denn hier reagiert Schubert offenbar ganz bewußt auf den unter anderem von Beethoven so despektierlich als »Rossini-Rummel« bezeichneten Erfolg des Opernmeisters aus Pesaro in Wien: Die Stadt sprach in jenen Tagen nur noch von Rossinis neuen Opern. Schubert Biograph Kreißle von Hellborn teilte 1865 erstmals einen zeitgenössischen Bericht über Schuberts Theaterleidenschaft und seine Stellung zu Rossini mit:
Als er nun eines Abends mit mehreren Bekannten (darunter auch Herr Doppler, der Gewährsmann dieses Geschichtchens) aus der Oper Tancred nach Hause wanderte, ergingen sich diese derart in Lobeserhebungen über Rossini's Musik und insbesondere über seine Opernouvertüren, daß Schubert, dem des Lobes zu viel sein mochte, zum Widerspruch gereizt, erklärte, es würde ihm ein Leichtes sein, derlei Ouvertüren, in ähnlichem Styl gehalten, binnen kürzester Zeit niederzuschreiben.
Kennt man diese Notiz, dann begreift man nicht nur die beiden Ouvertüren als brillante Beweise von Schuberts These, sondern auch den spezifischen Tonfall der Sechsten Symphonie, deren erster Satz, der nicht nur angesichts seiner Schluß-Stretta viel mit den Italienischen Ouvertüren zu tun hat.
Auch das Andante könnte eine verkappte Opernszene für den Konzertsaal sein, die sich gegen die Mitte zu mit Pauken und Trompeten dramatisch verdichtet. Das Finale ist von der tänzerischen Beschwingtheit einer Balletteinlag - nur im stürmischen Scherzo zollt Schubert dem verehrten Beethoven seinen Tribut.
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Knackpunkt bei dieser heikel auszubalancierenden, daher so gut wie nie gespielten Symphonie ist das Finale. Hier nimmt Schubert den Rossini-Kult aufs Korn und pfeift dem Opern-Meister ein freches Liedlein. Die Tempovorschrift lautet ausdrücklich Allegro moderato, wer sich die Mäßigungsvorschrift zu Herzen nimmt, scheitert in der Regel, weil der Satz dann gut zehn Minuten dauert - die Aufmerksamkeit des Hörers auf diesem Wege zu erhalten und den erwünschten, amüsanten Effekt zu erzielen, gelingt nur Dirigenten, die ihr Orchester gut im Griff haben und zu fein artikuliertem Spiel animieren können: Thomas Beecham hat das mit Royal Philharmonic Anno 1955 souverän verstanden.
Lorin Maazel ging in seiner brillanten Einspielung des Werks mit den Berliner Philharmonikern in den späten Fünfzigerjahren (DG), die insgesamt bis heute vermutlich die erbaulichste sein dürfte, einen radikalen Weg: Er verwandelt das Finale in einen regelrechen Galopp und spart gegenüber Beecham gut 25 Prozent der Spielzeit ein! Ob man das nun goutiert oder nicht: Alle vier Sätze polieren die Berliner hier auf Hochglanz.
Mit Sonaten und Streichquartetten suchte Schubert dann »den Weg zur großen Symphonie«, wie er Mitte der Zwanzigerjahre selbst bekannte.
Diesen Weg zur großen Form säumten große Entwürfe, oft mitten auf der Strecke abgebrochen. Halbe Oratorien, ein Viertel Streichquartett, 1824 endlich ein ganzes Quartett - mit einem Variationensatz über das Lied »Der Tod und das Mädchen« inmitten. Der Komponist ist weit vorgedrungen in neue, unbekannte Landschaften.
Doch niemand folgt ihm. Es kommt nur zu einer einzigen Aufführung . . .
Die »Unvollendete«
Mit den beiden Sätzen der Unvollendeten war die große symphonische Form definiert. Doch Schubert ließ das Werk unter bis heute nicht geklärten Umständen unfertig liegen.
Die Frage, wie »unvollendet« diese Symphonie eigentlich ist, beantwortet sich übrigens schon deshalb schwer, weil der Komponist nicht mit dem zweiten Satz zu komponieren aufgehört hat. Es existiert ein Fragment des Scherzos - und eine Vermutung, welche Musik als Finale gedient haben könnte.
Was die Ausleuchtung der Tiefgründigkeiten dieses Werks betrifft, blieb eine der frühesten Grammophon-Aufnahmen eine der besten: Franz Schalk ging im Schubert-Jahr 1928 in Berlin ins Plattenstudio, um die h-Moll-Symphonie aufzunehmen: Da wird mit einer Dringlichkeit und hie und da mit einer dramatischen Attacke musiziert, die später nicht mehr oft erreicht wurden. Vor allem ist diese Aufnahme eine Studie in Phrasierungskunst, über die Taktstriche hinweg gesungenen melodischen Linien und einer gesanglichen Ausleuchtung auch der Mittelstimmen - selbst die notgedrungen höchst mangelhafte Tontechnik kann die eminenten interpretatorischen Qualitäten nicht ganz nivellieren. Die Aufnahme entstand, notabene, ziemlich genau auf halbem Wege zwischen unserer Zeit und der Lebenszeit des Komponisten . . .
Mit der sogenannten Großen C-Dur-Symphonie, die vermutlich 1825 entstanden ist, gelang ihm ein Jahr nach der Uraufführung von Beethovens Neunter sein »vollendetes« Chef d'Oeuvre im symphonischen Bereich.
Andante - Allegro ma non troppo Andante con moto Scherzo. Allegro vivace Finale. Allegro vivace
Das »Freude«-Thema aus Beethovens Neunter klingt in Schubert Finale an, obwohl - oder vielleicht gerade weil Schubert hier bereits tatsächlich ganz andere Wege als das große Vorbild beschreitet, neue Wege, die geradewegs in Richtung späterer symphonischer Terrain-Gewinne durch Brahms oder, vor all, durch Bruckner weisen: Bruckners Adagio-Sätze scheinen tatsächlich ohne die dramatischen Entwicklungen im Andante der Schubert-Symphonie kaum vorstellbar...
Daß diese C-Dur-Symphonie prächtig gelungen war, kam für die Musikwelt allerdings erst Jahrzehnte später ans Licht. Ebenso wie die beiden ehrgeizig umfangreichen Sätze der Symphonie in h-Moll als Unvollendete erst berühmt werden sollte, als der Komponist längst tot war. Robert Schumann hatte sich für eine Aufführung des ungewöhnlichen langen Werks eingesetzt - aber erst Felix Mendelssohn-Bartholdy konnte, begeistert von dem Werk, das ihm »ganz besonders ausgezeichnet schien«, in Leipzig durchsetzen: Ihm gebührt die Ehre, Schuberts »große« Symphonie 1839 in voller Länge erstmals aufgeführt zu haben. Der Schubert-Hype war dann Mitte des Jahrhunderts, als sich auch Franz Liszt für das Werk einsetzte, längst ausgebrochen; er hatte mit allem Möglichen zu tun, nur nichts mit der Realität.
AUFNAHMEN
Unter den vielen Aufnahmen dieser vielleicht heikelsten aller Schubert-Symphonien sollte man die allererste jedenfalls gehört haben, denn sie reicht stilistisch noch weit hinein in die Ära der Romantik.
1927 ging Leo Blech mit London Symphony ins Studio, um die himmlischen Längen erstmals auf zahlreichen Schellack-Platten zugänglich zu machen. Die Aufnahme dokumentiert einen Interpretations-Stil, der rhythmisch und klanglich fein differenziert, auch in Sachen Tempodramaturgie eine Gestaltungsebene berücksichtigt, die spätere Generationen völlig igoriert haben. Allein die packende Zuspitzung des Tempos gegen Ende der Exposition hilft verstehen, was in der folgenden Durchführung geschieht und findet in deren Steigerungswelle ein Echo, mit dem das Geschehen vollkommen natürlich in die Reprise führt. Spätere Generationen nannte solche Herangehensweisen »subjektivistisch«. Dennoch packt Blechs Schubert-Sicht auch heute noch jeden Musikfreund, der sich vorurteilslos dieser Aufnahme widmet - und hilft vielleicht sogar, ein paar jüngere Vorurteile zu entlarven.
Zum Klassiker wurde die Berliner Aufnahme des Werks unter Karl Böhms Leitung (DG), die vor dem Heraufdämmern der Originalklang-Welle als absolute Referenz-Einspielung gefeiert wurde. Apropos: Dem Originalklang-Pionier Nikolaus Harnoncourt gelang in seinen späten Jahren bei den Salzburger Festspielen mit den Wiener Philharmonikern eine wunderbare Aufführung, die alle klugen Einsichten in Spielpraktiken der Biedermerierzeit mit dem herrlichsten philharmonischen Schönklang versöhnte, der Livemitschnitt wäre einer Veröffentlichung wert.
Schubert war auch nach Vollendung der C-Dur-Symphonie noch nicht zufrieden. In seiner Kammermusik experimentierte noch mit ausufernden formalen Konzepten. Was heute als Urbild der romantischen Symphonie gilt, das bis zu Bruckner und Mahler wirkte, galt ihm noch nicht als Erfüllung. Dieser Unzufriedenheit verdanken wir einige der kühnsten kammermusikalischen Werke seiner letzten Jahre, allen voran das C-Dur-Quintett und das letzte der Streichquartette, das in G-Dur, D 887.
Noch eine Symphonie in C-Dur
Joseph Joachim hat der Musikwelt übrigens eine weitere Schubert-Symphonie »geschenkt«, indem er das wunderbare Klavier-Duo D 812 orchestrierte, das Schubert in Ungarn 1824 für das gemeinsame Musizieren mit seiner Klavierschülerin, der Comtesse Esterházy schuf. Ein ausladendes, tatsächlich symphonisch anmutendes Werk des reifen Schubert - das sich im Orchestergewand gut macht. Marc Andreae hat es mit den Münchner Philharmonikern aufgenommen (Acanta).
Symphonie-Fragmente
Tatsächlich skizziert hat Schubert Symphonien in E-Dur - in der Zeit vor der »Unvollendeten« - ein Werk, das weit genug gediehen war, daß Felix von Weingartner aus den Entwürfen eine Spielfassung destillieren konnte. Außerdem eine Symphonie in D-Dur - im letzten Lebensjahr! - die Peter Gülke spielbar gemacht hat.