Die vollendeten "Unvollendeten"

Unerhörtes hörbar gemacht

Spannend ist der Blick auf jene Werke Franz Schuberts, die auf dem Weg zum Gipfel sozusagen verloren gingen.
Der Fragen sind viele:

  • Warum hat der Komponist die Klaviersonate in C-Dur, von der Nachwelt Reliquie genannt, liegen gellassen, obwohl weite Teile von drittem und viertem Satz ausgearbeitet waren?


  • Warum brach er sein einziges Oratorium, den Lazarus, an jener Stelle ab, wo sich die Harmonik gerade am kühnsten ins Moderne weitet?
  • Die Arbeit an der sogenanten Unvollendeten Symphonie beendete Schubert übrigens nicht nach dem Andante, sondern mitten im Scherzo!
    Die Theorie, daß er die beiden fertiggestellten Sätze als »vollendete« Einheit betrachtet haben könnte, ist also hinfällig. Vom Scherzo-Teil gibt es einige instrumentierte Takte und die gesamte Musik als Klavierauszug. Die Melodie des Trios ist weitgehend melodisch festgelgt.
    Und daß vielleicht das schon fertiggestellte Finale der Symphonie als Zwischenspiel in die Rosamunde-Musik eingegangen sein könnte, das hat, hört man genau hin, allerhand für sich: Die fragliche Nummer der Schauspielmusik würde in Länge und Gehalt ein würdiges Symphonie-Finale abgeben. Zudem stimmt die Tonart, h-Moll. Bemerkenswerterweise ist dieser Satz in der Schauspielmusik mit zwei Schlüssen überliefert, einer endet in Moll, der andere nach abruptem Wechsel in H-Dur.

         

    Zwei weitere »Unvollendete«

    Wie bei seinen Klaviersonaten hat Schubert auch mit der symphonischen Form experimentiert. Manche der Versuche sind weit gediehen. So gibt es gibt eine Menge an Skizzen zu einer großen

  • D-Dur-Symphonie.

  • Schubert ließ das Konvolut letztendlich doch ungenutzt. Das hat die Musikwissenschaftler und Praktiker gereizt. Mit Fleiß hat man die Symphonie spielbar zu machen versucht.
    Einfacher ist die Lage bei einer im Entwurf tatsächlich bis zum letzten Takt gediehenen

  • Symphonie in E-Dur.

  • Die beinah vollständige Klavierskizze wurde verschiedenen Vollendungsversuchen zugeführt.
    Brian Newboulds Fassung gilt die Sympathie vieler Kommentatoren (Neville Marriner hat sie für Philips aufgenommen).
    Doch hat die Version, die Felix von Weingartner hergestellt hat - willkürliche Eingriffe einmal beiseitegelassen - den Vorteil einer geübten Instrumentatorenhand.
    Weingartners Versuch ist seit 2007 auf CD greifbar (SWR-Orchester, Alun Francis, cpo 999 424).
         

    ↑DA CAPO