Streichtrio

Arnold Schönberg op. 45 (1944)

  • Teil I
  • Episode I
  • Teil II
  • Episode II
  • Teil III

  • Im August 1946 fesselte eine schwere Erkrankung den Komponisten wochenlang ans Bett. Sein Herz drohte auszusetzen. Eine intrakardiale Injektion brachte ihn jedoch noch einmal zum Leben zurück. „Ich bin vom Tod wieder auferstanden“, kommentierte Schönberg selbst.

    Er hat diese schwere Krise sogleich musikalisch verarbeitet. Noch am Krankenbett skizzierte er sein Streichtrio, das bereits im September beendet war und als op. 45 veröffentlicht wurde.

    Seinem Schüler Hanns Eisler gegenüber bekannt er, so schwach gewesen zu sein, „daß ich gar nicht weiß, wie ich das geschrieben habe. Ich hab irgendwas zusammengeschrieben“.

    Dieses Irgendwas ist eines seiner konzentriertesten Werke geworden, in dem biographische Bezüge sogar zum Greifen deutlich fühlbar sind: Bestimmte Akkorde bezeichnen die Injektionen, die der Arzt verabreicht hatte.

    Einfluß auf Thomas Mann

    Dem Dichter Thomas Mann gegenüber bekannte Schönberg, den gesamten Krankheitsverlauf in seinem Trio in Musik gesetzt zu haben. Das Stück sei für drei Virtuosen komponiert, „fast unmöglich“ zu spielen, aber „vermöge außerordentlicher Klangwirkungen“ doch „dankbar“. Mann war von der Kombination „unmöglich, aber dankbar“ fasziniert und verwendete sie in seinem „Doktor Faustus“, indem er sie seinem Phantasie-Komponisten Adrian Leverkühn zuordnete. Ein weiteres Indiz für die Patenschaft Schönbergs an dieser Romanfigur.

    Die Musik

    Die Musik des Streichtrios spiegelt in ihrer suggestiven, oft wild gestikulierenden Sprache ganz offenkundig einen Leidensprozeß und einen Überlebenskampf. Schon die ersten Takte überfallen den Hörer mit erregten, jäh kontrastierenden Klängen, die wie Schreie, stechende Schmerzen, grelle Blitze empfunden werden können.

    Formal
    teilt sich das Werk in fünf Abschnitte, drei Hauptteile, die durch zwei „Episoden“ verbunden sind. Der unvorbereitete Hörer wird diese Sturktur kaumwahrnehmen, sondern die immer wieder auftretenden heftigen Kontraste als strärkste Binnengliederung empfinden. Sie erlaubt immer wieder lyrische Ruhepunkte, zuweilen selbstvergessene Momente, in denen sich die Klänge in irisierende Farben aufzulösen scheinen.

    Kaum eine Partitur
    Schönbergs verlangt so viele ständig wechselnde Spielweisen von den Streichern - Flageolett, flautando, sul ponticello, col legno, die gesamte Bandbreite der koloristischen Effekte wird aufgeboten, um ein wiederholt ins Surreale, Unterbewußte, Jensseitige spielendes Ausdruckspotential auszuloten. Sogar verfremdete Walzerklänge scheinen in der Mitte des Werkes hereinzuklingen, denen unbarmherzig pochende, ja ratternde Celloschläge den Garaus machen. Sie signalisiern den Beginn der „zweiten Episode“, die nach stürmischem Beginn in einen geheimnisvollen Pianissimo-Kanon und abwärtsführende Glissandi ausläuft. Erst im letzten Abschnitt der Komposition werden einzelne Elemente des Vorangegangenen, die wieder erscheinen, deutlich erkennbar. Entfernt gemahnt das an klassische Reprisenbildungen, aber hier sind die Elemente vereinzelt, treten isoliert wieder auf wie Wegmarken einer bruchstückhaft gewordenen Erinnerung.

    Schönberg arbeitet mit einer Technik, wie sie der Film mit seinen Möglichkeiten harter Schnitte verwendet. Er setzt damit konsequent seinen schon Anfang des Jahrhunderts eingeschlagenen Weg der Konzentration fort. Was einmal erklungen ist, kehrt niemals unverändert wieder. Knappste Andeutungen genügen, um musikalisch formbildend zu werden. An die Hörer stellt das so große Anforderungen wie an die ausübenden Musiker, die hier technisch mit enormen Problemen konfrontiert werden.

    Eine grandiose, ungemein lebendige, in manchen Momenten anrührende Aufnahme gelang drei Mitgliedern des LaSalle-Quartetts: Hier paart sich analytische Durchsichtigkeit mit jenem Ausdruckswillen und jener Klangsinnlichkeit ohne die Schönbergs Musik papieren bleiben muß.



    DA CAPO

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